Speerwurf

Paralympics-Speerwurf: Nerius hat bei Talent Petersen ein gutes Gefühl

von Florian Neuhauss

Lise Petersen ist das Küken im deutschen Paralympics-Team. Bei der Teenagerin gerät sogar die ehemalige Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius ins Schwärmen.

Wer mit gerade einmal 16 Jahren die Paralympics-Bühne betritt, macht das nicht zufällig. Dahinter steckt meist großes Talent und ein ausgeklügelter Plan. Lise Petersen wusste schon mit zehn ganz genau, was sie will: "Ich möchte mal die Paralympics gewinnen", sagte die Schleswig-Holsteinerin im ersten Interview ihres Lebens am NDR Mikrofon.

Das Ziel war klar, der Weg dahin allerdings lang und unabsehbar - zumal das sportbegeisterte Mädchen sich noch lange nicht auf eine Disziplin festgelegt hatte: Laufen, Springen, Werfen, dazu Handball und Surfen. Noch 2020 gewann sei bei einem Meeting in Erfurt mit dem Speer, wurde Zweite im Weitsprung und Dritte über die 60 m.

2019 U17-Weltmeisterin mit dem Speer

Nachdem sie im Jahr zuvor aber bereits die U17-Konkurrenz der Speerwerferinnen bei der Junioren-WM gewonnen hatte, war der Fokus scharf gestellt: Als Speerwerferin sollte es zu den Paralympics gehen - allerdings zu den Spielen 2024 in Paris. Auch wenn sich Petersen selbst als positiv denkenden Menschen beschreibt, dass auf einmal ihr Name bei der Bekanntgabe der Mannschaft für Tokio auf dem Bildschirm auftauchte, hatten sich weder sie noch ihre Trainerin Sara Grädtke in ihren Träumen ausgemalt.

"Ich habe mir den Livestream eigentlich nur angesehen, weil ich wissen wollte, ob meine Freundin Merle Menje nominiert wird", blickt die 16-Jährige zurück. Die Freude über die Berufung der auch nur ein Jahr älteren Freundin wollte Mutter Petersen mit dem Smartphone festhalten. Am Ende wurde daraus ein Video, das bei Instagram viral ging.

Wie alle anderen Athletinnen und Athleten aus dem Perspektivkader des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) hatten auch Petersen und Menje die Akkreditierungsunterlagen für Tokio ausgefüllt - sich aber nichts weiter dabei gedacht. "Und auf einmal waren wir beide nominiert", sagt Petersen lachend. Die Freundinnen telefonierten umgehend miteinander, klar, dass sie sich auch im paralympischen Dorf ein Zimmer teilen.

"Es macht wirklich Spaß, die Jungen im Team dabei zu haben"

"Es ist extrem wichtig, mit wem man bei so einer Veranstaltung auf dem Zimmer ist", weiß DBS-Teammanager Jörg Frischmann. Gerade für junge Sportlerinnen und Sportler gebe es sehr viel zu verarbeiten und zu besprechen. "Lise und Merle sind richtig gut in der Mannschaft angekommen. Es macht wirklich Spaß, die Jungen im Team zu haben."

Dabei ist die Situation für Petersen nicht einfach. Einerseits konnte sie zunächst wegen Oberschenkelproblemen gar nicht trainieren. Andererseits muss sie mit am längsten auf ihren Wettkampf warten, der erst am Freitag (3.9.2021) ansteht, während Menje in ihrem Rennrollstuhl gleich vier Starts hat.

"Extra-Motivation" durch Verabschiedung des Bundespräsidenten

Doch Petersen saugt derweil alles auf. Angefangen mit der Verabschiedung am Flughafen in Frankfurt mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: "Das war schon krass. Er hat sich für jeden ein bisschen Zeit genommen. Das war noch mal Extra-Motivation." Über die Eröffnungsfeier: "Allein das war auf jeden Fall schon ein Erlebnis." Bis hin zum Leben im paralympischen Dorf: "Die Stimmung im Dorf ist mega. Es ist Wahnsinn, das Ganze jetzt erleben zu dürfen!"

Alles sei viel größer, als sie es sich vorgestellt hatte. Aber auch wenn die Schülerin mittlerweile schon seit mehr als einer Woche vor Ort ist - dass sie selbst aktiv bei den Paralympics dabei ist, sei noch nicht "richtig real".

Verschiebung der Spiele entscheidender Vorteil

Alles möglich gemacht hat erst die Corona-Pandemie. Während andere Athleten ächzten, verschaffte die Verschiebung der Spiele ihr die nötige Zeit, den Schritt von den Juniorinnen hin in den Erwachsenenbereich zu machen. Obwohl der Speer 100 Gramm schwerer ist, kommt sie schon fast wieder an ihre alte persönliche Bestweite heran.

Trainerin Nerius: "Persönliche Bestleistung wäre mega"

Trotzdem galt es nach der Nominierung, schnell zu planen, um die verbleibenden vier Wochen bis zum Abflug bestmöglich zu nutzen. Zwei Wochen blieb sie noch im heimischen Schleswig-Holstein, dann ging es für den Feinschliff nach Leverkusen, wo keine Geringere als Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius noch mit dem Talent arbeitete.

"Lise versteht, wie Speerwurf funktioniert und wie so ein Wurf aufgebaut ist. Sie kann die Hinweise richtig gut umsetzen und hat im Training wirklich gut geworfen", sagt die Silbermedaillen-Gewinnerin von Olympia 2004 in Athen. "Ich hoffe, dass sie die Nerven behält und ganz entspannt bleibt. Ich habe ein gutes Gefühl. Sie hat es drauf, in Tokio persönliche Bestleistung zu werfen. Wenn sie das schafft, wäre das einfach mega."

Aufgrund der Corona-bedingten Pause weiß Petersen die Konkurrenz kaum einzuschätzen. Rund um das Instagram-Video hat sie allerdings einen "krassen Support" erlebt. "Ich hoffe einfach nur, dass ich abliefern kann. Dann wäre bestimmt was drin und es könnte richtig spannend werden."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Paralympics Tokio 2020 | 01.09.2021 | 09:00 Uhr

Stand: 30.08.21 11:05 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge Volksrepublik China CHN 96 60 51
2. Flagge Großbritannien GBR 41 38 45
3. Flagge USA USA 37 36 31
4. Flagge Russisches Paralympisches Komitee RPC 36 33 49
5. Flagge Niederlande NED 25 17 17
6. Flagge Ukraine UKR 24 47 27
7. Flagge Brasilien BRA 22 20 30
8. Flagge Australien AUS 21 29 30
...
12. Flagge Deutschland GER 13 12 18
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