Blankers-Koen - Die "fliegende Hausfrau"
Hausfrau, Mutter - und Weltrekordlerin: So kommt Fanny Blankers-Koen zu den Spielen nach London. Und gewinnt viermal Gold in der Leichtathletik. Mehr lässt das Reglement für Frauen nicht zu. Die Niederländerin muss sich für höchstens vier Disziplinen entscheiden - und wählt die Sprintstrecken: 100 Meter, 200 Meter, 80 Meter Hürden und die 4x100 Meter-Staffel. Auf ihre Weltrekord-Disziplinen Weitsprung und Hochsprung verzichtet sie notgedrungen. Elf Starts innerhalb von acht Tagen, nicht eine Niederlage: erfolgreicher als die "fliegende Hausfrau" 1948 mit vier Goldmedaillen ist seither keine Leichtathletin bei Olympischen Spielen mehr gewesen.
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Geschichte
Das war Olympia 1948
Babysitting beim Training
Interesse am Sport findet Fanny Blankers-Koen schon mit 14; ihr Sportlehrer schickt sie zur Leichtathletik. 1935 stellt sie ihren ersten niederländischen Rekord auf - über 800 Meter. Bei dieser Veranstaltung entdeckt sie der frühere Dreispringer und Sportjournalist Jan Blankers. Unter seiner Obhut entwickelt sich das Multi-Talent so schnell wie es läuft: Bei den Spielen in Berlin rennt sie 18-jährig mit der 4x100-m-Staffel auf Rang fünf, im Hochsprung wird sie Sechste. Mitten in den Kriegswirren heiratet Francina Elsje Koen ihren Trainer; zwei Kinder gehen aus der Ehe hervor. Einen Babysitter hat Fanny nicht - also kommen die Kinder immer mit ins Stadion, wo dreimal die Woche trainiert wird. Mit Erfolg: Bei den Europameisterschaften 1946 in Oslo holt Fanny zweimal Gold - über 80 Meter Hürden und mit der niederländischen Sprint-Staffel.
Rekord-Vorsprung für die Ewigkeit
Eigentlich ist sie 1948 mit 30 schon zu alt. Tatsächlich ist sie aber in London in der Form ihres Lebens. Sie gewinnt nicht einfach; sie distanziert ihre Konkurrenz. Über 200 Meter legt sie sieben Zehntelsekunden zwischen sich und die Zweitplatzierte, die Britin Audrey Williamson. Es wird der größte Vorsprung in der olympischen Geschichte über 200 Meter der Frauen bleiben. Selbst die ebenso legendäre wie umstrittene Florence Griffith-Joyner (USA) hat bei ihrem Fabel-Weltrekord 1988 in Seoul "nur" 38 Hundertstel Abstand zur Zweitplatzierten. Dabei wollte Fanny wegen Erschöpfung zum Finale gar nicht mehr antreten. Auch die Staffel hat es in sich: Mit über fünf Metern Rückstand wird Blankers-Koen auf die letzten hundert Meter geschickt. Dann beginnt ihr unglaublicher Lauf. Erst überrennt sie die Dänin Nissen, dann die Britin Gardner und die Kanadierin Jones, und wenige Meter vor dem Ziel holt sie auch die Australierin King noch ein. "The Flying Dutchmam", wie die internationale Presse sie nennt, ist der Star der Spiele.
Leichtathletin des Jahrhunderts
1953 beendet Fanny Blankers-Koen als eine der erfolgreichsten Leichtathletinnen aller Zeiten nach 20 Jahren ihre Karriere, während der sie nicht weniger als zwölf Weltrekorde in neun verschiedenen Disziplinen auf- und neun weitere einstellt. 1999 wählt der Leichtathletik-Weltverband IAAF die Niederländerin zur "Leichtathletin des Jahrhunderts". Das FKB-Stadion in Hengelo trägt zu ihrem Gedenken den Namen der so bodenständigen "fliegenden Hausfrau", die sich selbst nie als Vorreiterin für den Frauensport gesehen hat. "FKB", in ihren letzten Lebensjahren von Alzheimer heimgesucht, stirbt am 25. Januar 2004 im Alter von 85 Jahren.