Die spanische Para-Triathletin Rakel Mateo in Aktion © IMAGO / AFLOSPORT

Hinter den Kulissen

Kuriose und bewegende Momente aus der Paralympics-Werkstatt

Heinrich Popow ist ARD-Experte und arbeitet während der Spiele auch in der Paralympics-Werkstatt. Für sportschau.de berichtet er über die ganz besonderen Momente abseits der Wettkämpfe.

Ein hoffnungsloser Fall? Von wegen!

Bei uns in der Werkstatt war eine Marokkanerin. Sie spielt Rollstuhltennis. Eins ihrer Beine ist amputiert, und sie hat einen sehr kurzen Stumpf. In ihrer Heimat ist ihr gesagt worden, dass sie nicht versorgbar sei. Mit dem Gedanken zu gehen, müsste sie sich gar nicht beschäftigen. Einer unserer Techniker hatte aber schon mal einen ähnlichen Fall - und hat ihr eine Prothese angepasst. Sie ist mittlerweile abgereist - und konnte wieder gehen.

Hilfe nach langer Zeit

Bei der Geschichte von Rakel Mateo bekomme ich immer wieder Gänsehaut. Sie hatte eine Lähmung im linken Bein. Trotzdem hat sie Triathlons absolviert. Beim Laufen mit einer Orthese und auf zwei Krücken gestützt. Die Bilder, wie sie 2016 auf den Krücken ins Ziel gekommen ist, habe ich noch genau vor Augen. Anfang dieses Jahres hat sie sich das Bein amputieren lassen, weil es ohne Funktion war.

Eigentlich war es noch viel zu früh, um jetzt wieder Sport zu machen. Aber sie hat mit einer Prothese und Krücken in Tokio wieder den Triathlon absolviert und ist sogar Sechste geworden. Danach ist sie zu uns gekommen, um sich über Sport-Prothesen zu informieren.

Wir haben ihr dann ein Kniegelenk an ihrer Prothese befestigt und ihr das Gelenk zehn Minuten lang genau erklärt. Als sie es ausprobiert und ich ihr gesagt hatte, dass das jetzt ihr Bein ist, konnte sie es gar nicht fassen. Alle, die ihre Freude gesehen haben, haben gleich mit Rotz und Wasser geheult. Schon bald kann sie die Krücken zur Seite legen - und ich hoffe, dass ich sie dann 2024 in Paris laufen sehe.

Der 3D-Drucker

Ein Bogenschütze hat sich aufgrund seiner Behinderung beim Schießen immer wieder den Finger verletzt. Beim Abzug hat er sich oft Abschürfungen zugezogen. In diesem Jahr haben wir das erste Mal einen 3D-Drucker im Einsatz. Wir haben seinen Finger gescannt und dann ein Hilfsmittel gedruckt, das den Finger versteift und gleichzeitig schützt. Am nächsten Tag konnte er die kleine Manschette schon abholen. Das zeigt eindrucksvoll, was mit moderner Technik alles möglich ist.

Die Fahnenträger ohne Hände

Der afghanische Para-Schwimmer Abbas Karimi (r.) führt das Refugee Paralympic Team als Fahnenträger an, wobei die Fahne an einem speziellen Rucksack befestigt ist. © IMAGO / Bildbyran

Der afghanische Para-Schwimmer Abbas Karimi (r.) mit Rucksack und Fahne.

Das Flüchtlingsteam hatte in diesem Jahr einen Fahnenträger ohne Hände. Das gab es bei Paralympics schon mal, da wurde die Fahne von anderen für die Betroffenen getragen. Abbas Karimi konnte nun die Fahne selbst tragen - dank eines Rucksacks aus unserer Werkstatt. Die Flüchtlinge sind bei der Eröffnungsfeier als erste Mannschaft ins Stadion gegangen.

Als der Peruaner, der auch keine Hände hat und die Fahne seines Landes tragen sollte, das gesehen hat, haben wir gehört, dass er sich auch so einen Rucksack gewünscht hat. Peru war erst mehr als 100 Positionen später dran. Also hat ein Techniker, als die Flüchtlinge durch waren, den Rucksack geschnappt, ist einmal ums Stadion gelaufen und hat den Rucksack rechtzeitig an den Peruaner übergeben.

Alte Bekannte

Es gibt einen Athleten aus Kasachstan, der sich bei jeden Paralympics eine neue Prothese bei uns abholt. Er sitzt in seiner Sportart, im Alltag nutzt er aber eine Prothese. Und die ist alle vier Jahre wirklich kaputt, weil er sie so intensiv nutzt. Das sind emotionale Momente, wenn er zu uns kommt - aber auch bei anderen Männern und Frauen ist das so. Die schauen gleich am ersten Tag nach ihrer Ankunft vorbei. Wenn sie neue Hilfsmittel bekommen und durch die bessere Qualität mehr in Bewegung sind, verändern sich die Gliedmaßen, Muskeln werden aufgebaut. Und eigentlich müssten sie viel schneller neue Prothesen haben, weil die alten nicht mehr passen. Es ist ein viel zu kleiner Teil der Menschen mit Behinderung, denen da regelmäßig geholfen wird.

Aufgezeichnet von Florian Neuhauss

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Paralympics Tokio 2020 | 04.09.2021 | 09:00 Uhr

Stand: 02.09.21 15:33 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge Volksrepublik China CHN 96 60 51
2. Flagge Großbritannien GBR 41 38 45
3. Flagge USA USA 37 36 31
4. Flagge Russisches Paralympisches Komitee RPC 36 33 49
5. Flagge Niederlande NED 25 17 17
6. Flagge Ukraine UKR 24 47 27
7. Flagge Brasilien BRA 22 20 30
8. Flagge Australien AUS 21 29 30
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12. Flagge Deutschland GER 13 12 18
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