Demonstranten protestieren gegen die Militärjunta in Myanmar. © imago images/NurPhoto

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Myanmars Olympioniken zwischen Boykott, Kritik und Gefahr

Bei den Olympischen Spielen dabei zu sein und sein Land zu vertreten, ist der Traum vieler Sportlerinnen und Sportler. Schwimmer Win Htet Oo hat ihn aus Protest gegen die Gewalt in Myanmar begraben. Anders als seine Landsfrau Thet Htar Thuzar. In ihrer Heimat erntet sie dafür viel Kritik.

20 Jahre hat Freistilschwimmer Win Htet Oo auf Olympia hingearbeitet. Doch er boykottiert die Spiele. "Ich habe beschlossen, nicht an den Olympischen Spielen in Tokio teilzunehmen, weil ich glaube, dass das Olympische Komitee von Myanmar eine Marionette des Militär-Regimes ist, das des Völkermordes schuldig ist", sagte der 26-Jährige, der zu den besten Schwimmern des Landes zählt. Er werde bei der Eröffnungszeremonie nicht "unter einer Flagge einlaufen, die durchtränkt ist von dem Blut meiner Leute".

Offener Brief ans IOC

Anfang Februar hatte sich Myanmars Militär an die Macht geputscht und die von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi angeführte Nationale Liga für Demokratie, die bei den Wahlen im November eine erdrückende Mehrheit errungen hatte, abgesetzt. Seitdem herrscht Chaos im Land. Bei Demonstrationen wurden mehr als 900 Menschen getötet und Tausende verhaftet.

Der Vorsitzende des Olympischen Komitees von Myanmar wurde nach dem Putsch durch das Militär ausgetauscht. In einem Offenen Brief forderte daher Win Htet Oo das Internationale Olympische Komitee (IOC) auf, Myanmar von den Spielen auszuschließen. "Weil die Teams vom Militärregime als Propaganda genutzt werden, um ihre Herrschaft in Myanmar zu legitimieren."

Thet Htar Thuzar jubelt - und erntet Kritik

Die Badminton-Spielerin Thet Htar Thuzar nimmt als eine von insgesamt drei myanmarischen Sportlerinnen und Sportlern dennoch an den Spielen in Japan teil. Auf Facebook verkündete sie: "Der Traum, auf den ich seit Jahren warte, ist wahr geworden. Wir können für einen Moment lächeln in dieser schwierigen Zeit. Mein Erfolg ist auch der Erfolg aller Menschen in Myanmar."

Die Kommentatoren unter ihrem Post sehen das anders. "Repräsentiere uns nicht, das ist ekelhaft", "Du hast diesen schönen Traum. Der Rest des Volkes aber leistet Widerstand gegen das Militär in diesem Albtraum" oder auch "Wir sind nicht länger stolz auf Dich" ist dort zu lesen. Es sei eine Schande, dass sie nicht demonstriere, sondern die Militärherrschaft durch ihre Teilnahme unterstütze.

Taekwondo-Kämpferin auf offener Straße erschossen

Dabei hatte sich die bis dato in dem südostasiatischen Staat außerordentlich beliebte Badminton-Spielerin von Anfang an mit der Bewegung solidarisiert, noch im April die Militärjunta öffentlich kritisiert und an Demonstrationen teilgenommen. Dort, auf offener Straße, wurde im März die 19 Jahre alte Taekwondo-Kämpferin Ma Kyal erschossen.

Der Sarg von Ma Kyal Sin wird durch die Straßen von Mandalay (Myanmar) gefahren. Tausende zollen Respekt. © imago images/ZUMA Wire

Der Sarg von Ma Kyal Sin wird durch die Straßen von Mandalay in Myanmar gefahren. Tausende zollen Respekt.

Sie trug an diesem Tag ein schwarzes T-Shirt mit dem Schriftzug "Alles wird gut". Sie wurde zur Märtyrerin, zum Symbol für die Demokratiebewegung. "Ihr Leben, das voll von Opferbereitschaft war, verkörpert auf perfekte Weise die Werte, die wir uns von unseren Sportsleuten erhoffen", schrieb Win Htet Oo in einem Brief an die Öffentlichkeit seines Landes, in dem er auch seinen Olympia-Boykott erklärte.

Ein kaum machbarer Spagat

Für die Sportler gibt es keinen Mittelweg, ist es ein kaum machbarer Spagat. Wer sich gegen die Militärjunta stellt, begibt sich in Gefahr. Wer sich nicht äußert, wird von der Bevölkerung geächtet.

Auch der Fußball wurde bereits zur politischen Plattform und U23-Nationalspieler Hein Htet Aung vom malaysischen Club Selangor FC, der beim Torjubel den Gruß der myanmarischen Demokratiebewegung zeigte, zurechtgewiesen. Sein Facebook-Profil wurde eine Woche lang gesperrt. "Fußball muss über Rasse, Religion und Politik stehen", erklärte der Verbandspräsident Baljit Singh Sidhu.

Auch die olympische Bewegung hat zuletzt bekräftigt, dass Athletinnen und Athleten auf politische Statements verzichten mögen. Der Sport könne aber - wie im Fall von Myanmar - nicht im Grundsatz unpolitisch sein, meint Schwimmer Win Htet Oo. Für ihn ist es allerdings leichter, Kritik zu äußern: Er lebt in Australien und hat deshalb weniger zu befürchten als die Sportler in Myanmar.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 22.07.2021 | 09:05 Uhr

Stand: 18.07.21 14:34 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 39 41 33
2. Flagge Volksrepublik China CHN 38 32 18
3. Flagge Japan JPN 27 14 17
4. Flagge Großbritannien GBR 22 21 22
5. Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC 20 28 23
6. Flagge Australien AUS 17 7 22
7. Flagge Niederlande NED 10 12 14
8. Flagge Frankreich FRA 10 12 11
9. Flagge Deutschland GER 10 11 16
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