Boxen
Irischer Boxer Conlan spricht von Betrug
Der irische Boxer Michael Conlan hat nach seinem Aus für einen Eklat gesorgt. Vorausgegangen war eine umstrittene Punktentscheidung - nicht die erste bei diesen Spielen. Der Weltverband hat mittlerweile reagiert - und schickte Referees nach Hause.
Es war einer dieser Momente, die so gar nicht ins Bild der harmonischen, der friedlichen Spiele passen, was sich Olympia gerne auf die vermeintlich blütenreine Fahne schreibt. Der Ire Michael Conlan stand da, im Boxring im Riocentro. Drei furiose Runden hatte er im Bantamgewicht gegen den Russen Wladimir Nikitin gezeigt. Und noch immer hatte er Reserven: Mit einer Mischung aus Hass und Ratlosigkeit im Gesicht streckte er den Punktrichtern die Finger entgegen, die es in Deutschland durch den Fußballer Stefan Effenberg zu gewissem Ruhm gebracht haben.
Blut und Schweiß perlten an seinem Körper herunter. Als er sich danach sein rotes Jersey vom Leib riss, war die Tätowierung der Olympischen Ringe an seiner rechten Seite zu sehen. Conlan bereute es wohl, dass er dieses Symbol auch in Zukunft mit sich herumtragen wird, obwohl es für ihn an diesem Abend seine Strahlkraft und Reinheit verloren hat. Conlan hatte soeben - für alle Zuschauer überraschend - sein Viertelfinale klar mit 0:3 gegen Nikitin verloren.
Ein legendäres TV-Interview
Was Conlan anschließend vor dem Mikrofon von RTÉ Sport, einem Nachrichtensender aus seiner Heimat, zum Besten gab, dürfte für einen langen Nachhall im olympischen Boxsport sorgen. "Sie sind verdammte Betrüger! Sie kaufen jeden. Es ist mir scheißegal, dass ich im Fernsehen fluche", wetterte der 24-Jährige, der sich nur wenige Augenblicke nach der Niederlage den Amateur-Weltverband AIBA vorknöpfte. "Das sind betrügerische Bastarde!", schimpfte der Olympiadritte von London: "Es ist bekannt, dass sie Betrüger sind. Sie werden immer Betrüger sein. Das Amateurboxen stinkt von der Basis bis zur Spitze."
Tweet an Putin
Conlans Gegner Nikitin hatte den Ring verbeult und blutverschmiert verlassen. "Ich war im ersten Gang und habe ihm die Ohren abgeboxt. Habt ihr sein Gesicht gesehen? Er hatte überall Cuts", sagte Conlan, Irlands erster Amateur-Weltmeister, über den Russen. Für ihn war die Sache klar: Der Sieg sei bei den "korrupten Punktrichtern" gekauft worden. Und das von ganz oben. Per Twitter schickte er nette Grüße an Russlands Präsident Wladimir Putin.
Der Weltverband AIBA sei "ein Trümmerhaufen. Mein Traum ist zerstört, ich bin in meinem tiefsten Herzen auch zerstört", sagte Conlan, der nie wieder unter AIBA-Regie boxen will: "Ich denke, das Boxen ist tot! Es geht nur darum, wer mehr Geld bezahlt. Wer den größten Einfluss hat, gewinnt."
Olympische Fehlurteile?
Die Jury-Entscheidung im Conlan-Kampf war nicht die erste kontroverse Entscheidung bei den Spielen von Rio. Nur einen Tag zuvor hatte sich Irlands Goldhoffnung Katie Taylor nach einer 1:2-Niederlage im Leichtgewicht gegen die Finnin Mira Potkonen betrogen gefühlt. Noch umstrittener war die Finalentscheidung im Schwergewicht der Männer. Der Kasache Wassili Lewit verlor nach einem überlegen geführten Finalkampf 0:3 gegen den Russen Jewgeni Tischtschenko. Tischtschenko wurde von 9000 Zuschauern gnadenlos ausgebuht. Österreichs Box-Ikone Sigismund "Sigi" Bergmann, seit über 50 Jahren im Reportereinsatz und als 78-Jähriger auch bei den Spielen in Rio als Kommentator dabei, nannte das Urteil einen "olympischen Skandal".
Der Weltverband schickt Referees nach Hause
Und was macht der Weltverband? Die AIBA reagierte am Mittwoch (17.08.16) tatsächlich und zog eine ungenannte Zahl an Ring- und Kampfrichtern ab. "Weniger als eine Handvoll an Entscheidungen" sei nicht auf dem erwarteten Niveau getroffen worden, teilte die AIBA mit. Der Verband hatte die 239 Kämpfe überprüft, die bis Mittwochmorgen stattgefunden hatten. Die Ergebnisse der beanstandeten Duelle blieben jedoch gemäß der AIBA-Regeln bestehen.
Zuvor war der Verband auch im Angesicht weiterer Manipulationsvorwürfe beispielsweise aus dem US-Team, kühl und gelassen geblieben. "Meine Erfahrung ist: Wenn ein Boxer verliert, ist er niemals glücklich", sagte ein Sprecher: "Er sieht die Schuld dann niemals bei sich selbst, sondern immer nur bei der Organisation." Die Punkt- und Ringrichter seien gewissenhaft ausgewählt und geschult: "Grundlose Anschuldigungen können wir nicht akzeptieren."
London 2012: AIBA korrigiert Kampfurteil
Die Anschuldigungen gegen die AIBA sind allerdings alles andere als neu. Bei den Spielen 2012 in London hatte der Aserbaidschaner Magomed Abdulhamidow im Bantamgewicht umstritten durch Überlegenheit gegen den Japaner Satoshi Shimizu gewonnen - obwohl Shimizu seinen Gegner in der dritten Runde gleich sechs Mal zu Boden befördert hatte. Nach einem Protest des japanischen Teams korrigierte die AIBA das Urteil: Shimizu wurde zum Sieger bestimmt, der Ringrichter und der technische Offizielle wurden nach Hause geschickt.
Auch im olympischen Boxturnier von London war dies nicht die einzige zweifelhafte Entscheidung. Das Wort "Betrug" nahm beispielsweise der iranische Schwergewichtler Ali Mazaheri nach seiner Achtelfinalniederlage gegen den Kubaner Jose Larduet Gomez in den Mund. Der fühere britische Schwergewichtsweltmeister Lennox Lewis, in London Ringgast bei zahlreichen Kämpfen, brachte es damals auf den Punkt: "Das macht mir Sorgen. Man weiß bis zum Schluss nicht, wie der Kampf ausgehen wird."
Stand: 17.08.16 16:43 Uhr
Sportarten
Ergebnisse
Medaillenspiegel
Platz | Land | G | S | B |
---|---|---|---|---|
1. | USA | 46 | 37 | 38 |
2. | GBR | 27 | 23 | 17 |
3. | CHN | 26 | 18 | 26 |
4. | RUS | 19 | 17 | 20 |
5. | GER | 17 | 10 | 15 |
6. | JPN | 12 | 8 | 21 |
7. | FRA | 10 | 18 | 14 |
8. | KOR | 9 | 3 | 9 |
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