Prothesen eines Athleten liegen auf dem Boden während der Schwimmwettkämpfe bei den Paralympischen Spielen in Tokio 2020. © IMAGO / SNA Foto:  Ilya Pitalev

Investitionen

Aufrüsten im Para-Sport: Der Weg an die Spitze wird schwieriger

Para-Sport ist inzwischen absoluter Hochleistungssport. Das hat man auch in Deutschland erkannt. Trotzdem gibt es noch viel zu tun, damit international nicht der Anschluss verloren wird.

Seit mehr als zehn Jahren ist Friedhelm Julius Beucher schon Präsident des Deutschen Behindertensportverbands (DBS). Er hat die jüngsten Entwicklungen im Para-Sport also genau verfolgt - und grundsätzlich erst einmal gute Nachrichten: "Wir haben kontinuierlich erhöhte Förderungen bekommen", sagt Beucher. "Das ist ein gewichtiger Schritt in der Geschichte des Para-Leistungssports."

Die paralympischen Top-Athleten sind in der Förderung inzwischen olympischen Top-Athleten gleichgestellt. Sie bekommen 800 Euro pro Monat vom Bund. Auch die Prämie, die die Stiftung Deutsche Sporthilfe für eine Medaille zahlt, ist dieselbe: 20.000 Euro gibt es für Gold, 15.000 für Silber und 10.000 für Bronze. Doch während die Olympia-Athleten auch für Rang vier bis acht mit 5.000 bis 1.500 Euro belohnt werden, gehen die paralympischen Sportler leer aus.

"Weltweites Aufrüsten"

Immer mehr Länder stecken immer mehr Geld in den Para-Sport. Die Professionalisierung ist allerorten sichtbar. "Am Anfang waren wir froh, wenn bei Weltmeisterschaften ein Physio dabei war. An einen Arzt war nicht zu denken", erzählt etwa Prothesensprinter David Behre, der 2009 begann. "Heute haben wir einen Biomechaniker dabei." DBS-Präsident Beucher spricht von einem "weltweiten Aufrüsten".

Das ist einerseits gut, weil die Leistungen der Athleten nun auch mehr gewürdigt werden. Andererseits ist es eben mitnichten so, dass alle deutschen Sportler gleichermaßen profitieren. Das meiste Geld und die Sponsoren kommen zu denen, die schon Erfolg haben. Schwer haben es die, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen.

Para-Sport ist teuer

Para-Sport kann sehr teuer werden. Gerade in den Sportarten, die materialintensiv sind. Ein Sportrollstuhl kostet mehrere Tausend Euro. Bein-Prothesen für Läufer um die 10.000 Euro, erzählt Heinrich Popow, ehemaliger Leichtathlet und mehrfacher Paralympics-Sieger. Und: Das Material nutzt je nach Gebrauch schnell ab und muss ersetzt werden. Da braucht es finanzielle Unterstützung der Sporthilfe, reiche Eltern oder eigene Sponsoren.

Das Geld kommt aber meist zu denen, die schon Erfolge vorweisen können. Josia Topf gilt zwar als große Nachwuchshoffnung im deutschen Para-Schwimmen, Medaillen kann er aber noch nicht vorweisen. "Ich komme vielleicht fast immer ins Finale oder habe zumindest gute Chancen", sagt der 18-Jährige. "Mit Sponsorenverträgen ist es da schwierig." Ob sich daran nach seinen Auftritten in Tokio etwas ändert? In Japan wurde er bei den körperbehinderten Schwimmern Siebter über 50 Meter Rücken und Sechster über 150 Meter Lagen.

Einen "Riesenschritt" weitergekommen?

Trotz aller Probleme und Schwierigkeiten will DBS-Präsident Beucher die positiven Fortschritte in der deutschen Entwicklung nicht unerwähnt lassen: "Es ist nicht mehr so, dass jemand von 8 bis 16 Uhr arbeiten muss und dann zum Training geht und sich auf die Wettkämpfe vorbereitet. Wir sind da einen Riesenschritt weitergekommen."

Trotzdem müsse nach den Spielen in Japan natürlich Bilanz gezogen werden. "Mit den Sponsoren, mit dem Bundestag, mit der Sporthilfe", sagt Beucher. Um zu sehen, "ob es ausreichend ist".

Keine gute Halbzeitbilanz

Die Zwischenbilanz scheint zumindest ausbaufähig: Aus 330 von 539 Wettbewerben hat Deutschland 25 Medaillen geholt: nur fünf davon sind Gold. Im Medaillenspiegel reicht das nur für Platz 14. Zum Vergleich: In Rio holte das deutsche Team aus 528 Wettkämpfen 57 Medaillen, darunter 18 goldene - Platz sechs im Medaillenspiegel.

Inzwischen haben andere Länder wie Frankreich, die Niederlande oder Aserbaidschan aber mächtig aufgeholt. Auch Beucher stellt in Tokio Leistungsexplosionen anderer Nationen fest. Wenn Investitionen ausbleiben, muss der deutsche Behindertensport wohl um seine Konkurrenzfähigkeit bangen.

35:40 min | 30.08.2021 | Das Erste | Autor/in: Hopp, Catharina

Wer ist der schnellste Mann auf Prothesen?

Die Paralympics in Tokio haben Halbzeit. Aber es gab keine Pause, sondern einen großen Tag der Leichtathletik. Thema außerdem: die Finanzen im Para-Sport.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Paralympics Tokio 2020 | 31.08.2021 | 14:00 Uhr

Stand: 31.08.21 14:20 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge Volksrepublik China CHN 96 60 51
2. Flagge Großbritannien GBR 41 38 45
3. Flagge USA USA 37 36 31
4. Flagge Russisches Paralympisches Komitee RPC 36 33 49
5. Flagge Niederlande NED 25 17 17
6. Flagge Ukraine UKR 24 47 27
7. Flagge Brasilien BRA 22 20 30
8. Flagge Australien AUS 21 29 30
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12. Flagge Deutschland GER 13 12 18
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