Drei Stunden nach der Landung in Rio kam für Andreas Ostholt die Hiobsbotschaft: Die Teamleitung strich den Vielseitigkeitsreiter völlig überraschend aus der deutschen Mannschaft. Der Grund liegt Wochen zurück: Im Trainingslager hatte sein Pferd So is et ein Eisen verloren, seitdem lief es im Trab immer mal wieder unrund. "Der Traum ist gestorben. So nah werde ich Olympia nie mehr kommen", sagte Ostholt unter Tränen. Dasselbe Schicksal wie Ostholt ereilte wenige Tage später auch Springreiter Marcus Ehning, dessen Pferd Cornado nicht fit genug für einen Start im Olympia-Parcours war. Ostholt und Ehning mussten am Ende zuschauen, wie ihre Mannschaften Medaillen gewannen.
Glück im kuriosen Unglück hatte Hockey-Nationalspielerin Charlotte Stapenhorst. Im Training war ihr nach einem Windstoß die überdachte Auswechselbank auf den Fuß gefallen. Die Verletzung stellte sich aber lediglich als leichte Blessur heraus. "Einsatz nicht gefährdet. Fußprellung, nicht so schlimm“, twitterte danach der Deutsche Hockey-Bund (DHB) - und wenige Tage später war Stapenhorst auch wieder fit. Am Ende wurde sie für ihren Einsatz mit der Bronzemedaille belohnt.
Pechvogel? Oder Held? Auf Turner Andreas Toba trifft beides zu. Der deutsche Mehrkampfmeister aus Hannover riss sich bei der allerersten Bahn seiner Bodenübung das Kreuzband im rechten Knie. Nach einer verunglückten Landung blieb er zunächst liegen, musste gestützt werden und seine Übung abbrechen. Anschließend absolvierte der 25-Jährige trotz schlimmer Schmerzen seine Übung am Pauschenpferd, um die Mannschaft nicht im Stich zu lassen. Toba erhielt die beste Wertung aller deutschen Turner, die durch seinen Einsatz das Mannschaftsfinale der besten acht Teams erreichten.
Zum ersten Mal bei Olympia dabei - und dann das: Davis-Cup-Spieler Dustin Brown knickte in seinem Erstrunden-Match gegen den Brasilianer Thomasz Bellucci beim Stand von 6:4, 4:4 um und erlitt dabei einen doppelten Bänderriss. Mit seinem verletzungsbedingten Olympia-Aus war Brown im deutschen Tennislager aber nicht allein: Philipp Kohlschreiber trat wegen einer Fußverletzung nicht zu seinem Zweitrunden-Spiel gegen den Slowaken Andrej Martin an.
Und dann war da noch Robert Harting: Der Diskus-Olympiasieger von 2012 reiste eh schon nicht in körperlicher Topverfassung nach Rio, wollte aber dennoch unbedingt im Finale zeigen, was er kann. Am Abend vor dem Qualifikationswettkampf wollte der Berliner in seinem Hotelzimmer - auf dem Bett liegend - mit dem Fuß den Lichtschalter betätigen. Die Folge: Hexenschuss, Quali-Aus, Olympia-Frust!
Sein Job ist es, Pferde zu pflegen. Vom neunjährigen Wallach Cosmo, dem Pferd von Goldmedaillen-Gewinner Sönke Rothenberger, bekam Robert Sanderson zum "Dank" eine gewischt. Passiert ist dies bei der Siegerehrung der deutschen Mannschafts-Olympiasieger in der Dressur. Cosmo scheute und traf Sanderson mit einem Huf an der Stirn. Der Pferdepfleger ging zu Boden und musste später mit zehn Stichen genäht werden. Übelgenommen hat es der Brite dem Pferd aber nicht. "Das ist nichts, das ist nur ein kleiner Kratzer", sagte er, als er mit der deutschen Mannschaft den Erfolg feierte. "Alles ist gut. Nur blöd, dass ich die Siegerehrung verpasst habe."
Die Florettfechterin Carolin Golubytskyi stieß im Sechzehntelfinale beim Stand von 0:2 mit ihrer polnischen Gegnerin Hanna Lyczbinska zusammen. Nach kurzer Behandlungspause nahm die Tauberbischofsheimerin das Gefecht wieder auf, verlor aber mit 9:14. Im Krankenhaus wurde ein Außenbandriss diagnostiziert. Olympische Spiele stehen für Golubytskyi unter keinem guten Stern: 2012 führte sie im Achtelfinale gegen die favorisierte Italienerin Elisa di Francisca 8:6, ehe ihre Gegnerin sie bei einem Angriff mit der Glocke ihrer Waffe am Kinn traf. Golubytskyi taumelte, fiel zu Boden und musste mehrere Minuten behandelt werden. Sichtlich beeinträchtigt gelang ihr nur noch ein Treffer - Golubytskyi verlor 9:15.
Mit Tränen in den Augen flüchtete Jacob Heidtmann aus dem Schwimmstadion von Rio de Janeiro. Der WM-Fünfte hatte gerade bei seinem Olympia-Debüt für einen spektakulären Fehlstart der deutschen Schwimmer gesorgt. Der 21-Jährige aus Elmshorn schlug im Vorlauf über 400 m Lagen zwar nach 4:11,85 Minuten in deutscher Rekordzeit an, doch das Aus folgte nur Sekunden später: Wegen zwei Delfinkicks bei der Brustwende wurde er disqualifiziert. "Wir haben uns alle gefreut, aber als wir auf die Anzeigetafel geschaut haben, gab es lange Gesichter", berichtete Freistilschwimmer Clemens Rapp. Besonders ärgerlich: Die Zeit hätte für Platz fünf und den Einzug ins Finale gereicht.
Als wäre die Niederlage im Kampf um Judo-Bronze in der Klasse bis 78 kg nicht schon schlimm genug gewesen, rang Louise Malzahn auch noch Minuten nach dem Kampf nach Fassung. Ihre slowenische Gegnerin Anamari Velensek hatte den Sieg durch einen Würgegriff erkämpft. Weil der Griff derart fest war, konnte Malzahn nicht mehr das Zeichen zur Aufgabe geben - und weil der Ringrichter den Kampf weiterlaufen lief, wurde die Hallenserin kurzzeitig sogar ohnmächtig.
Frank Stäbler ging angeschlagen ins olympische Ringer-Turnier. Ausgerechnet im Abschlusstraining vor dem Flug nach Rio zog sich der Weltmeister in der Klasse bis 61 kg eine Fußverletzung zu. Doch der 27-Jährige erzählte es niemandem. "Hätte ich einen Arzt gefragt, hätte der mir den Start sicher verboten", meinte der Goldkandidat aus Musberg, der im Viertelfinale und auch in der Hoffnungsrunde scheiterte. Dann gab's die Diagnose: Syndesmosebandanriss und Kapselverletzung. Stäbler sprach von "höllischen Schmerzen".
Marcel Hacker und und Stephan Krüger lagen im Ruder-Doppelzweier als Dritte lange auf Finalkurs. Das Duo aus Magdeburg und Rostock wurde am Ende aber noch überholt und schied aus. Dabei hatten beide wirklich alles gegeben, kollabierten im Ziel und mussten ärztlich versorgt werden. Es war ein bitterer Abschied für Hacker, der wenig später seine olympische Karriere für beendet erklärte.
34 Hunderstelsekunden, also nur ein Wimpernschlag, fehlten zur Kanuslalom-Bronzemedaille: Franz Anton und Jan Benzien mussten im Canadier-Zweier den Franzosen Gauthier Klauss/Matthieu Peche den Vortritt lassen. Nächster Anlauf in vier Jahren? Mitnichten! Der Wettbewerb wird 2020 zugunsten eines weiteren Frauenrennens aus dem olympischen Programm gestrichen. Mehr seelische Schmerzen kann ein vierter Platz wohl kaum bereiten. "Ach, hätten wir doch nur..."
Für Simone Laudehr (2.v.l.) war das olympischen Frauenfußball-Turnier und der Aufenthalt in Rio am Mittwoch (17.08.16) vorzeitig beendet. Die Münchnerin hatte sich im Auftaktspiel gegen Simbabwe einen Außenbandriss im linken Sprunggelenk zugezogen. Mit der Diagnose im Gepäck trat die 30-Jährige die Heimreise an. Ihre Mitspielerin Anja Mittag dachte bei der Siegerehrung nach dem Olympiasieg aber fest an sie und reckte auf dem Podium Laudehrs Trikot in den Himmel.
Das gleiche Schicksal ereilte Leon Goretzka. Der Kapitän der deutschen Männermannschaft hatte sich im Auftaktspiel gegen Mexiko eine Schulterverletzung zugezogen. Auch der Schalker reiste ab, um sich daheim auf die neue Saison vorzubereiten. Der 21-Jährige verpasste so das große Finale gegen Brasilien im Maracana-Stadion.
Es kann niemand behaupten, Dimitrij Ovtcharov hätte sich im Tischtennis-Turnier zu leicht geschlagen gegeben. Ganz im Gegenteil: Der gebürtige Hamelner schrieb im Achtelfinale gegen den Slowenen Bojan Tokic Olympia-Geschichte. Der erste Satz, normalerweise bei elf Punkten bei zwei Zählern Vorsprung beendet, dauerte mehr als eine halbe Stunde - und ging am Ende mit 33:31 an Ovtcharovs Gegner. Der Deutsche sicherte sich danach zwar das Match noch mit 4:1, nur um dann in der nächsten Runde ausgerechnet gegen seinen Teamkollegen von Fakel Orenburg und Kumpel Wladimir Samsonow auszuscheiden.
Hatte ihre Mitspielerin Stapenhorst noch Glück im Unglück, erwischte es Hockeyspielerin Annika Sprink (r.) zum ungünstigsten Zeitpunkt - und zwar richtig. Beim Halbfinal-Aus gegen Neuseeland zog sich die Verteidigerin einen Riss des vorderen Kreuzbandes im linken Knie zu. Die 20-Jährige war so beim Gewinn der Bronzemedaille nur Zuschauerin. Aber auch nur bis zu den Feierlichkeiten: Sprink ließ ihre Krücken fallen und ihre Teamkolleginnen trugen sie auf dem Rücken zur Party mit den Fans.
Deutschlands Hockey-Torhüterin Kristina Reynolds lieferte im gesamten Turnier eine tolle Leistung ab - doch im Halbfinale gegen die Niederlande verlor sie einmal ganz unglücklich den Überblick: Nachdem sie ihre Mannschaft mit tollen Paraden ins Penaltyschießen gerettet hatte, wehrte sie dort beim "Matchball" für Deutschland tatsächlich den Schuss einer Niederländerin ab. Doch dass der Ball nach vorne wegsprang, realisierte die Keeperin in dem Moment nicht. Sie drehte sich um die eigene Achse, was die Niederländerin zum Nachschuss ins leere Tor nutzte. Der Rest der Geschichte: Deutschland verlor schließlich das Penaltyschießen, gewann anschließend im Spiel um Platz drei aber noch versöhnlich Bronze.
Angreist mit großen Medaillenhoffnungen, erlebte Lena Schöneborn im Modernen Fünfkampf eine riesige Enttäuschung. Die Olympiasiegerin von 2008 musste beim Springreiten alle Hoffnungen auf einer Wiederholung des Peking-Triumphs aufgeben: Mit dem ihr zugelosten Pferd Legende erlebte die Bonnerin im Parcours ein regelrechtes Debakel. "Null Punkte hatte ich vielleicht mal vor acht Jahren. Schlimmer geht nimmer", zog sie im Anschluss völlig enttäuscht Bilanz.
Freud und Leid liegen im Sport so eng zusammen - das erfuhr auch Elisabeth Seitz bei den Olympischen Spielen am eigenen Leib. Die Turnerin aus Stuttgart zeigte am Stufenbarren eine tolle Darbietung und hoffte auf Bronze. ...
... Ihre Konkurrentin um den dritten Platz war allerdings ausgerechnet ihre Teamkollegin Sophie Scheder (r.), die bereits eine fehlerfreie Darbietung gezeigt hatte. Als dann die Wertung der Punktrichter aufleuchtete, stand fest: Seitz hatte Scheder nicht mehr überholen können und landete auf Platz vier - mit genau 0,033 Punkten Rückstand. Die Freude bei der 19 Jahre alten Bronzemedaillengewinnerin war groß, doch auch im Moment des Erfolgs vergaß sie ihre Freundin nicht: "Ich hätte es Elli genauso gegönnt", versuchte sie die viertplatzierte Seitz zu trösten.