Das Olympische Dorf in Rio de Janeiro © picture alliance / Photoshot

Athletendorf

Fehlstart für Rio: Ärger um Olympisches Dorf

Das olympische Athletendorf in Rio de Janeiro hat seine Pforten geöffnet. Die Kritik am Zustand der Unterkünfte ist groß. "Unbewohnbar" nannten sie einige Besucher. Das Organisationskomitee der Olympischen Spiele versprach einen "einwandfreien Zustand" bis zum Ende der Woche.

Die australische Delegation verweigerte am Sonntag gar den Einzug in die Athleten-Unterkunft. Delegationsleiterin Kitty Chiller bemängelte verstopfte Toilettenabflüsse, Lecks an den Leitungen, schlecht isolierte Kabel, unbelichtete Treppenhäuser und Schmutz in vielen Ecken. Das Olympische Dorf sei "nicht sicher und nicht fertiggestellt", sagte Chiller: "Angesichts der Vielzahl von Problemen - einschließlich Gas, Strom und Heizung - habe ich beschlossen, dass kein australisches Teammitglied sich bis auf Weiteres in dem uns zugewiesenen Gebäude bewegen wird." Laut dem brasilianischen Fernsehsender Globo beklagten die Delegationen Neuseelands und Großbritanniens ähnliche Mängel. Nach einem Bericht der brasilianischen Zeitung "Folha de Sao Paulo" haben die USA, Italien und die Niederlande die Instandsetzung ihrer Quartiere aus eigener Tasche bezahlt.

"Probleme in den Wasser- und Elektrizitätsleitungen"

Auch die argentinische Mannschaft beschwerte sich über schwere Mängel. Drei der fünf für die argentinische Delegation vorgesehenen Etagen seien nicht bewohnbar, erklärte der Chef des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Gerardo Werthein, am Montag auf einer Pressekonferenz in Buenos Aires. "Die Appartements haben Probleme in den Wasser- und Elektrizitätsleitungen", sagte Werthein. Die argentinische Delegation werde Wohnungen in der Umgebung mieten, in denen die technischen Begleiter untergebracht werden sollen, um den Sportlern die bewohnbaren Plätze im Olympia-Dorf zu überlassen.

"Perfektes Dorf - wahrscheinlich am Donnerstag"

Das in der Kritik stehende Dorf soll sich spätestens bis zum Ende der Woche in einem "einwandfreien Zustand" befinden, versprach das Organisationskomitee der Olympischen Spiele am Montag. "Es arbeiten 630 Personen auf Hochtouren daran, die Probleme im Olympischen Dorf zu beheben", teilte OK-Sprecher Mario Andrada via Twitter mit: "Sie werden uns ein perfektes Dorf bescheren - wahrscheinlich am Donnerstag."

Für zusätzlichen Ärger hatten ironische Anmerkungen des Bürgermeisters von Rio gesorgt. Damit sich die Australier wohl fühlten, würden sogar Kängurus besorgt, sagte Eduardo Paes vor Journalisten. "Wir brauchen keine Kängurus, wir brauchen Klempner", entgegnete später laut dem Nachrichtenportal "UOL" ein australischer Sprecher.

Hauptrestaurant größer als zwei Fußballfelder

Insgesamt waren bei der Eröffnung am Sonntag 14 Nationen im "Vila dos Atletas" im Olympiaherz Barra da Tijuca angekommen. 200.000 Quadratmeter groß ist das Areal. In 3.604 Apartments sollen in den kommenden vier Wochen insgesamt 17.950 Sportler und Teammitglieder unterkommen. Allein das Hauptrestaurant, größer als zwei Fußballfelder, hat eine Kapazität für 5.000 Personen zur selben Zeit. Geplant wird täglich mit 60.000 ausgeteilten Mahlzeiten oder insgesamt 210.000 Kilo Nahrung. Für den Verzehr stehen während der Spiele acht Millionen Teller, 3,5 Millionen Besteck und 11,5 Millionen Servietten zur Verfügung. Um die Sicherheit zu gewährleisten, bezieht die Nationalgarde rund um die Uhr Posten vor und auf dem Gelände. Darüber hinaus kann jedes der 206 Teilnehmerländer eigenes Sicherheitspersonal in die Gebäude lassen. "Hier ist es sicher. Das Dorf war die erste Einrichtung, die durchforstet worden ist. Es gibt einen doppelten Sicherheitszaun, Kontrollen wie auf einem Flughafen", sagt Mario Cilenti, der Direktor des Olympiadorfes.

"Es ist nicht alles wirklich sauber und fertig"

Ein Zimmer im Olympischen Dorf in Rio de Janeiro © picture alliance / dpa Foto: Georg Ismar

Zimmer im Olympischen Dorf.

Am deutschen Hochhaus hängt zur Begrüßung bereits seit Tagen eine riesige schwarz-rot-goldene Fahne am Balkon, darüber auf zwei Bannern in Versalien der Schriftzug Team Germany. "Es ist nicht alles wirklich sauber und fertig, es ist halt etwas brasilianisch", sagte Michael Trummer, der Chef-Bundestrainer der Kanuten, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" am Montag. Von 99 Wohneinheiten der deutschen Mannschaft seien 40 bewohnbar. Die Außenanlagen etwa seien noch nicht olympiareif, aber das sei 2004 in Athen nicht anders gewesen, ergänzte Stefan Henze, der Disziplin-Bundestrainer der Kajak-Damen.

Lampen, Spiegel und Klodeckel gestohlen

Auch die Franzosen haben stolz die Trikolore an die Außenfassade gehängt. Die Delegationen der USA oder Israels verzichten dagegen auf eine solche Außendarstellung. Anonymität hat in diesen Fällen angesichts der weltweiten Terrorlage Priorität. Sicherheitsmängel traten jedoch schon vor dem Einzug des ersten Athleten zu Tage. In manchen Zimmern wurde alles, was tragbar ist, schlicht von Arbeitern mitgenommen. Lampen, Spiegel, selbst Klodeckel. Auf den letzten Drücker müssen die "Hausmeister" auch noch die Defekte in den Bereichen Strom, Gas und Wasser beheben.

Appartements für zahlungskräftige Bürger

Die karge Einrichtung könnte Sportler ohnehin an Sparta erinnern. Die für die Ausstattung verantwortlichen Organisatoren stehen wegen der tiefen Rezession in Brasilien und einem engen Budget unter enormen Spardruck. Doch das Dorf hat auch schöne Seiten: Gehwege, gepflastert nach den berühmten Mosaikmustern der Strände Copacabana und Ipanema, und einen künstlichen Ministrand. Außerdem gibt es Schwimmbäder, Sportfelder, Freizeiträume, Fitnessstudios, eine ärztliche Versorgungsstation und ein religiöses Zentrum.

Die Anlage wurde von dem Milliardär Carlos Carvalho zusammen mit dem im Fokus einen landesweiten Korruptionsskandals stehenden Baukonzern Odebrecht geplant und gebaut. Nach den Spielen sollen die Wohnungen als Appartements an zahlungskräftige Bürger verkauft werden. Barra liegt im Westen der 6,5-Millionen-Stadt und ist geprägt von der Mittel- und Oberschicht.

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Das Olympische Dorf in Bildern

 

Hinweis: In einer früheren Version hieß es, im olympischen Dorf würden täglich 60.000 Mahlzeiten oder insgesamt 210.000 Tonnen Nahrung ausgegeben. Diese Information ist falsch. Es handelt sich um 210.000 Kilo oder 210 Tonnen.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 25.07.16 22:32 Uhr