Das Archivbild aus dem Jahr 1975 zeigt den mehrfachen Weltmeister und Olympiasieger im Springreiten, Hans Günter Winkler, mit seinem legendären Pferd Halla. © picture-alliance / dpa

Halla - Winklers Goldstück

Am Tag der deutschen Einheit (17. Juni) stehen 1956 im Springreiten die Entscheidungen im Einzel- und Teamwettbewerb an. Die Deutschen - mit Fritz Thiedemann auf Meteor, Alfons Lütke-Westhues auf Ala und Weltmeister Hans Günter Winkler auf Halla - sind nach dem ersten Umlauf in Führung. "HGW" liegt zudem in der Einzelwertung vorn. Doch dafür hat er einen hohen Preis gezahlt: Am 13. und vorletzten Hindernis muss Winkler auf eine unvorhergesehene Bewegung von Halla reagieren und zieht sich beim Zusammendrücken der Knie im Sattel eine Verletzung zu, die sich später als Muskelriss in der Bauchdecke entpuppt. Sein Schmerzensschrei ist so laut, dass die Zuschauer im Stadion zusammenzucken. Fast führungslos stolpert Halla in die letzte Hürde, der Reiter kommt nicht mehr ohne fremde Hilfe aus dem Sattel. Ein erneuter Start scheint undenkbar. Die Ärzte versuchen trotzdem das Unmögliche: Tabletten, Spritzen und Zäpfchen (verabreicht von einem Tierarzt) sollen das Wunder herbeiführen. Nichts funktioniert. Bei den Probesprüngen vor dem zweiten Umlauf verliert Winkler, der zwei Stunden lang mit zusammengegurteten Beinen reglos im Sitzen zugebracht hat, vor Schmerzen fast das Bewusstsein.

Geschichte

Das waren die Olympischen Spiele 1956

Sensibilität auf vier Beinen

Die schwedischen Kampfrichter beweisen Fairness und ziehen den Aufbau für den schon zum Start aufgerufenen Deutschen immer weiter in die Länge. Winkler wird noch behandelt - erst mit Schmerzmitteln, die das Bewusstsein trüben, und dann mit starkem Kaffee, der ihm letztlich doch den Start ermöglicht. Heute wäre er als Gedopter nicht mehr startberechtigt, damals gab es diese Regularien noch nicht. So lässt er sich zum zweiten und entscheidenden Durchgang in den Sattel heben. Zumal es auch um die Mannschaftswertung geht.

"Halla lacht, als wüsste sie, um was es geht"

Mit "Wunderstute" Halla unterwegs zum Olympia-Gold: Deutschlands Springreit-Legende Hans Günter Winkler. © picture-alliance / dpa

Mit Schmerzen übers Hindernis: Hans Günter Winkler.

"HGW" macht sich auf den schweren Parcours und nimmt ein Hindernis nach dem anderen. Es scheint fast so, als seien die Rollen vertauscht: Der Reiter hängt fast bewegungslos im Sattel; Halla, "nur begleitet von meinen Schmerzensschreien über jeden Sprung" - wie Winkler später schildert - trägt ihn wie von einer unsichtbaren Hand gesteuert zum Sieg; und achtet gleichzeitig noch darauf, möglichst sanft zu landen und seinen Reiter nicht zu verlieren. Am Ende gewinnt die "Wunderstute" Halla - "eine Mischung aus Genie und irrer Ziege" (HGW) - Doppelgold: für Winkler - und für die deutsche Mannschaft. "Halla lacht, als wüsste sie, um was es geht", ruft der legendäre Reporter Hans-Heinrich Isenbart mit fast überkippender Stimme in sein Mikrofon.

Kein Turnierpferd darf mehr unter diesem Namen starten

Das "Wunderpferd" erhält Jahre später eine ganz besondere Ehre. Als Halla 1979 im Alter von 34 Jahren stirbt, verfügt die Reiterliche Vereinigung, dass kein Turnierpferd mehr unter diesem Namen starten darf. Ihre Bronzestatue steht vor der Verbandszentrale der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Warendorf. "Sie war", sagt Winkler, "die größte vierbeinige Persönlichkeit, die es je gab."

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr