Leichtathletik
Dietz: "Aufhören hieße, mich anderen zu beugen"
Nach einem Verkehrsunfall sagten die Ärzte Sebastian Dietz voraus, für immer ein Pflegefall zu bleiben. Doch er wurde Sportler - und lässt sich natürlich auch vom IPC nicht bremsen.
Dietz ist als Paralympics-Sieger von London nach Rio gereist. Doch der 31-Jährige hat diesmal nicht seinen Diskus im Gepäck, sondern die Kugel. Sein Wettkampf in der Klasse F36 wurde vom IPC ohne offizielle Nennung von Gründen gestrichen. Dietz, der nach einem schweren Verkehrsunfall im Jahr 2004 Bewegungseinschränkungen hat, sattelte um - und holte im vergangenen Jahr bereits den WM-Titel. Nun greift er auch am Zuckerhut nach Gold.
Sebastian Dietz, Sie sind mit dem deutschen Team bereits am 1. September angereist. Am Freitag steht nun endlich Ihr erster Wettkampf an. Was haben Sie so lange gemacht?
Dietz: Die Situation ist wirklich schwierig und ich muss sagen, dass ich sie mir nicht so krass vorgestellt habe. Teilweise ist es einfach langweilig. Aber ich habe zusammen mit meinem Trainer Alexander Holstein gut gearbeitet. Und ab und an sehe ich meine Freundin und unsere Familien.
Sie haben zu Ihrem Wettkampf Straßenkinder eingeladen, wie kam es dazu?
Sebastian Dietz bejubelt seine Goldmedaille mit den von ihm ins Stadion eingeladenen Straßenkindern.
Dietz: Auf dem Weg zum Stadion ist mir aufgefallen, dass es vielen Menschen hier nicht gut geht. Ich habe mir gedacht, dass viele es sich nicht leisten können, vor allem die Kinder und Jugendlichen nicht. Deswegen möchte ich ein paar Jugendlichen die Möglichkeit bieten, im Stadion die Momente mitzunehmen und ihnen hoffentlich ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, sodass sie einen schönen Moment haben.
Sie hatten aber auch viel Zeit für Paralympics-Tourismus. Wie viele andere Wettkämpfe haben Sie verfolgt?
Dietz: Ich bin mit meinem Trainer beim Wettkampf von Niko Kappel gewesen. Wir trainieren ja zusammen. Und auch beim 100-Meter-Finale bin ich gewesen. Aber ich habe gemerkt, dass mich das lange Stehen und Anfeuern physisch und mental doch sehr anstrengt. Deshalb verfolge ich die Wettkämpfe nur noch vom Fernseher aus.
Das hätte Ihnen insgesamt blühen können. Ihre Disziplin, das Diskuswerfen der Klasse F36, wurde nach der WM 2013, bei der Sie nach ihrem Paralympics-Sieg mit dem Weltrekord noch einen draufgelegt hatten, einfach gestrichen.
Sebastian Dietz (l.) und sein Zimmerkollege Mathias Mester (M.) jubeln beim Sieg von Niko Kappel gemeinsam.
Dietz: Das war schon ein richtiger Schlag in die Magengrube. Es tat sehr weh, dass mir mein Sport genommen wurde.
Sie haben schon früher sozusagen nebenbei Kugel gestoßen. Trotzdem fiel Ihnen der Wechsel nicht leicht.
Dietz: Ich bin wirklich in ein mentales Loch gefallen. Ich habe ans Aufhören gedacht, aber das hätte im Endeffekt bedeutet, mich dem zu beugen, was andere mir vorschreiben. Das habe ich nach meinem Unfall nicht gemacht und jetzt auch nicht.
Den Diskus haben Sie aus dem Stand geworfen, für das Kugelstoßen haben sie sich nun die Drehbewegung beigebracht.
Dietz: Das ist richtig - und ich kann Ihnen sagen, dass die vergangenen drei Trainingsjahre die härtesten waren, seit ich Leichtathlet bin. Ich habe auf das hier hingearbeitet und dafür haben wir an vielem geschliffen und gefeilt. Mit all dem will ich Menschen Mut machen. Wenn man nur alles gibt, kann man es schaffen, dann kann man auch Neues erschaffen.
Einen großen Schritt dahin haben Sie im vergangenen Jahr mit dem Gewinn des WM-Titels gemacht. Aber Sie sagten, dass Sie auf die Paralympics hingearbeitet hätten. Und jetzt gibt's die zweite Goldmedaille bei den Spielen?
Dietz: Ich habe sehr viel gearbeitet und die Goldmedaille wäre auf jeden Fall die Krönung meines Weges. Aber die Konkurrenz ist brutal, die will mich zu Fall bringen. Ich muss mit Respekt in den Wettkampf gehen, um am Ende der Stärkste zu sein. Außerdem haben in den vergangenen Jahren einige Menschen in meinem nahen Umfeld unter meinen Launen leiden müssen. Auch für sie will ich diesen Kampf unbedingt gewinnen.
Das Interview führte Florian Neuhauss, sportschau.de
Stand: 15.09.16 21:27 Uhr
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Medaillenspiegel
Platz | Land | G | S | B |
---|---|---|---|---|
1. | CHN | 107 | 81 | 51 |
2. | GBR | 64 | 39 | 44 |
3. | UKR | 41 | 37 | 39 |
4. | USA | 40 | 44 | 31 |
5. | AUS | 22 | 30 | 29 |
6. | GER | 18 | 25 | 14 |
7. | NED | 17 | 19 | 26 |
8. | BRA | 14 | 29 | 29 |
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