Carl Schuhmann beim Pferdsprung © picture-alliance / ASA

Olympia-Geschichte

Carl Schuhmann - Der "kleine Apollo"

Turnen, Leichtathletik, Gewichtheben und Ringen: So vielseitig wie Carl Schuhmann 1896 war seither kein deutscher Olympionike mehr. Und so erfolgreich schon gar nicht. Dabei wollte die Deutsche Turnerschaft (DT) erst gar nicht, dass ihr Mitglied Schuhmann nach Athen fährt. Coubertins Idee, mehrere Sportarten zu vermischen und zum "Internationalismus" beizutragen, ist aus Sicht der Turnerschaft skandalös. Schuhmann reist trotzdem. Mit vier Berliner Kollegen tritt der gebürtige Münsteraner bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit an - und siegt im Pferdsprung sowie mit der Reck- und Barren-Mannschaft. Das ist noch nicht alles: Schuhmann geht auch im beidarmigen Stoßen der Gewichtheber an den Start (wo er Dritter wird) und nimmt am Weit-  und Dreisprung sowie am Kugelstoßen teil - wenn auch ohne Medaillenerfolg. Der Höhepunkt soll aber erst noch folgen - beim Ringen.

Geschichte

Das war Olympia 1896

Klein, aber oho!

Ringer-Olympiasieger Carl Schuhmann (li.) und sein Final-Gegner, der Grieche Antonios Tsitas © picture-alliance / dpa

Ringer-Olympiasieger Carl Schuhmann (li.) und sein Final-Gegner, der Grieche Antonios Tsitas.

In der offenen Gewichtsklasse wirkt der nur 1,63 m große Deutsche mit seinen 68 Kilogramm geradezu schmächtig gegenüber seinem ersten Gegner, dem Briten Launceston Elliott, der zuvor das Ein-Hand-Gewichtheben gewonnen hat. Doch Schuhmann holt Elliott nach fünf Minuten mit einem Hüftschwung von den Füßen. Zwei weiteren Gegnern ergeht es ähnlich, und schon steht Schuhmann im Finale - gegen den Griechen Georgios Tsitas.

Das Publikum tobt. Einerseits will man einen griechischen Sieger sehen, andererseits feiert man schon den "kleinen Apollo", der erneut körperlich unterlegen scheint und deshalb auf eine Zermürbungstaktik setzt. Nach 40 Minuten scheint der Sieg für den Deutschen zum Greifen nahe, als der griechische König den Kampf mit Hinweis auf die einbrechende Dunkelheit abbricht. Seinen Landsmann rettet Seine Hoheit damit aber nicht: Am nächsten Tag braucht Schuhmann 25 Minuten, um den Griechen durch Oberarmzug auf die Schultern zu legen. Damit hat der kleinste Ringer den Wettbewerb gewonnen. "Sie sind der populärste Mann in Griechenland; Sie sind populärer als ich", gratuliert König Georg I. dem vielseitigen Deutschen. 

Sieger ohne Gold

Schuhmann ist der erste deutsche Olympiasieger, eine Goldmedaille hält er allerdings nie in der Hand. Denn bis 1904 gibt es für Platz eins lediglich einen Ölzweig und eine Medaille aus Silber. Einige Jahre nach seinem Olympiasieg wandert der beliebte Athlet nach Großbritannien aus und wird dort Turnlehrer, während des Ersten Weltkriegs wird er interniert und organisiert Turnstunden für seine Mitgefangenen. 1919 lässt er sich endgültig in Berlin nieder. Seinen vielleicht wichtigsten Kampf verliert er. Während des NS-Regimes versucht er, Alfred Flatow, der mit ihm 1896 Olympiasieger wurde, vor den Nazis zu retten. Vergeblich. Flatow wird 1942 im KZ Theresienstadt ermordet. Schuhmann stirbt am 24. März 1946 im Alter von 77 Jahren in Berlin.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr