Philip Craven, Chef des Internationalen Paralympischen Komitees, bei einer Pressekonferenz. © Imago/Wolter

"Paralympics-Absage war für uns nie ein Thema"

Wenige Tage vor dem Beginn der Paralympics am Mittwoch (07.09.16) blickt IPC-Präsident Sir Philip Craven optimistisch auf die Spiele in Rio. Die Finanzprobleme seien gelöst, der Ticketverkauf mehr als zufriedenstellend, sagte er in einem exklusiven ARD-Interview. Darin verteidigte er erneut auch die Suspendierung der russischen Para-Sportler wegen Staatsdopings.

Sir Craven zeigte sich in dem Interview in Rio am Sonntag (04.09.16) regelrecht gelöst - und voller Vorfreude: "Ich bin sehr aufgeregt. Ich musste erst einmal runterkommen. Wir hatten ja eine wirklich sehr schwere Zeit hier in Rio vor den Paralympics, aber seit wir wichtige Informationen bekommen haben, schreiten wir gut voran. Und ich bin mir sicher: Wir haben tolle Spiele vor uns." Eine Absage der Paralympics wegen der großen Finanzprobleme des Bundesstaates Rio sei laut Craven nie eine ernsthafte Option gewesen: "Ich glaube nicht, dass es besonders eng war. Es ist in unseren Köpfen, ehrlich gesagt, nie ein Thema gewesen." Nachdem das Organisationskomitee der Paralympics die Fakten auf dem Tisch hatte, konnte es etwas unternehmen, so der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees. "Mit der aktuellen Bundesregierung, der Stadt und dem Organisationskomitee haben wir die Puzzleteile zusammengefügt und haben die Sachen ins Rollen gebracht."

Ticketverkauf läuft endlich

Wichtig sei es vor allem gewesen, das brasilianische Volk zu erreichen und für die Paralympics zu begeistern. Dass das gelungen sei, zeige der in den vergangenen Tagen sprunghaft angestiegene Ticketverkauf. Fast 1,5 Millionen Eintrittskarten seien aktuell bereits verkauft worden, nachdem es am Morgen nach den Olympischen Spielen "fast noch null" gewesen seien. Craven ist sich sicher: Wenn man den Paralympics von Beginn an mehr Aufmerksamkeit gewidmet hätte, wäre der Verkauf der Karten auch früher schon viel besser gelaufen. "Wir hatten wirklich einen schlechten Start vor den Olympischen Spielen, und auch ein Jahr zuvor. Aber: Die Cariocas haben reagiert!"

Teams sollen ihr Geld jetzt erhalten

Das Problem, dass die Nationalen Paralympischen Komitees versprochenes Geld (beispielsweise für die Anreise nach Rio) nicht bekommen hatten, wurde laut Craven gelöst, indem man sich "das Problem vor vier Wochen bewusst gemacht" hätte. Mit der brasilianischen Bundesregierung, der Stadt und anderer Träger sei es dann gelungen, die Finanzierung zu ermöglichen. "Es war ein riesiges Problem, aber eben eins, das die paralympische Familie bis zu einem gewissen Punkt lösen konnte. Mit dem Versprechen, dass das Geld auch gezahlt wird, damit jedes Team, das hier teilnehmen möchte, das auch tun kann, ohne dass es am fehlenden Geld scheitert." Das Geld sollen die Teams laut Craven auf jeden Fall noch in dieser Woche erhalten.

"Staatsdoping tötet den Para-Sport"

Der IPC-Präsident verteidigte in dem ARD-Interview erneut den Ausschluss des gesamten russischen Teams wegen Staatsdopings in Russland. "Ich denke, dass die Leute diese Entscheidung des Präsidiums nicht als mutige Entscheidung bezeichnen, sondern als die einzig richtige Entscheidung." Aus dem McLaren-Bericht sei eindeutig hervorgegangen, dass der Para-Sport vom russischen Staatsdoping betroffen war, deswegen hätte sich das IPC der Sache annehmen müssen. Er sei sich mit dem Präsidium einig gewesen: "Wir können Staatsdoping nicht akzeptieren. Er tötet den Para-Sport. Deswegen mussten wir handeln." Eine politische Entscheidung sei der Ausschluss, anders als von Russlands Präsident Wladimir Putin behauptet, nicht gewesen: "Wir treffen keine politischen Entscheidungen, wir kümmern uns nur um Sport."

Außerdem erläuterte Craven, warum er im Juli den vielkritisierten Entschluss des IOC mitgetragen hatte, Russland nicht komplett von den Olympischen Spielen auszuschließen, sondern die Entscheidung über ein Startrecht an die Fachverbände zu delegieren: "Ich habe im Sinne eines guten Teamplayers gehofft, dass das IOC die bestmögliche Entscheidung im Sinne der olympischen Bewegung treffen wird. Deswegen habe ich den IOC-Entschluss unterstützt. Es war aber nicht die Entscheidung, die ich in meinem Herzen getragen habe. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir im IPC unsere Entscheidung noch nicht getroffen. Aber mein Präsidium hatte deutlich gemacht, dass die Entscheidung des IOC für uns nicht infrage kommt."

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 19.09.2016, 10.00 Uhr

Stand: 05.09.16 09:22 Uhr

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