Eine Fahne mit den Olympischen Ringen, dahinter die hoch stehende Sonne © picture alliance/dpa/Sputnik | Alexey Filippov Foto: Alexey Filippov

Die Busemann-Kolumne

Frank Busemann in Tokio: Die Hitze, das leidige Thema

Bei den Olympischen Spielen in Tokio kämpfen die Athletinnen und Athleten nicht nur mit den Gegnern und sich selbst, sondern auch mit den Bedingungen. Obwohl diese für alle gleich sind, haben einige damit größere Probleme. Die Organisatoren tun ihr Bestmögliches, um Abhilfe zu schaffen.

Es ist ein leidiges Thema. Hitze hier, Hitze da. Immerzu wird über das Wetter geredet. Eigentlich machen das nur alte Menschen und Leute, die gerade nicht wissen, was sie erzählen sollen. Wetter geht immer. Aber im Sport ist das schon gravierender.

Zwar geht es hier nicht darum, ob wir zur Wanderung besser den leichten Windbreaker oder doch den Parka mitnehmen, aber trotzdem schaut der gewiefte Athlet in den Wetterbericht. Scheint die Sonne, hat er Lust, gibt es Regen, eher weniger. Judoka und andere Hallensportler sehen das emotionsloser.

Hier in Tokio bei den Olympischen Spielen beschäftigen wir uns täglich damit. Weil es uns selbst aus den Socken haut. Die Brühe läuft durch die Unterhose an den Beinen herab in die Schuhe und wird abends dann gesammelt im Waschbecken entsorgt. Der Sportler hat das gleiche Problem, muss dabei aber Sport machen, wie die Bezeichnung dieser Spezies schon sagt.

Organisatoren drehen an kleinen Stellschrauben

Bei der WM 2019 in Doha wurde gesagt, dass es in Tokio ähnlich heiß wird wie in der Wüste. Es war nicht gelogen. In Katar wurde das Stadion runtergekühlt, aber hier geht das nicht. Gleich zu Beginn kippte schon eine russische Schützin mit Hitzschlag um. Die Pausen im Hockey wurden marginal verlängert, das Meer wurde für den Triathlon mit großen Turbinen umgewälzt, um die Wassertemperatur zu senken. Kleine Stellschrauben werden gedreht, aber das große Rad ist schwerfällig und träge.

Es geht hier nicht nur um den Kampf gegen Zeiten und Gegner, sondern auch um die Bedingungen. Natürlich sind alle Athleten vorbereitet, sie wissen in der Theorie, wie es hier wird. Viele versuchten, genau das in ihr Training zu integrieren. Hitzeresilienz. Aber keiner hat ein Laufband in der Sauna stehen und schwimmt 10 Kilometer in der Badewanne. Menschen bleiben Menschen und die evolutionäre Anpassung an überbordende Hitzewellen dauert zehn Generationen und mehr.

Gleiche Bedingungen für alle

Jetzt bleibt die Frage, in wessen Verantwortung die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler liegt. Jedem Athleten steht es frei, hier zu starten oder nicht. Aber kein Athlet wird jemals sagen, dass es ihm zu heiß oder zu kalt ist und deshalb nicht das Abenteuer Olympia anpacken. Das widerspricht der DNA von Topathleten. Bedingungen sind da und für alle gleich. Und ganz nebenbei, hier leben eine Menge Menschen, die schaffen das. Sie müssen zwar keinen Sport machen, wenn sie nicht wollen, aber wir haben uns nicht in einer abgelegenen Oase in der Sahara getroffen.

Zudem muss immer geschaut werden: Wer ist überhaupt in der Lage und willens, diese Art von Großereignissen auszurichten? Das Klima ist mittlerweile in aller Munde, und wir sind uns alle einig, dass derartige Temperaturen nicht gut und menschengemacht sind. Aber wenn wir in kühlere Gefilde gehen, dann kann es auch regnen und kalt sein. Und das ist dann auch doof, weil es Gift für die Muskulatur ist.

Auf die Befindlichkeiten der Athleten hören

Wir können es drehen, wie wir wollen, wir müssen das Phrasenschwein füttern und die Bedingungen als solche akzeptieren. Einen Marathon bei 35 Grad laufen, sollte tunlichst vermieden werden. Wurde hier versucht. Dass es jetzt in Sapporo ähnlich heiß wie in Tokio ist, ist einfach Pech. Optimale Bedingungen finden in einer Range von gerade einmal zehn Grad statt. Für Schnellkraftsportler. Ausdauerathleten haben auch zehn Grad Spielraum, aber auf niedrigerem Temperaturniveau.

"Die Beachvolleyballer werden hier rausgekarrt, weil der große Geldgeber aus Übersee, NBC, die Prime Time gekauft hat. Das nimmt einen Zug an, der mir extrem übel aufstößt und mich sauer macht." Beachvolleyball-Olympiasieger und ARD-Experte Julius Brink

Die Rahmenbedingungen drumherum müssen verbessert werden. Schatten, Ventilatoren mit Sprühnebel, Kühlwesten, optimierte Zeitpläne, frei von Befindlichkeiten der Medien. Hier ist einer der wenigen Punkte, an denen gedreht werden kann. Ein Finale muss nicht zur besten Sendezeit im Amerika stattfinden, sondern dann, wenn es für alle Athleten am besten ist. Aber ich war schon immer ein naiver Träumer …

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 06.08.2021 | 01:05 Uhr

Stand: 05.08.21 10:31 Uhr