Olympische Sommerspiele in Tokio

Doping

Nach Korruptionsskandal: Gewichtheben zwischen Hoffen und Bangen

von Hajo Seppelt, Nick Butler und Jörg Mebus

Nach einer beispiellosen Aneinanderreihung von Skandalen könnten die Gewichtheber in Tokio vorerst zum letzten Mal bei Olympischen Spielen antreten.

Direkt am zweiten Wettkampftag schaute Thomas Bach in Tokio beim Gewichtheben vorbei. Der IOC-Präsident nahm sich Zeit, um im International Forum mit Athletinnen und Athleten zu sprechen. Die Visite des mächtigsten Mannes im Weltsport zu Beginn der olympischen Wettkämpfe bedeutete für den Sport einen Hoffnungsschimmer, doch noch der Höchststrafe zu entgehen. Die Drohung des Internationalen Olympischen Komitees, die Traditionssportart wegen ihrer unvergleichlichen Skandalgeschichte und stockender Reformen nach Tokio aus dem olympischen Programm zu entfernen, lastet schwer auf ihr. 

Zeichen der Wertschätzung

Als "klares Zeichen der Wertschätzung" deutete Florian Sperl, der neue Präsident des deutschen Heberverbandes BVDG, Bachs Besuch. "Wir brauchen einen kompletten kulturellen Wandel im internationalen Gewichtheberverband, mit neuen Gesichtern", sagt Sperl der ARD in Tokio: "Wir wollen dem IOC zeigen, dass wir neu aufgestellt und für die Zukunft gerüstet sind.

"Hausaufgaben nicht gemacht"

Sperl, mit 33 Jahren einer der jüngsten Präsidenten eines deutschen Sportfachverbandes, bleibt zuversichtlich. Ob sein Optimismus angebracht ist, ist allerdings fraglich. Denn die Sportart, schon 1896 im olympischen Programm, tut sich mit Reformen immens schwer. Seit "Pate" Támas Aján infolge der Enthüllungen aus der ARD-Doku "Der Herr der Heber" im April 2020 vom Posten des Präsidenten des Weltverbandes IWF gezwungenermaßen zurücktrat, versuchen viele von dessen langjährigen Gefolgsleuten das Machtvakuum auszufüllen. Das IOC, das dem korrupten Treiben im Weltverband jahrelang mehr oder weniger tatenlos zugeschaut hat, demonstriert nun Härte. 

"Vielleicht würde es helfen, wenn wir Gewichtheben für zwei oder drei Olympiaden aus dem Programm nehmen und sie ihre Hausaufgaben machen, denn das haben sie nicht", sagte IOC-Mitglied Richard Pound der ARD-Dopingredaktion in Tokio. Vor den laufenden Spielen hatte der Ringe-Konzern einigen belasteten IWF-Funktionären die Teilnahme an den Spielen verweigert. 

"Kultur des Dopings"

Doping und Korruption gehörten in der IWF unter Aján zum Tagesgeschäft. Bei den vergangenen drei Olympischen Spielen gab es allein 15 Goldmedaillengewinner, die später bei Nachtests aufflogen oder anderweitig erwischt wurden. Die Internationale Test-Agentur (ITA), die mittlerweile das komplette Doping-Kontrollsystem im Gewichtheben übernommen hat, stellte dem Weltverband nach einer Untersuchung einen Monat vor den Spielen in Tokio ein katastrophales Zeugnis aus. Zwischen 2009 und 2019 habe es 146 ungeklärte Dopingfälle gegeben, die Rede war von "Vertuschung" und einer "Kultur des Dopings". 

Doch in Tokio machen sich auch erste Reformen bemerkbar. Nach einer Regeländerung wurden die Strafen gegen Länder mit zu vielen Dopingsündern verschärft. Heber aus Rumänien, Thailand, Ägypten und Malaysia sind komplett von den Wettkämpfen in Japan ausgeschlossen, 17 weiteren Nationen wurden Qualifikationsplätze wegen wiederholten Dopings entzogen.   

Ergebnisse werden "normaler

Der deutsche Heber und Athletenvertreter Simon Brandhuber, der in Tokio in der Klasse bis 61 kg den neunten Platz belegte, sagt, er sei "zwiegespalten". Einerseits sehe er "Machthaber" in der IWF, die "da immer noch rumsitzen" und einem Neuanfang im Wege stünden: "Aber für mich als Sportler ist es auch schön zu sehen, dass die Ergebnisse normaler werden, nachvollziehbarer, auch im Medaillenbereich für Normalsterbliche gut zu realisieren.

Auf einem Kongress in Doha will sich die IWF Ende August eine neue Verfassung geben. Von diesem Treffen wird entscheidend abhängen, ob die Sportart auch 2024 in Paris noch olympisch ist. Darüber will das IOC-Exekutivkomitee noch in diesem Jahr entscheiden.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 27.07.2021 | 10:40 Uhr

Stand: 27.07.21 11:51 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 39 41 33
2. Flagge Volksrepublik China CHN 38 32 18
3. Flagge Japan JPN 27 14 17
4. Flagge Großbritannien GBR 22 21 22
5. Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC 20 28 23
6. Flagge Australien AUS 17 7 22
7. Flagge Niederlande NED 10 12 14
8. Flagge Frankreich FRA 10 12 11
9. Flagge Deutschland GER 10 11 16
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