Fans der brasilianischen Volleyballnationalmannschaft jubeln im Spiel gegen Argentinien © picture alliance / dpa Foto: Michael Reynolds

Volleyball

"Wir lieben es, uns zu hassen"

von Matthias Heidrich, sportschau.de

Brasilien und Argentinien. Das ist Liebe und Hass zugleich. Vor allem ausgelebt im Fußball. Bei den Olympischen Spielen in Rio erreicht das ewige Bruderduell der beiden größten Länder Südamerikas seinen Höhepunkt aber nicht im Maracana-Stadion, sondern nebenan, im Maracanazinho. Bei einem Volleyball-Viertelfinale, das so viel mehr war als das.

Die Verhältnisse an diesem Abend im Maracanazinho sind schon bei der Vorstellung der beiden Teams geregelt. Argentinien läuft zuerst in die knapp 11.500 Zuschauer fassende Arena ein. Ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert begleitet die Gauchos. Ihre Fans haben keine Chance, den gelb-grünen Chor der Abneigung aus dem Takt zu bringen. Einlauf der Brasilianer: Tollhaus-Atmosphäre, obwohl noch nicht ein Ball geschmettert wurde.

Das hier ist größer als ein olympisches Volleyball-Viertelfinale. Es geht um viel mehr. Um das ewige Bruderduell der beiden größten Länder Südamerikas, die seit Jahrzehnten eine Hassliebe verbindet und gleichzeitig trennt. "Wir lieben es, uns zu hassen. Und wir hassen es, dass wir uns lieben", beschreiben Brasilianer die komplizierte Beziehung.

"Maradona ist besser als Pelé"

Spielszene aus dem Volleyball-Match Brasilien gegen Argentinien. © dpa picture alliance Foto: Michael Reynolds

Brasilien steht nach dem Sieg gegen Argentinien im Halbfinale.

Beide Länder haben mal Krieg gegeneinander geführt, um das heutige Uruguay, das letztlich als unabhängiger Staat aus dem Konflikt hervorging. Das ist fast 200 Jahre Vergangenheit, aber irgendwie auch Schuld daran, dass Brasilien 1950 bei der ersten Fußball-WM im eigenen Land die epochale Finalpleite gegen Uruguay kassieren konnte - im Estadio Maracana von Rio, im Herzen des brasilianischen Fußballs.

Kein Wunder, dass die erbitterte Rivalität der beiden Nationen vor allem in den Fußballstadien gepflegt wird. Vor allem das "Decime qué se siente" der Argentinier mit der Provokation "Maradona ist besser als Pelé" treibt die Brasilianer zur Weißglut. Im Duell der Fußball-Heiligen verstehen beide Seiten keinen Spaß. Die Argentinier lassen auch keine Gelegenheit aus, Salz in die zweite große brasilianische Fußball-Wunde zu streuen: das 1:7 vor zwei Jahren im WM-Halbfinale gegen Deutschland.

Fairplay-Appelle der Regierungen verhallen ungehört

Das alles schwingt bei diesem Viertelfinale im "kleinen Maracana" mit. Fairplay, bei diesen Olympischen Spielen ein großes Thema, weil von brasilianischen und auch argentinischen Fans schon des Öfteren mit Füßen getreten, ist das Fremdwort des Abends. Da helfen auch alle Appelle der Regierungen nicht, deren Sport-Staatssekretäre sogar ein Sondertreffen in Rio vereinbarten.

Brasilianischer Patriotismus pur

Ein argentinischer Volleyballer stützt enttäuscht seinen Kopf in die Hände. © imago Foto: Celso Pupa

Argentinischer Frust auf der Spielerbank nach der Niederlage gegen den Erzfeind.

Die Brasilianer sind bei diesem K.o.-Spiel noch viel mehr Patrioten als sonst und wollen ihr Team siegen sehen, gegen Argentinien umso mehr. Die Aufschläge der Nachbarn werden von Pfiffen und Buh-Rufen begleitet. Jeder Punktgewinn des zweimaligen Olympiasiegers und Vizeweltmeisters wird wie der letzte gefeiert. Ein Dezibel-Messgerät würde vermutlich Werte eines startenden Jumbojets anzeigen.

Als die Brasilianer den Matchball zum 3:1-Sieg und Einzug ins olympische Halbfinale verwandeln, hebt das Maracanazinho gefühlt ab. Nun geht es im Halbfinale gegen Titelverteidiger Russland, im anderen Semifinale treffen Italien und die USA aufeinander. Argentiniens Facundo Conte hatte vor dem Duell mit Brasilien versucht, die Dinge einzuordnen: "Fußball ist Fußball. Die Weltmeisterschaft ist vorbei, das hier sind die Olympischen Spiele." Den knapp 11.500 brasilianischen und argentinischen Fans im Maracanazinho ist das herzlich egal. Sie lieben es, sich an diesem Abend zu hassen.

Ergebnisse

Volleyball, Männer, Endstand

Gold Flagge Brasilien BRA Bruno Oscar Schmidt / Mauricio Borges Almeida Silva / Eder Francis Carbonera / De Souza Douglas Correia / Mauricio Luiz De Souza / Wallace Leandro De Souza / Dos Santos Sergio Dutra / Luiz Felipe Marques Fonteles / Evandro M. Guerra / Ricardo Lucarelli / De Rezende Bruno Mossa / William Peixoto Arjona / Lucas Saatkamp
Silber Flagge Italien ITA Adrian Ignacio Carambula Raurich / Oleg Antonov / Emanuele Birarelli / Simone Buti / Massimo Colaci / Simone Giannelli / Osmany Juantorena / Filippo Lanza / Matteo Piano / Salvatore Rossini / Pasquale Sottile / Luca Vettori
Bronze Flagge USA USA Phil Dalhausser / Matthew Anderson / Micah Christenson / Maxwell Holt / Thomas Jaeschke / David Lee / William Reid Priddy / Aaron Russell / Taylor Sander / Erik Shoji / Kawika Shoji / David Smith / Murphy Troy
4. Flagge Russland RUS Andrej Aschtschew / Konstantin Bakun / Artem Ermakow / Sergej Grankin / Igor Kliuka / Igor Kobsar / Maxim Michajlow / Sergej Tetjuchin / Alexej Werbow / Alexander Wolkow / Dmitri Wolkow / Artem Wolwitsch
5. Flagge Polen POL Bartosz Bednorz / Mateusz Bieniek / Rafal Buszek / Fabian Drzyzga / Karol Klos / Dawid Konarski / Michal Kubiak / Bartosz Kurek / Grzegorz Lomacz / Mateusz Mika / Piotr Nowakowski / Pawel Zatorski

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 18.08.16 08:25 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 46 37 38
2. Flagge Großbritannien GBR 27 23 17
3. Flagge Volksrepublik China CHN 26 18 26
4. Flagge Russland RUS 19 17 20
5. Flagge Deutschland GER 17 10 15
6. Flagge Japan JPN 12 8 21
7. Flagge Frankreich FRA 10 18 14
8. Flagge Südkorea KOR 9 3 9
Stand nach 306 von 306 Entscheidungen.

Alle Platzierungen | mehr