Die "tschechische Lokomotive" Emil Zatopek (r) gewinnt in Helsinki den 5.000-Meter-Lauf in 14:06,6 min. © ullstein bild - TopFoto

Emil Zatopek - Eine "Lokomotive" als Zugpferd

Schön läuft er nicht. Aber kraftvoll, willensstark und unvergleichlich erfolgreich. Mit dreimal Gold über die Langstrecken in Helsinki wird Emil Zatopek "unsterblich". Gilt Nurmi als Ästhet, so trifft auf den Tschechen aus dem nordmährischen Koprivnice das Gegenteil zu. Seine "Markenzeichen": hängende Zunge und wackelnder Kopf. Sein Lauf sieht aus, als wäre er schon zu Beginn am Ende. Deshalb nennt man ihn die "tschechische Lokomotive". Wenn die Dampf macht, sieht die Konkurrenz rot. Wie in Helsinki, wo Zatopek seinen Titel über 10.000 Meter erfolgreich verteidigt. Vielleicht fallen dem damals 30-Jährigen die zehn Kilometer am leichtesten. Jedenfalls hält er den Franzosen Alain Mimoun locker auf Distanz - genau 47,8 Sekunden Vorsprung hat er im Ziel.

Geschichte

Das war Olympia 1952

Unvergleichliche Willensstärke

Sehr viel spannender verläuft vier Tage später der 5.000-Meter-Lauf: Herbert Schade aus Solingen gilt nach seinem olympischen Rekord im Vorlauf als Mitfavorit, er läuft wie ein Uhrwerk und führt das Feld an. Eingangs der letzten Runde greift Zatopek Schade ein ums andere Mal an, sechsmal wechselt die Führung kurz hintereinander. Der Brite Chataway, der sich auf der Gegengeraden an die Spitze setzt und von Mimoun verfolgt wird, stürzt eingangs der Zielgeraden. Mimoun scheint auf der Siegerstraße zu sein, wäre nicht Zatopek über sich hinaus gewachsen und am Franzosen vorbei wie in Trance ins Ziel gestürmt. Schade bleibt "nur" die Bronzemedaille. Aber 70.000 im Olympiastadion ahnen, sie haben vielleicht eines der größten 5.000-m-Rennen aller Zeiten gesehen.

Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft

Am selben Tag gewinnt Zatopeks Frau Dana Gold im Speerwerfen. Für Emil nur ein Grund, noch mehr Gas zu geben. Als er von Danas Triumph erfährt, sagt er: "Es steht 2:1 für mich. Das ist zu knapp. Ich werde den Marathonlauf gewinnen müssen." Ein hehrer Vorsatz, ist die "Lokomotive" doch noch nie zuvor einen Marathon gelaufen! Aber: Zatopeks Willensstärke ist unschlagbar: Er gewinnt - mit mehr als zweieinhalb Minuten Vorsprung. "Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft", so hat das tschechische Kämpferherz einst seine Leidenschaft fürs Laufen beschrieben. "Zatopek siegt", so möchte man seine Definition vervollständigen, denn sechs Jahre lang - von Mai 1948 bis Juni 1954 - bleibt Zátopek über die 10.000 Meter unbesiegt; insgesamt 18 Weltrekorde gehen auf sein Konto.

Mit Leistenbruch Sechster in Melbourne

Als Zatopek 1956 in Melbourne an seinen dritten Spielen teilnimmt, ist er über seinen Zenit bereits hinaus. Er verzichtet auf einen Start über 5.000 und 10.000 Meter, um Kräfte zu schonen und sich ganz auf den Marathon zu konzentrieren. Sechs Wochen vor den Spielen zieht er sich einen Leistenbruch zu, geht aber dennoch an den Start. So reicht es diesmal "nur" zu einem sechsten Platz. Ein Jahr danach beendet der tschechische Volksheld seine aktive Karriere und fungiert als Sporterzieher bei den Streitkräften. Wegen seiner offenen Sympathie mit den Reformideen des Prager Frühlings wird Zatopek 1968 degradiert und erst neun Jahre später rehabilitiert. Angebote, als Trainer nach Skandinavien auszuwandern, lehnt er ab. Drei Jahre vor seinem Tod wird er in Tschechien zum "Athleten des Jahrhunderts" gewählt. Zatopek bleibt bis zu seinem Tod - in Folge eines Gehirnschlags - am 22. November 2000 ein Volksheld. In Prag, seinem letzten Wohnort, haben ihm seine Landsleute ein Denkmal gesetzt.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr