Eine deutsche Spielerin läuft vor Spielbeginn in Tokio durch den Sprühregen der Platzbewässerung. © dpa picture alliance Foto: Michael Kappeler

Tokio

Wetter extrem in Tokio - Bei Olympia braut sich was zusammen

von Bettina Lenner

Es braut sich etwas zusammen in Tokio. Die Olympia-Teilnehmer haben erste Erfahrungen mit den schwierigen klimatischen Bedingungen in der Olympiastadt gemacht. Und nun droht auch noch ein Sturm.

Wer in Tokio aus den üblicherweise klimatisierten Räumen nach draußen tritt, läuft wie gegen eine Wand. Auch bei den Athletinnen und Athleten zeigt das schwüle Wetter bereits Wirkung. Die deutsche Ruderin Leonie Menzel brach nach ihrem Vorlauf am Freitag (23.07.2021) bei 32 Grad Celsius erschöpft im Boot zusammen, eine russische Bogenschützin erlitt einen Hitzeschlag. "Es war ein sehr hartes Rennen - und dann kommt die Hitze noch oben drauf", sagte Ruder-Bundestrainer Thomas Affeldt: "Wir haben sie relativ schnell runtergekühlt, der Kreislauf war immer stabil. Die Sportlerinnen gehen hier an ihre Grenzen, und sie war auf jeden Fall da."

Im Hafen von Tokio sind die Ruderinnen und Ruderer der Sonneneinstrahlung auf der spiegelnden Wasseroberfläche besonders ausgesetzt. Menzel ging es mit etwas Abstand aber wieder besser, sie saß sogar mit einer Kühlweste schon wieder auf einem Ergometer.

Auch Ruderer Zeidler schlaucht die extreme Hitze

Der deutsche Ruderer Oliver Zeidler gewinnt seinen Vorlauf im Einer. © IMAGO / Sven Simon

Ruder-Medaillenanwärter Oliver Zeidler hat sich auf die Hitze in Japan gut vorbereitet.

Die Hitze stellt in den kommenden Tagen dabei nicht die einzige Herausforderung für die Sportlerinnen und Sportler dar, es kommt auch noch starker Wind hinzu. Meteorologen warnen sogar vor einem Taifun. Der Wirbelsturm tobt aktuell noch über dem Pazifik und soll voraussichtlich am Dienstag (27.07.2021) in der Region Kanto mit der Hauptstadt Tokio auf Land treffen.

Die eigentlich für Montag (26.07.2021) geplanten Ruderrennen wurden aufgrund ungünstiger Vorhersagen ausnahmslos vorverlegt, der Deutschland-Achter etwa ist statt am Sonntag bereits am Samstag (24.07.2021) im Einsatz, das Einer-Viertelfinale von Weltmeister Oliver Zeidler findet nun schon am Sonntag statt.

Der Hoffnungsträger hatte sich besonders auf die äußeren Bedingungen in Tokio vorbereitet: Im Keller seines Elternhauses im bayerischen Schwaig simulierte der deutsche Medaillenkandidat in einer selbst gebastelten Hitzekammer die Temperaturen in Asien auf dem Fahrrad. Seinen Vorlauf am Freitag überstand Zeidler ohne Probleme, aber auch er merkt "nach 40 Minuten draußen, dass die Beine ein bisschen labbrig werden und es schon schlaucht", berichtete Zeidler und ergänzte: "Das Schlimmste hier ist diese Sonneneinstrahlung." Schon morgens um Neun steht die Sonne fast senkrecht am Himmel.

Entwarnung nach Hitzeschlag bei Bogenschützin Gombojewa

Diese wurde auch der Bogenschützin Swetlana Gombojewa zum Verhängnis. Die Russin erlitt am Freitagmorgen in der Qualifikation einen Hitzeschlag und wurde - begleitet von Ärzten - zurück ins Olympische Dorf gebracht. Die Mediziner gaben dann aber Entwarnung für die 23-Jährige. "Sveta ist bei uns und fühlt sich wohl", teilte das russische NOK auf Twitter mit. Rechtzeitig zu den Teamwettbewerben ab Samstag soll die Schützin wieder fit sein.

Die russische Bogenschützin Swetlana Gombojewa liegt nach einem Hitzeschlag auf dem Boden und wird betreut. © IMAGO / Agencia EFE

Die russische Bogenschützin Swetlana Gombojewa erlitt in Tokio einen Hitzeschlag.

Viele Sportarten rüsten sich für die extremen Bedingungen. So haben die Organisatoren in der Bucht von Tokio, wo am Sonntag die Triathlon-Wettbewerbe beginnen, drei riesige Generatoren installiert, die das kältere Wasser aus der Tiefe nach oben wirbeln sollen.

Die Temperaturen wurden dadurch schon von knapp 30 Grad auf 28 Grad gesenkt - was allerdings immer noch zu warm ist. Das zu warme Wasser heizt die Körpertemperatur auf, vor allem den Kopf und erschwert dadurch das Atmen.

"Es ist herrlich, abends zu reiten"

Die deutschen Reiter gehen der Hitze aus dem Weg. Die Pferde würden zwischen 11 und 15 Uhr in die klimatisierten Stallzelte gestellt, trainiert wird dann wieder ab 17 Uhr, teilte die Deutsche Reiterliche Vereinigung auf ARD-Anfrage mit.

Im Training sind Thermokameras im Einsatz, die von Spezialisten des Weltverbandes FEI beobachtet werden. Übersteigt die Körpertemperatur der Tiere 40 Grad Celsius, wird das Training unterbrochen. Die Reit-Wettbewerbe im Baji Koen Equestrian Park, die am Samstag mit dem Grand Prix in der Dressur beginnen, finden zur Erleichterung für die Pferde am Abend statt. "Es ist herrlich, abends zu reiten", sagte Team-Veterinär Marc Koene: "Was Überhitzung angeht, sehe ich für uns keine Gefahr."

Zehnminütige Pausen im Tennis sind möglich

Olympia-Teilnehmer Alexander Zverev beim Training in Tokio © picture alliance/dpa Foto: Marijan Murat

Alexander Zverev trainiert in Tokio mittags, um sich an die Hitze zu gewöhnen.

Die deutsche Tennishoffnung Alexander Zverev trainiert dagegen bewusst in der Mittagshitze. "Ich muss mich an diese Hitze gewöhnen für die nächsten Tage", sagte die deutsche Nummer eins. Bei dem am Samstag beginnenden olympischen Tennisturnier wird ab 10 Uhr jede halbe Stunde die Lufttemperatur gemessen. Übersteigt sie 30,1 Grad Celsius, ist in den Einzeln nach dem zweiten Satz eine zehnminütige Pause vorgesehen, wenn einer der beiden Spieler sie wünscht.

Bei ganz extremen Temperaturen könnten Matches sogar verschoben werden. Ausnahme ist der Centre Court, auf dem das Dach geschlossen und der klimatisiert werden kann. Die Hitze sei anders als zum Beispiel in Australien, meinte Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann. Dort sei es zwar auch heiß, "aber in Tokio ist die Luftfeuchtigkeit noch einmal anders".

Hohe Luftfeuchtigkeit sorgt für Probleme

Die Luftfeuchtigkeit mache den Unterschied. "Zum Teil wird sie um 90 Prozent liegen, was zu einer Herausforderung für die Ausdauerdisziplinen wird", hatte der deutsche Olympia-Arzt Bernd Wolfarth gewarnt. Die Ausdauer-Wettkämpfe Marathon und Gehen finden daher nach den Erfahrungen bei der Leichtathletik-WM in Doha 800 Kilometer weiter nördlich im kühleren Sapporo statt.

Bogenschützin Lisa Unruh, die Olympia-Zweite von Rio 2016, findet "dieses Feuchte sehr schwierig, weil die Hände rutschen". Ein Problem, mit dem nach Einschätzung von ARD-Experte Julius Brink auch die Beachvolleyballer zu kämpfen haben werden. "In Rio war es auch auch heiß, aber hier kommt die Luftfeuchtigkeit dazu. Die Kleidung wird nass. Aber du musst deine Hände trocken bekommen, die man normalerweise daran abwischt. Wenn die Hände nass sind, rutscht der Ball leicht durch", so der Olympiasieger 2012.

Hinzu kommt, dass sich der Sand ganz besonders aufheizt. "Ich denk' lieber nicht darüber nach, sonst brennt wieder nur alles", sagte Olympiasiegerin und Fahnenträgerin Laura Ludwig nach ihrem Auftaktmatch am Samstag (24.7.2021).

Surfer freuen sich auf höhere Wellen

Mit Humor und sogar Vorfreude registrieren die Surfer das extreme Wetter. Als die Helfer am Tsurigasaki Beach Eisblöcke auf die überhitzten Holzstege kippen, damit sich die Wellenreiter auf dem Weg zum Strand nicht die Füße verbrennen, läuft Leon Glatzers Trainer Martin Walz nicht über das Schmelzwasser, sondern direkt auf dem Eis - und pappt daran fest.

Und auch der nahende Taifun schockt die Olympia-Debütanten nicht - ganz im Gegenteil: "Das wird super, wir freuen uns alle darauf," sagt Glatzer. "Im Moment sind die Wellen noch klein, wir Surfer sind ein bisschen unglücklich darüber." Gut möglich, dass sich das schon bald ändert.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 25.07.2021 | 01:05 Uhr

Stand: 24.07.21 13:11 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 39 41 33
2. Flagge Volksrepublik China CHN 38 32 18
3. Flagge Japan JPN 27 14 17
4. Flagge Großbritannien GBR 22 21 22
5. Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC 20 28 23
6. Flagge Australien AUS 17 7 22
7. Flagge Niederlande NED 10 12 14
8. Flagge Frankreich FRA 10 12 11
9. Flagge Deutschland GER 10 11 16
Stand nach 339 von 339 Entscheidungen.

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