Die deutsche Radfahrerin Trixi Worrack vor ihrem Rennen in Rio de Janeiro. © DPA Picture Alliance Foto: Sebastian Kahnert

Radsport

Trixi Worrack und das Radsport-Wunder

von Bettina Lenner, sportschau.de

Trixi Worrack musste im Frühjahr nach einem schweren Sturz eine Niere entnommen werden. Keine fünf Monate nach dem verhängnisvollen Crash erlebt sie nun in Rio ihre vierten Olympischen Spiele. Die Geschichte eines Radsport-Wunders.

Trixi Worrack hat Glück gehabt. Als sie am Sonntag (07.08.2016) im Straßenrennen der Frauen bei der Abfahrt rund zehn Kilometer vor dem Ziel an der Stelle vorbeirast, wo Annemiek van Vleuten zuvor schwer gestürzt war, ist die Niederländerin schon auf dem Weg ins Krankenhaus. Die erste Diagnose: schwere Gehirnerschütterung und Brüche im Lendenwirbelbereich. Der Anblick der zunächst bewusstlos am Boden liegenden Disziplin-Kollegin hätte bei Worrack wohl schlimme Erinnerungen geweckt. Denn erst im vergangenen März war die gebürtige Cottbuserin bei einem Eintagesrennen in Norditalien am Ende einer Abfahrt in einer Kurve über eine andere Fahrerin gestürzt. Ein Unfall, wie er im Radsport dutzendfach vorkommt. Doch die Folgen waren dramatisch.

Niere in einer Notoperation entfernt

Worrack bekam höllische Schmerzen in der linken Hüfte, einer genauen Untersuchung folgte die Schockdiagnose: Die linke Niere war dreifach gerissen - und musste in einer Notoperation umgehend entnommen werden. Die Radsportlerin hatte viel Blut im Bauch, die Situation war lebensbedrohlich. Als sie nach dem Eingriff erfuhr, dass eine Niere entfernt worden war, sei das "ein Schock" gewesen, schilderte sie: "Die erste Woche nach der OP habe ich gedacht, die Karriere ist zu Ende."

Gradioses Comeback und deutscher Meistertitel

Die deutsche Radfahrerin Trixi Worrack (l.) trinkt aus der Flasche. © DPA Picture Alliance Foto: AP Images

Beatrix "Trixi" Worrack erlebt in Rio ihre vierten Sommerspiele.

Doch Resignation ist die Sache der viermaligen Team-Weltmeisterin nicht. Ihre Heilung verlief erstaunlich gut, ein normales Leben ohne Einschränkungen lautete das erste erklärte Ziel. Als das erreicht war, reifte zügig der Entschluss, aufs Rad zurückzukehren - und schließlich die Olympischen Spiele in Rio in Angriff zu nehmen. 83 Tage nach dem folgenschweren Crash feierte sie ihr Comeback, Ende Juni gewann sie bei den deutschen Meisterschaften in Thüringen das Einzelzeitfahren. Eine Sensation - und die Bestätigung, "dass ich wirklich nach Rio gehöre", sagte sie dem "Tagesspiegel".

"Dieses Jahr ist es etwas Besonderes"

Am Zuckerhut erlebt die 34-Jährige nun ihre vierten Olympischen Spiele - und genießt in vollen Zügen. "Dieses Jahr ist es etwas Besonderes, weil ich nicht gedacht hätte, überhaupt noch einmal am Start zu stehen", sagte sie sportschau.de nach dem Straßenrennen, das sie auf Rang 43 abschloss. Auch, weil der einst so ehrgeizigen Siegfahrerin Rennkilometer fehlen: "Auf der Flachen merke ich's nicht, aber am Berg schon, da kann ich einfach nicht mithalten. Aber das wusste ich vorher."

"Am besten guckt man nicht hin"

Mit nur einer Niere muss die zierliche Blonde auf den Körper Rücksicht nehmen. "Ich mache jetzt öfter einen Tag mehr in der Woche frei, weil ich mich im Moment noch ein bisschen schlecht erhole", berichtete sie: "Ich weiß nicht, ob es an der OP liegt oder jetzt mit einer Niere so bleiben wird. Das kann ich noch nicht einschätzen." Ein wenig Angst fährt immer mit. "Aber ich verdränge das", so die deutsche Meisterin. Berufsrisiko nennt sie die möglichen Stürze im Radsport und ihre Folgen: "Man hofft natürlich immer, dass das nicht passiert. Aber es kann passieren. Und dann guckt man am besten nicht hin." Sie selbst sei in die Kurven der Abfahrt von der berüchtigten Vista Chinesa hinunter, wo der Horror-Sturz der in Führung liegenden van Vleuten geschah, "vorsichtig reingefahren. Ob ich jetzt hier 40. oder 50. werde, spielt am Ende keine Rolle."

Den größten Sieg schon errungen

Die deutsche Radfahrerin Trixi Worrack startet beim Einzelzeitfahren im Straßenradrennen. © dpa

War in Rio auch in ihrer Spezialdisziplin Zeitfahren am Start: Trixi Worrack.

Ob Worrack an ihre früheren Leistungen anknüpfen kann, ist ungewiss. Ihren neunten Platz von London 2012 konnte sie am Mittwoch (10.08.2016) in ihrer Spezialdisziplin Zeitfahren nicht steigern: Platz 16. "Es war sehr schwer, viel Regen, viel Wind. Ganz andere Bedingungen als in den letzten Tagen. Die Fahrer, die Chancen aufs Podium haben, nehmen Risiko. Ich nicht", sagte sie. Ihren größten Sieg hat sie ohnehin schon errungen: Sie sitzt wieder auf dem Rad - und ist in Rio dabei.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 10.08.16 17:01 Uhr