Der zur Weltausstellung 1889 gebaute Eiffelturm in Paris © Roger Viollet/Getty Images

Paris 1900: Spiele unterm Eiffelturm

Sein Wunsch - seine Stadt: Olympia in Paris. So hat es sich IOC-Präsident Pierre de Coubertin vorgestellt, so bekommt er es. Aber seine olympische Idee geht unter - im Schatten der Weltausstellung unter dem Eiffelturm, als deren Begleitprogramm das sich über fünfeinhalb Monate hinziehende sportliche Geschehen aufgefasst wird. Eröffnungs- oder Schlussfeier? Fehlanzeige. Nicht nur Spaziergänger beobachten die Wettkämpfe eher zufällig; auch manche Sportler wissen - bis zu ihrem Tod - nicht, dass sie Olympia-Medaillengewinner sind. Autofahren, Kanonenschießen und Ballonfahren gehören nicht zum Programm. Das weiß aber niemand so genau, denn die Macher der Weltausstellung haben bereits vorher klargemacht, dass sie die Veranstaltung organisieren und Coubertin keinen Einfluss auf das Programm hat. Das behält der IOC-Boss aber für sich: Das Komitee, fürchtet er, könnte sich sonst in Kenntnis dieser peinlichen Niederlage für Athen als künftig einzigen Austragungsort der Spiele aussprechen.

Geschichte

Das war Olympia 1900

Kraenzlein "König der Spiele"

Vier Goldmedaillen in Einzeldisziplinen: Alvin Kraenzlein (USA/li.), hier beim Zieleinlauf im Sprint über 60 m © Popperfoto/Getty Images

Vier Goldmedaillen in Einzeldisziplinen: Alvin Kraenzlein (USA/li.).

Die Anlage des Racing Club de France im Bois de Boulogne, auf der die Leichtathleten antreten, hat es in sich: Läufer kommen auf der holprigen Grasbahn ins Straucheln, Werfer müssen ihre Geräte nach guten Versuchen in einem Wäldchen einsammeln, für die Weitspringer gibt es keine Grube, beim 400-m-Hürdenlauf fungieren Telefonmasten als Hindernisse. "König der Spiele" wird der US-Amerikaner Alvin Kraenzlein mit vier Goldmedaillen innerhalb von drei Tagen bei Lauf- und Sprungwettbewerben. Der 23-Jährige dominiert neben den 60 Metern und den beiden kurzen Hürdenstrecken (110 und 200 Meter) auch den Weitsprung - mit Anlauf. Dreifacher Sieger bei den Sprüngen aus dem Stand wird sein Landsmann Ray Ewry - an nur einem Tag. Ansonsten dominieren die Franzosen mit 101 Medaillen (26 Gold-/41 Silber-/34 Bronzeplaketten) die Nationenwertung vor den USA und Großbritannien, das in Tennis-Grazie Charlotte Cooper die erste Olympiasiegerin der Geschichte stellt. Auch im Radsport gelten die Gastgeber als Favoriten, aber die Entscheidung der Veranstalter, Profis und Amateure gemeinsam starten zu lassen, führt zum Eklat mit den IOC-Vertretern. Am Ende werden von 30 Rad-Disziplinen 29 gestrichen. Das 2000-Meter-Zeitfahren gewinnt der Franzose Georges Taillandier.

Jüngster Olympiasieger unbekannt

Geradezu abenteuerlich muten die Schwimmwettbewerbe an, die sämtlich in der Seine ausgetragen werden. Beim 200-m-Hindernisschwimmen müssen die Teilnehmer zuerst über eine Stange und eine Bootsreihe klettern und dann unter weiteren Booten hindurch tauchen. Beim Unterwasserschwimmen gibt es Punkte für jeden unter Wasser geschwommenen Meter und jede untergetauchte Sekunde. Es siegt der Franzose Charles de Ville mit 60 Metern und 1:08 Minuten, also 188 Punkten. Clever rechnen können die niederländischen Ruderer: Nach dem Motto "Weniger Gewicht = größere Schnelligkeit" tauschen sie im Zweier mit ihren angestammten Steuermann kurzerhand gegen einen etwa sieben Jahre alten französischen Jungen aus. Der wird so zum jüngsten Olympiasieger aller Zeiten, bleibt aber unbekannt. Niemand notiert seinen Namen.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr