Marcel Nguyen - Aus Erfahrung gut
Steckbrief
in München
Größe: 167 cm
Gewicht: 58 kg
Verein: KTV Straubenhardt
Trainer: Kurt Szilier
Beruf: Sportsoldat
Sportliche Eckdaten
Größte Erfolge
Olympische Spiele:7. Platz 2016 (Mannschaft)
Silber 2012 (Mehrkampf)
Silber 2012 (Barren)
7. Platz 2012 (Mannschaft)
8. Platz 2012 (Boden)
4. Platz 2008 (Mannschaft)
Weltmeisterschaften:
7. Platz 2017 (Barren)
9. Platz 2015 (Mannschaft)
8. Platz 2011 (Mehrkampf)
12. Platz 2009 (Mehrkampf)
Bronze 2007 (Mannschaft)
Europameisterschaften:
Bronze 2016 (Barren)
Gold 2012 (Barren)
Gold 2011 (Barren)
Bronze 2011 (Reck)
Gold 2010 (Mehrkampf/Mannschaft)
Bronze 2010 (Boden)
Silber 2008 (Mehrkampf/Mannschaft)
Jetzt trägt er als Chef der deutschen Kunstturn-Kompanie die Verantwortung: Jahrelang stand Marcel Nguyen in Schatten von Fabian Hambüchen. Doch seit dem Rücktritt des Reck-Olympiasiegers ist der gebürtige Münchner die unbestrittene Nummer eins von Bundestrainer Andreas Hirsch und darf die Riege des Deutschen Turner-Bundes (DTB) auch bei den Europameisterschaften in Glasgow anführen. Der Routinier ist sogar äußerst zuversichtlich, was den Teamwettbewerb betrifft: "Gold ist wahrscheinlich unrealistisch. Die Russen sind schon die stärkste Nation momentan. Aber wir können um eine Medaille kämpfen", sagte der 30-Jährige der "Rheinischen Post".
Chancen auch am Barren
Am Barren macht sich Nguyen selbst Hoffnungen auf einen Platz auf dem Podium: "Es gehört aber immer auch ein bisschen Glück und Tagesform dazu." Zweimal, 2011 in Berlin und 2012 in Montpellier, war der Bayer bereits Europameister an diesem Gerät. Bei den Olympischen Spielen in London 2012 gewann er sowohl am Barren als auch im Mehrkampf die Silbermedaille. Für Experten und Ästheten gilt er ohnehin seit jeher als einer der elegantesten Kunstturner weltweit, der auch bei schwierigsten Elementen weiß, dies zu demonstrieren. Immer klappt das natürlich nicht. Wie jüngst bei der Generalprobe für die kontinentalen Titelkämpfe, als er beim Vierländerkampf in Baiersbronn selbst am Barren, seinem Lieblingsgerät, ungewohnte Schwächen und Fehler offenbarte. Sogar auf den üblichen Tsukahara-Abgang verzichtete er.
Verewigt mit dem "Nguyen"
Optimal war es auch bei seinen dritten Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 nicht gelaufen. Das Barren-Finale verpasste Nguyen hauchdünn um 0,001 Punkte. Dennoch sorgte er in Brasilien mit einer Weltneuheit für Furore, die seither als "The Nguyen" im Code de Pointage des Weltverbandes FIG fester Bestandteil des Regelwerks ist. "Damit habe ich mich im Turnsport verewigt", sagte er nach der im Teamfinale gelungenen Barren-Premiere mit "Felge aus dem Seitverhalten und Dreiviertel-Drehung". Platz sieben belegte die deutsche Mannschaft wie in London vier Jahre zuvor - vor allem weil sein bester Freund, Andreas Toba, trotz eines Kreuzbandrisses noch wichtige Punkte am Pauschenpferd holte.
Rückschläge gehören dazu
Von schweren Verletzungen blieb der Sohn eines Vietnamesen und einer Deutschen, der mit vollem Namen Van Minh Phuc Long Nguyen heißt, ebenfalls nicht verschont. So verpasste er die WM im chinesischen Nanning 2014 wegen eines Kreuzbandrisses. Auch die WM in Rotterdam vier Jahre zuvor fand ohne ihn statt. Bei einem Testländerkampf in Schaffhausen war er am Boden beim Dreifach-Tsukahara umgeknickt: Wadenbein gebrochen. Vom heimischen Krankenlager aus musste er zusehen, wie seine Mannschaftskollegen die Bronzemedaille gewannen. "Das war scheiße für mich", sagte er der "Stuttgarter Zeitung" und bekannte: "Ich war so fit."
Erste Medaille nach 76 Jahren
Doch Nguyen kam zurück - stärker denn je. Bei der Heim-EM 2011 in Berlin gewann er die Goldmedaille am Barren als erster Deutscher nach Helmut Bantz 1955. Überdies holte er Bronze am Reck. Ein Jahr später verteidigte er in Montpellier den Europameister-Titel am Barren. Der größte Erfolg aber sollte 2012 in London mit den Silbermedaillen im Einzelwettkampf am Barren und im Einzel-Mehrkampf folgen. Hinter dem japanischen Olympiasieger Kohei Uchimura holte er die erste Medaille für einen männlichen deutschen Turner in dieser Disziplin seit 76 Jahren. In Berlin 1936 waren Alfred Schwarzmann (Gold) und Konrad Frey Gold (Bronze) erfolgreich gewesen.
"Der Stärkste unter den Starken"
Fast ein Jahrzehnt lang prägte Nguyens sportliche Rivalität mit dem nationalen Aushängeschild Hambüchen die deutsche Turnszene. Nach seinem ersten Mehrkampf-Titel bei den deutschen Meisterschaften 2010 änderte sich das Bild allerdings - zumindest zeitweise. Die "Stuttgarter Zeitung" titelte damals: "Nguyen - der Stärkste unter den Starken". Nach Olympia 2012 wurde er zum Turner des Jahres gekürt und kam bei der Wahl zum Sportler des Jahres hinter Diskus-Olympiasieger Robert Harting und Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel auf den dritten Platz. Zudem feierte er in der Saison 2012/2013 als komplettester Turner den Gesamtsieg im Mehrkampf-Weltcup.
Kreischalarm in Asien
Bei den deutschen Meisterschaften im Rahmen des Deutschen Turnfestes 2017 sicherte sich Nguyen jeweils seinen siebten Titel am Barren und an den Ringen. Er zählt damit zu den besten deutschen Turnern der Geschichte an diesen Geräten. Ein Star, der die Fans zum Kreischen bringt und Sponsoren lockt, ist Nguyen insbesondere in Asien: "Ich habe da so viele coole Sachen erlebt. Dass es so krass werden könnte, hätte ich nie gedacht", sagte der Athlet, der bis 2014 Sportsoldat war, dann an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Betriebswirtschaftslehre studierte und inzwischen nach eigenen Angaben ganz gut von seinem Sport leben kann.
Stand: 30.07.18 12:19 Uhr