Christophe Lemaitre

Christophe Lemaitre - Der schnellste Weiße

Land: Frankreich Flagge Frankreich

Steckbrief

geb. am: 11.06.1990
in Annecy
Größe: 190 cm
Gewicht: 74 kg
Verein: AS Aix-les-Bains
Trainer: Pierre Carraz, Thierry Tribondeau

Sportliche Eckdaten

Persönliche Bestleistung:
9,92 Sek. (100 m/2011)
19,80 Sek. (200 m/2011/NR)
Größte Erfolge
Olympische Spiele:
Bronze 2012 (4x100 m)

Weltmeisterschaften:
Silber 2011 (4x100 m)
Bronze 2011 (200 m)

Europameisterschaften:
2x Silber 2014 (100 m, 200 m)
Bronze 2014 (4x 100 m)
Gold 2012 (100 m)
Bronze 2012 (4x100 m)
3x Gold 2010 (100 m, 200 m, 4x100 m)


Christophe Lemaitre ist der einzige weiße Sprinter der Leichtathletik-Geschichte, der die Zehn-Sekunden-Schallmauer durchbrochen hat. Dabei kommt der Franzose im Vergleich zu seinen Konkurrenten aus Amerika und Jamaika eher schmächtig daher.

Fast 100 Sprinter sind über 100 m bislang unter zehn Sekunden geblieben. Nur einer von ihnen hat eine weiße Hautfarbe: Christophe Lemaitre. Der Exot der Szene ist sich seiner Sonderstellung wohl bewusst, doch die Debatte darüber würde er am liebsten ausblenden. "Ich habe diese überflüssige Dimension der Hautfarbe immer abgelehnt. Solche Überlegungen überlasse ich den Medien", sagte der Franzose nach seinem Coup von 9,98 Sekunden, mit dem er bei den französischen Meisterschaften 2010 in Valence ein mittleres Beben in der Leichtathletik auslöste. Ein Jahr später, mit gerade noch erlaubten zwei Metern pro Sekunde Rückenwind, drückte er seine Bestleistung sogar auf 9,92.

Sprint

Christophe Lemaitre - Der Exot der Sprintszene

Weiß und schmächtig: Er fällt aus dem Rahmen

Wenn Lemaitre inmitten schwarzer Topsprinter an der Startlinie steht, fällt er nicht nur wegen seiner Hautfarbe aus dem Rahmen. Auch seine fast schmächtige Statur unterscheidet ihn von den Muskelpaketen, mit denen er sich misst. Zweimal ist er schon Europameister in der Königsdisziplin der Leichtathletik geworden. In Zürich 2014, wo er neben den 100 auch über 200 m und in der Sprintstaffel startete, wollte er das Triple vollmachen. Doch der Brite James Dasaolu war schneller, Lemaitre blieb nur Silber, ebenso wie über 200 m. Mit der französischen Sprint-Staffel reichte es für Lemaitre und Co. lediglich zu Bronze hinter den Briten und Deutschland.

"Superman" mit hochfliegenden Träumen

Die französischen Leichtathletik-Fans lieben ihren Sprintstar, der als frei von Allüren gilt, trotzdem. Dass die Organisatoren des Diamond-League-Meetings in Paris mit ihm schon als "Superman" geworben haben, gefiel Lemaitre: "Ich würde gern schneller laufen, ich würde gern fliegen können - und ich habe schon als Kind davon geträumt, unsichtbar zu sein", sagte er, als er auf eventuelle übernatürliche Kräfte angesprochen wurde. Vor der Weltmeisterschaft 2013 in Moskau schlug er gar ungewohnt forsche Töne an: "Ich will der Beste überhaupt sein." Doch sein Auftritt im Luschniki-Stadion endete mit einer Riesenenttäuschung: Lemaitre belegte im 100-m-Finale Platz sieben und zog sich beim Zieleinlauf eine Oberschenkelzerrung zu. Über 200 m und in der Staffel konnte Frankreichs Hoffnungsträger nicht mehr antreten.

London 2012: Nachträglich Staffel-Bronze

Bei den Olympischen Spielen in London verzichtete er dann auf die 100 m, um sich ganz auf einen möglichen Coup gegen Bolt & Co. über 200 m zu konzentrieren. Doch es ging schief. Lemaitre wurde Sechster. "Ich war tief enttäuscht, denn ich hätte so gern eine Olympia-Medaille gehabt", sagte er. Die bekam er allerdings noch. Eigentlich nur Fünfter profitierte die französische Sprint-Staffel mit Lemaitre zunächst von der Disqualifikation des drittplatzierten kanadischen Quartetts (Betreten der Bahnbegrenzung) und später vom Dopingverstoß Tyson Gays, der der US-Staffel Silber kostete. So rückten die Franzosen nachträglich noch auf den Bronzerang vor.

Leichtathletik-Spätstarter

Der französische Sprinter Christophe Lemaitre © imago/Colorsport Foto: Colorsport

Spät in die Leichtathletik gekommen, aber schnell aufgestiegen: Christophe Lemaitre.

Lemaitre wuchs in Culoz in der Region Rhone-Alpes auf und spielte in seiner Jugend Fußball, Handball und Rugby. Mit 15 probierte er sich erstmals in der Leichtathletik. "Ich war kein guter Teamplayer", sagt er heute über sich. "Ich mochte es nicht zu verlieren, nur weil ein anderer nicht sein Bestes gegeben hatte." Als Spätstarter in der Leichtathletik sorgte Lemaitre dann schnell für Furore. Zwei Jahre nach seinen ersten ernsthaften Sprintversuchen trat er schon bei den Jugend-Weltmeisterschaften in Ostrava an und verpasste als Vierter über 100 und als Fünfter über 200 m nur knapp die Medaillenränge. Ein Jahr später wurde er Junioren-Weltmeister über 200 m und fuhr als Ersatzläufer für die 4x100-m-Staffel mit zu den Olympischen Spielen nach Peking. Als Lemaitre 2009 auch Junioren-Europameister über 100 m wurde, verbesserte er mit seiner Zeit von 10,04 Sekunden nicht nur den Junioren-Europarekord - er trat auch als schnellster Europäer des Jahres bei den Weltmeisterschaften in Berlin an. Es folgte die bisher größte Enttäuschung seiner Karriere: Wegen eines Fehlstarts wurde er im Viertelfinale disqualifiziert.

Erster Triple-Europameister

Kurz vor den Europameisterschaften 2010, Lemaitre hatte gerade die Zehn-Sekunden-Schallmauer durchbrochen, wurde er als neuer Wunderläufer gehandelt. Und er hielt dem Druck stand. In Barcelona sicherte sich der Franzose den Sieg im 100-m-Finale. In 20,37 Sekunden holte sich der damals 20-Jährige auch Gold über die 200 m sowie mit der 4x100-m-Staffel. Damit ist er der Erste, der bei einer EM auf allen drei Distanzen siegte. Die Auszeichnung als "Europas Leichtathlet des Jahres" kam folgerichtig. "Der Erfolg in Barcelona ist für mich eine Wiedergutmachung für das, was in Berlin passiert ist. Ich habe trainiert wie ein Idiot, um hier zu gewinnen", sagte Lemaitre nach seinem Triple.

WM-Bronze über 200 m in Daegu

Für die Welttitelkämpfe ein Jahr später in Daegu bereitete er sich ebenso gewissenhaft vor. Vier Wochen vor dem WM-Start drückte er seine Bestzeit auf 9,92 Sekunden. "Bei der WM will ich ins Finale und da unter die ersten Fünf. Ich will in die Sprint-Hierarchie reinplatzen", kündigte Lemaitre an. Gesagt, getan: In Abwesenheit des disqualifizierten Superstars Usain Bolt lief der Franzose im 100-m-Finale auf Platz vier. Über 200 m setzte Lemaitre noch einen drauf: In 19,80 Sekunden kam er hinter Bolt und dem Amerikaner Walter Dix ins Ziel - Bronze in einer Zeit, die nur acht Hundertstelsekunden über dem Fabel-Europarekord des Italieners Pietro Mennea von 1979 liegt. Mit der 4x100-m-Staffel der Franzosen holte Lemaitre dann sogar noch sensationell Silber.

Das Niveau von Daegu hat Lemaitre bei Welttitelkämpfen bislang nicht wieder erreicht. Der Enttäuschung von Moskau folgten schwache Auftritte bei der WM 2015. In Peking scheiterte Lemaitre über 100 m im Halbfinale (10,20 Sekunden). Für einen Platz im Endlauf hätte er unter zehn Sekunden bleiben müssen. Noch überraschender kam das Aus über 200 m schon im Vorlauf (20,34 Sekunden).

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 24.06.16 16:07 Uhr