Hinter den Kulissen

Vorsicht! Der Misserfolg hat einen Namen

von Florian Neuhauss, sportschau.de

Sportler sind abergläubisch. Das gilt auch für Heinrich Popow, der in Rio im Sprint und Weitsprung um paralympisches Edelmetall kämpft. Darunter leiden muss der Mechaniker Julian Napp, der eigentlich erst dafür sorgt, dass bei den Spielen alles rund läuft.

Julian Napp ist Orthopädietechniker, in Rio fungiert der 28-Jährige als technischer Direktor der Werkstatt im Paralympischen Dorf. Zu vielen deutschen Sportlern hat sich in den vergangenen Jahren eine Freundschaft entwickelt. Besonders gut kennt er die Leichtathleten um Heinrich Popow, mit dem er auch schon für die "Running Clinics" unterwegs war. Das Projekt arbeitet weltweit daran, Amputierten die Freude am Laufen zurückzugeben. Napp hat selbst Freude daran, seine Jungs laufen und springen zu sehen. Doch die Freundschaft hat Grenzen, am Zuckerhut muss Napp in seiner Halle bleiben - Popow hat ihm verboten, die Wettkämpfe live im Stadion zu verfolgen. "Und ich halte mich dran, ich bin ein richtiger Unglücksrabe", sagt Napp sportschau.de.

Schwarze Serie - ohne Lichtblicke

Heinrich Popow feiert seine Goldmedaille bei den Paralympics in London.

In London 2012 drückte Napp vor Ort die Daumen, Popow wurde Vierter im Weitsprung, die 4x100-Meter-Staffel kam nur als Fünfte ins Ziel. Über 200 Meter reichte es ganz knapp zu Bronze. Im 100-Meter-Finale klappte es endlich mit der erhofften Goldmedaille für Popow. Natürlich nur, weil Napp dem Finale ferngeblieben war. Sportler sind abergläubisch. Und schließlich trifft Napps schlechte Aura nicht nur Popow. Bei der WM 2015 in Doha verpassten Philipp Waßenberg und Leon Schäfer eine Medaille knapp. Felix Streng wurde Vierter im Weitsprung und über die 100 Meter, die 200 Meter endeten mit einer Disqualifikation. Alles unter den Augen von Napp, der nach dem Aufwärmen der Staffel ein mulmiges Gefühl bekam: "Die Jungs haben mich noch aufgefordert, mit reinzukommen. Aber ich bin lieber draußen geblieben - und sie gewinnen die Goldmedaille." Beweisführung beendet.

Beim Weltrekord gerade Bier holen

Popow betont im Gespräch mit sportschau.de, dass er das Verbot eigentlich nur als Spaß gemeint habe, sagte aber auch: "Immer wenn er dabei war, habe ich einen Scheiß-Wettkampf abgeliefert." Und ja, für den Traum einer weiteren Medaille bei den Paralympics müsse "alles perfekt sein". Wie kürzlich, als der Leverkusener in Hachenburg mit 6,77 Metern in seiner Klasse einen Weltrekord aufstellte. "Julian war zwar vor Ort, aber bei dem Sprung wirklich gerade Bier holen", betont Popow.

"Mal zum Rollstuhlbasketball?" - "Bloß nicht!"

Natürlich hat Napp das Finale über 100 Meter, in dem Streng am vergangenen Freitag Bronze gewonnen hat, nur am Fernseher der Cafeteria verfolgt - und sich sehr gefreut. "Da hat es wieder funktioniert", ist mittlerweile auch Napp selbst offenbar überzeugt. "Die letzten Male ist es mit mir doch ziemlich in die Hose gegangen."

Also bleibt der Techniker die ganzen Spiele über in seiner Werkstatt? "Nein, eigentlich wollte ich mir schon noch was angucken. Vielleicht gehe ich mal zum Rollstuhlbasketball", antwortet der 28-Jährige, der den nächsten Fall in der Werkstatt abschließen kann. André Bienek brauchte einen neuen Greifring an seinem Sportrollstuhl. Doch als der Basketballer, der wenig später zum dritten Gruppenspiel der Deutschen gegen Algerien aufbricht, Napps Geschichte hört, bittet auch er Napp, bloß nicht zu ihren Spielen zu kommen: "Unser Start war mit zwei Niederlagen schon schlecht genug", erklärt Bienek. Napp grinst gequält. Die Rollstuhlbasketballer gewannen die Partie.