Die deutschen Dressurreiterinnen Isabell Werth (l.) mit ihrer Silbermedaille und Jessica von Bredow-Werndl mit ihrer Goldmedaille. © picture alliance/dpa Foto: Friso Gentsch

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Dressurköniginnen unter sich: Von Bredow-Werndl dankt ihrem Idol Werth

von Bettina Lenner

Als Isabell Werth 1996 in Atlanta olympisches Einzelgold gewann, war Jessica von Bredow-Werndl gerade einmal zehn Jahre alt. Ein Vierteljahrhundert später hat die Bayerin nun die Nachfolge ihres Idols angetreten - und das erste deutsche Dressur-Gold in der Kür seit 25 Jahren gewonnen. Werth hat ihren Anteil daran.

Am Ende konnte Jessica von Bredow-Werndl kaum mehr hinschauen. Mit ihrer Trakehnerstute Dalera war sie in der Grand Prix Kür zur monumentalen Note von 91,732 Prozentpunkten getanzt - nun hieß es abwarten. Die Auslosung wollte es so. Würde Isabell Werth ihr den Sieg streitig machen können? Die Rheinbergerin zeigte im Viereck ebenfalls eine herausragende Leistung. Das bekam die 35-Jährige sehr wohl mit. "Ich habe immer wieder auf den Screen geschaut. Ich wusste überhaupt nicht, wie's ausgeht", sagte sie: "Ich habe ihr die Daumen gedrückt. Aber ich habe mir natürlich gewünscht, dass es für mich reicht."

Als Werth schließlich mit 89,657 Prozentpunkten hinter ihr lag, "war das eine Achterbahnfahrt der Emotionen. Ich musste weinen. Es ist alles von mir abgefallen. Die Aufregung, die Anspannung. Ich wollte es unbedingt schaffen", sagte Deutschlands neue Dressurkönigin, die schon in der Qualifikation und im Mannschaftswettbewerb die Höchstnote erreicht hatte.

"Ich bin aufgewacht und es fühlte sich so unecht an. Ich bin glücklich, müde und wahnsinnig dankbar, dass es so gekommen ist." Jessica von Bredow-Werndl am Tag nach ihrem Sieg

Von Bredow-Werndl über Werth: "Sie hat mich aufgefangen"

Die weltweit erfolgreichste Reiterin Isabell Werth hat ihren Anteil daran. Als es für Jessica von Bredow-Werndl und ihren Bruder Benjamin nach der Juniorenzeit sportlich nicht mehr voranging, half sie ihnen als Trainerin aus der Sackgasse.

"Sie hat mich in der härtesten Zeit meiner Karriere aufgefangen, als ich auch extreme Selbstzweifel hatte. Ich bin dir von Herzen dankbar, auch wenn du es nicht hören willst", sagte von Bredow-Werndl nach ihrem Triumph am Mittwoch (28.07.2021) - und schätzte ihre ehemalige Trainerin damit offensichtlich richtig ein. "Es ist viele Jahre her, dass sie und ihr Bruder regelmäßig mal zum Training kamen. Ich stecke mir jetzt nicht die Blumen des Olympiasieges an. Das wäre wirklich vermessen", erwiderte Werth. "Aber es freut mich, dass ihr ein paar Tipps offenbar auch geholfen haben, wie sie sagt."

Werth: "Es war einfach toller Sport"

Die 52 Jahre alte "Queen of Dressage", wie sie vom Weltverband FEI gerne bezeichnet wird, hatte ihrer ehemaligen Schülerin mit ihrer 17-jährigen Fuchsstute Bella Rose zuvor nichts geschenkt und bei der abschließenden Grußvorstellung sogar schon gedacht, "ich hab's, es hat geklappt".

Für Bundestrainerin Monica Theodorescu war das Kräftemessen zweier Dressur-Generationen im Equestrian Park von Tokio ein "grandioser Fight", in dem von Bredow-Werndl mit einer nahezu perfekten Kür letztlich die Nase vorn hatte. "Jessi war die Favoritin. Wir wollten versuchen, sie zu ärgern, und das ist uns gelungen", sagte Werth nach der Entscheidung und Silber: "Es war einfach toller Sport. Wir haben uns gegenseitig zu Höchstleistungen gepusht und zwei Medaillen für Deutschland gewonnen. Es ist ein sehr, sehr schöner Tag."

"Ich habe schon als kleines Mädchen zu ihr aufgesehen und mir immer gewünscht, dass ich es auch einmal dahin schaffe. Erst in der Mannschaft neben ihr auf dem Podium zu stehen und nun sogar ganz oben, ist abgefahren, verrückt." Jessica von Bredow-Werndl

Zur Belohnung gab es erst eine kalte Dusche, dann eine Party. "Wir wurden hinterhältig am Stall überrascht und mit Wassereimern und -schläuchen nass gespritzt, wie es sich gehört, wenn man Meister wird. Das ist bei uns Brauch", berichtete von Bredow-Werndl. "Dann wurde angestoßen und mit den Pferden gefeiert."

Die nächste Sternstunde in Paris?

Gold im Einzel und mit der Mannschaft - gleich bei ihrem Debüt ist von Bredow-Werndl auf dem Olymp angekommen. Mehr Erfolg geht nicht in der Dressur, man kann ihn nur wiederholen. So wie Isabell Werth, die im Laufe ihrer langen, glanzvollen Karriere sieben olympische Goldmedaillen gewonnen hat. Mit der achten würde sie mit Kanutin Birgit Fischer gleichziehen, der erfolgreichsten deutschen Olympionikin der Geschichte.

"Ich liebe das, was ich tue. Mich mit Pferden zu beschäftigen, Pferde auszubilden, wieder in den Spitzensport zu bringen, das ist meine Leidenschaft. Was auch zeitlos ist. Deshalb bin ich schon ein paar Tage dabei." Isabell Werth

Für ihre Stute war Tokio der letzte große Auftritt bei einem internationalen Championat. Doch Werth hat genug junge Pferde im Stall, um weiter zu reiten. "Mit Silber habe ich jetzt auch noch ein bisschen Motivation, die nächsten drei Jahre weiterzumachen", sagte sie in der Sportschau mit Blick auf den möglichen Rekord.

2024 finden in Paris die nächsten Olympischen Spiele statt. Es sieht so aus, als ob beide Ausnahmereiterinnen in der französischen Metropole wieder dabei sein werden. Es könnte ein weiterer Festtag werden für die deutsche Dressur.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 29.07.2021 | 08:00 Uhr

Stand: 29.07.21 07:55 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 39 41 33
2. Flagge Volksrepublik China CHN 38 32 18
3. Flagge Japan JPN 27 14 17
4. Flagge Großbritannien GBR 22 21 22
5. Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC 20 28 23
6. Flagge Australien AUS 17 7 22
7. Flagge Niederlande NED 10 12 14
8. Flagge Frankreich FRA 10 12 11
9. Flagge Deutschland GER 10 11 16
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