Interview
Gerd Gottlob: "Rio war eine große Herausforderung"
Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro waren eine logistische Herausforderung - auch für die ARD, die 170 Stunden live im TV und mehr als 1.000 Stunden im Internet und HbbTV übertragen hat. Teamchef Gerd Gottlob zieht im Interview Bilanz.
Herr Gottlob, Sie waren in Rio de Janeiro erstmals ARD-Teamchef. Wie haben Sie die Olympischen Spiele empfunden?
Gerd Gottlob: Als sehr große Herausforderung. Ich war sehr zuversichtlich nach unserer Planungsphase und bevor wir uns auf den Weg gemacht haben. Aber es war schnell klar, dass Rio sehr viel komplizierter und schwieriger werden würde als alle Spiele zuvor. Die Stadt und das Organisationskomitee hatten noch mit gewaltigen Problemen zu kämpfen. Sie sind so gerade eben auf den letzten Drücker fertig geworden und das hat man an vielen Stellen gesehen und gemerkt.
Olympische Spiele sind generell eine große logistische Herausforderung - auch für die übertragenden Fernseh- und Radiosender. Wie gelingt es, so ein Mammutprojekt zu stemmen?
Gottlob: Gute Vorbereitung - wir planen seit drei Jahren zusammen mit dem ZDF - ist die Grundlage für das ganze Projekt. Der NDR hat auch die Spiele aus Sydney, Peking und London übertragen - insofern haben wir bei Technik, Produktion und Programm schon eine brauchbare Expertise. Jede Stadt, jeder Olympiagastgeber bietet aber neue Herausforderungen. Bei diesen Spielen war besonders anstrengend, dass alles lange sehr ungewiss war und spät fertig oder bestätigt wurde. Da war eine große Portion norddeutscher Gelassenheit nötig.
Die ARD hat ihre Übertragungszeit im Vergleich zu den Spielen vor vier Jahren in London mit insgesamt rund 170 Stunden nochmals gesteigert. Hinzu kamen mehr als 1.000 Stunden Livestream-Übertragungen im Internet und HbbTV. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Gottlob: Ich bin sehr zufrieden mit dem Programm, das wir den Zuschauern zu Hause geboten haben. Und die Akzeptanz zeigt, dass wir richtig lagen. Ein tolles TV-Studio mit starken Moderatoren, ein spannendes, abwechslungsreiches Sport-Programm mit sensationellen Wettkampf-Bildern, kenntnisreichen, emotionalen Kommentaren, klugen und informativen Stories. Hajo Seppelt hat mit seiner investigativen Recherche die Berichterstattung über Doping und den Umgang des IOC damit geprägt. Die Livestreams im Netz und im HbbTV sind wieder ein großer Erfolg.
Welche Sportarten haben die Zuschauerinnen und Zuschauer besonders interessiert?
Gottlob: Das ist das Schöne - das sind Sportarten, die sonst bei Weitem nicht so ein großes Publikum zu bester deutscher Fernsehzeit erreichen: Beachvolleyball, Bogenschießen, Hockey, Schießen, Turnen, Kunst- und Turmspringen, Bahnrad und ich könnte noch viele andere aufzählen - teilweise über acht Millionen Zuschauer. Ich will aber auch nicht verschweigen, dass auch die Fußballspiele der Frauen und Männer in ARD und ZDF sehr erfolgreich waren.
Welche olympischen Momente haben Sie in Rio besonders beeindruckt - und welche besonders nachdenklich gestimmt?
Gottlob: Ich liebe die Momente, wenn bis dahin fast völlig unbekannte Athleten auf großer Bühne vor Millionen am Fernseh-Schirm den Lohn für ihre Arbeit und Entbehrungen bekommen. Nachdenklich hat mich die mangelnde Fairness vieler Brasilianer in den Stadien gestimmt, dass es bei vielen Wettkämpfen kaum Zuschauer gab und dass es immer noch im Sport Doper, Betrüger, korrupte Funktionäre gibt und geben wird.
Was erwarten Sie sich von den Paralympics?
Gottlob: Ich hoffe, dass die Cariocas ihre Begeisterung für den Behindertensport entdecken, so wie es die Londoner vor vier Jahren getan haben. Wir werden mit unserem Team jedenfalls auch bei den Paralympics das Beste geben.
Die europäischen Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele von 2018 bis 2024 liegen bei Discovery. Worauf müssen sich die ARD und die Zuschauer einstellen?
Gottlob: Noch laufen die Verhandlungen für Sublizenzen. Solange kein Ergebnis vorliegt, kann man schwer eine Prognose treffen.
Das Interview führte Bettina Lenner, sportschau.de
Stand: 20.08.16 21:00 Uhr