Thomas Bach (l.) und Craig Reedie © picture alliance / dpa

Anti-Doping-Kampf: Kritik an IOC und WADA wächst

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) sehen sich harscher Kritik der eigenen Athletenkommissionen ausgesetzt. Laut der britischen Tageszeitung "The Guardian" haben die Deutsche Claudia Bokel, Vorsitzende der IOC-Athletenkomission, und Beckie Scott, Vorsitzende des WADA-Athletenkomitees, einen gemeinsam unterzeichneten Brief an IOC-Präsident Thomas Bach und WADA-Chef Craig Reedie geschickt. "Unser Vertrauen ist erschüttert", wird aus dem Brief zitiert. Die bisherigen Vorgehensweisen des IOC und der WADA im Anti-Doping-Kampf hätten sich als unzureichend erwiesen.

Entscheidung über Russlands Leichtathleten am Freitag

Im Fokus stehen seit Monaten vor allem die russischen Leichtathleten, die derzeit von allen internationalen Wettbewerben ausgeschlossen sind. Am Freitag entscheidet der Weltverband IAAF in Wien, ob russische Leichtathleten bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro starten dürfen. Vielfach wird sogar der Ausschluss der kompletten russischen Mannschaft gefordert, auch von Scott. Die ehemalige Weltklasse-Skilangläuferin warnte vor irreparablem Schaden, sollte den Russen erlaubt werden, an den Olympischen Spielen in Rio teilzunehmen. "Wir stehen an einer Kreuzung. Wir haben viele belastende Beweise, und wir haben entsprechend zu handeln. Wir laufen Gefahr, dass Vertrauen der Öffentlichkeit in den Sport zu verlieren", sagte die Kanadierin Scott "The Guardian".

Auch britische Athleten appellieren an die WADA

Laut der Zeitung haben Bokel und Scott ihren Brief im Mai geschickt, nachdem der ehemalige Leiter des russischen Anti-Dopinglabors, Gregori Rodtschenkow, von systematischem Doping und entsprechenden Vertuschungsmaßnahmen während der Winterspiele in Sotschi 2014 berichtet hatte. Hunderte saubere Athleten hätten sich gemeldet und gefordert, dass mehr getan werde, um einen sauberen Sport zu garantieren, so Bokel und Scott in ihrem Brief. Ein ähnliches Schreiben haben zuletzt fast 600 olympische und paralaympische Athleten aus Großbritannien an die WADA geschickt.

Neue WADA-Vorwürfe gegen Russland

Die kritisierte Welt-Anti-Doping-Agentur erhob kurz vor der IAAF-Entscheidung erneut schwere Vorwürfe gegen Russland. Laut einem am Mittwoch veröffentlichten WADA-Bericht hätten zwischen dem 15. Februar und 29. Mai insgesamt 736 geplante Dopingkontrollen aus verschiedenen Gründen nicht durchgeführt werden können. So sollen Dopingkontrolleure in Russland von Athleten massiv behindert und von Beamten des russischen Geheimdienstes FSB eingeschüchtert worden sein. Davon hatte auch ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt in seiner jüngsten Dokumentation "Geheimsache Doping - Showdown in Russland" berichtet. Zudem seien Pakete mit Dopingproben vom russischen Zoll manipuliert worden. Außerdem hätten Athleten falsche Angaben über ihren Aufenthaltsort gemacht und hätten versucht, Dopingtests bei Wettbewerben zu umgehen. So hätten zum Beispiel Athleten als Aufenthaltsort oft militärische Einrichtungen angegeben, zu denen man aber nur mit einer Sondergenehmigung den Zutritt erhält.

Versuchte Bestechung eines Dopingkontrolleurs?

Laut WADA habe in einem Fall sogar eine Leichtathletin versucht, eine gefälschte Urinprobe abzugeben - mit Hilfe eines "im Körper eingeführten Behälters". Als sie mit dem versteckten Urinbeutel erwischt wurde, soll sie versucht haben, den Kontrolleur zu bestechen. Die daraufhin korrekt durchgeführte Kontrolle fiel positiv aus. Eine weitere Athletin entzog sich einer Wettkampfkontrolle, indem sie während ihres Rennens das Stadion verließ und nicht mehr aufzufinden war. Auch hätte die WADA Informationen darüber erhalten, dass bei einer nationalen russischen Ringer-Meisterschaft Athleten ein "Labor mit Zentrifugen und anderen Analysegeräten" verwendet hätten.

Mutko: Bitte erst ankündigen, dann kontrollieren

Russlands Sportminister Witali Mutko sagte internationalen Dopingkontrolleuren freien Zugang zu allen Städten des Landes zu, sie sollen staatliche Stellen aber rechtzeitig informieren. "Wenn Dopingkontrolleure Hilfe von der Regierung brauchen, sollen sie uns Bescheid sagen", sagte Mutko der Nachrichtenagentur Interfax: "Wir werden alles Mögliche tun, damit Kontrolleure jede Stadt besuchen können. Sie müssen uns nur informieren - aber wartet damit nicht bis zur letzten Minute!" Ein Grundsatz eines erfolgreichen Anti-Doping-Kampfes ist die Möglichkeit, ohne jegliche Vorankündigung jederzeit kontrollieren zu können.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 16.06.16 12:34 Uhr