Der schwedische Golfer Henrik Stenson beim Training auf der Olympia-Anlage in Rio de Janeiro. © imago Foto: Bildbyran

Golf

Golfer feiern ein holpriges Olympia-Comeback

von Matthias Cammann, ARD Golf-Reporter

Die besten Profi-Golfer fehlen bei Olympia. Den Sport deshalb gleich wieder aus dem Programm zu nehmen, wäre trotzdem der falsche Schritt. Das zeigt nicht zuletzt das Beispiel Tennis.

Zugegeben - Golf gibt bei seiner Rückkehr ins olympische Programm nach 112 Jahren kein gutes Bild ab. Wenn die ersten Vier der Herren-Weltrangliste nicht am Start sind - ob aus Desinteresse oder angeblich aus Furcht vor dem Zika-Virus -, dann ist das natürlich eine Ohrfeige für all jene, die sich dafür einsetzen, dass Golf weltweit noch mehr beachtet wird und sein Image als Elitesport los wird. Und wenn Rory McIlroy, einer dieser vier besten Golfer der Welt, sagt, für ihn zählt nur, Major-Turniere (vergleichbar mit Grand-Slam-Turnieren im Tennis) zu gewinnen und es sei nicht seine Aufgabe, die Sportart Golf voranzubringen, ist das ein weiterer Schlag in die Magengrube.

Kaymer: "Die Erfüllung eines großen Traums"

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist: Viele Topstars der Branche sind in Rio am Start, und das mit großer Begeisterung. Bestes Beispiel: Martin Kaymer. Für den zweimaligen Major-Sieger war die Teilnahme an den Olympischen Spielen von vornherein "die Erfüllung eines großen Traums". Angesprochen auf die Wertigkeit im Vergleich zu den vier großen Events (US Masters, US Open, British Open und PGA Championships) stellte Kaymer fest: "Ein Major kann ich viermal im Jahr gewinnen, eine olympische Medaille nur einmal alle vier Jahre."

Und Kaymer ist mit dieser Haltung nicht allein. Der zweite Deutsche im olympischen Männerfeld, Alex Cejka, erinnert sich an seine Jugend, als er mit seinen Brüdern vor dem Fernseher saß und sogar die Schule geschwänzt hat, um die Wettkämpfe zu sehen. Nun sei es "eine Ehre" für ihn, dabei sein zu dürfen.

Harrington wird zum Olympia-Touristen

Auch internationale Superstars wie der charismatische Spanier Sergio Garcia, das Vorbild vieler Jugendlicher, Rickie Fowler und der Schwede Henrik Stenson, vor ein paar Wochen Sieger der British Open, waren Feuer und Flamme, für ihr Land bei Olympia zu starten. Der Ire Padraig Harrington, immerhin dreimaliger Major-Sieger, hat sich sogar intensiv für die Rückkehr von Golf ins olympische Programm engagiert. Und nach seinem Wettkampf hat er eine Woche Urlaub genommen, um sich in Rio Turnen, Bahnrad und Tischtennis anzuschauen. Dafür verzichtet er auf ein wichtiges und lukratives Turnier in den USA. Es geht also auch anders.

Alle Top-Golferinnen in Rio am Start

Stacey Lewis © picture-alliance

Stacey Lewis ist eine der Favoritinnen auf eine Medaille.

Und wieso sprechen eigentlich alle immer nur von den Männern? Die Situation bei den Frauen ist nämlich ganz anders. Mit der Südafrikanerin Lee-Anne Pace hat nur die Nummer 37 der Weltrangliste aus persönlichen Gründen abgesagt. Alle anderen Top-Spielerinnen sind am Start. Stacey Lewis aus den USA, eine der Favoritinnen auf eine Medaille, tun die Männer, die freiwillig auf einen Start verzichten, dann auch eher leid. Sie sagt: "Einige werden sich später bestimmt noch ärgern, nicht dabei gewesen zu sein."

Die Frauen, darunter die beiden Deutschen Sandra Gal und Caroline Masson, wollen Olympia einerseits persönlich nutzen, andererseits ihre Sportart weiter promoten. Mit dem Solheim Cup (Pendant zum Ryder Cup bei den Männern) im vergangenen Jahr in Deutschland sind die Frauen erstmals aus dem langen Schatten der Männer getreten. Vielleicht machen sie jetzt in Rio sogar einen Schritt ins gleißende Licht der Öffentlichkeit. Bis auf die Länge der Schläge und die mediale Aufmerksamkeit sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen beim Golf sowieso nicht so groß.

Golf ist das neue Tennis

Andy Murray

An Tennisprofis wie Andy Murray können sich die Golfer ein Vorbild nehmen.

Golf hätte sicher ein positiveres Comeback in der olympischen Familie feiern können. Aber erinnern wir uns an die Anfänge des Tennis nach langer Pause im olympischen Programm. 1988 in Seoul fehlten bei den Herren auch zahlreiche Spieler der Top Ten. Unter anderem Ivan Lendl, John McEnroe, Mats Wilander und ein gewisser Boris Becker. Der sagt übrigens heute, dass er in der Achtung seiner Kinder deutlich gestiegen sei, seit sie wissen, dass er (vier Jahre später) 1992 in Barcelona Doppel-Gold mit Michael Stich gewonnen hat. Ein anderer Beleg für die Wertschätzung von Olympia im Herren-Tennis: eine Auswahl der Goldmedaillengewinner seit 1988: Andy Murray, Rafael Nadal, und Andre Agassi. Und heute? Heute zerreißt es dem vermutlich Besten aller Zeiten, dem Schweizer Roger Federer, fast das Herz, dass er wegen einer Knieverletzung in Rio nicht an den Start gehen kann. So ändern sich die Zeiten.

Also, die Stimmen derer, die schon jetzt verlangen, bei so viel Geringschätzung der männlichen Topstars für Olympia Golf wieder aus dem Programm zu nehmen oder etwa nur Amateure an den Start zu schicken, sind etwas voreilig und werden vor allem den Frauen nicht gerecht.

Man könnte auch Franz Beckenbauer (übrigens ein begeisterter und guter Golfer) frei zitieren: "Lasst sie doch erstmal spielen!"

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 10.08.16 07:39 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 46 37 38
2. Flagge Großbritannien GBR 27 23 17
3. Flagge Volksrepublik China CHN 26 18 26
4. Flagge Russland RUS 19 17 20
5. Flagge Deutschland GER 17 10 15
6. Flagge Japan JPN 12 8 21
7. Flagge Frankreich FRA 10 18 14
8. Flagge Südkorea KOR 9 3 9
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