Die ARD-Expertin Kirsten Bruhn © Sportschau

Schwimmen

Kirsten Bruhn zum Paralympics-Schwimmen: Ziel sind Bestzeiten

Kirsten Bruhn hat in ihrer Schwimmkarriere dreimal Paralympics-Gold gewonnen - und noch einige Medaillen mehr. In Tokio ist die 51-jährige Schleswig-Holsteinerin wieder als ARD-Expertin dabei. Für sportschau.de analysiert sie die Lage vor den Spielen.

Bevor in Japan die Paralympics überhaupt begonnen haben, gab es bei den Schwimmerinnen und Schwimmern bereits einige Aufregung. Denise Grahl hat ihren Start kurzfristig abgesagt, Elena Krawzow und Josia Topf müssen in neuen Klassen antreten. Im Interview sprach Bruhn vor dem Beginn der Wettkämpfe am Mittwoch (25.08.2021) in Japan über...

... Nachteile für die Deutschen durch neue Klassifizierungsregeln:

"Das IPC hat das Ziel, die Wettkämpfe übersichtlicher zu machen. Aber ich glaube nicht, dass es so gelingt. Dass Elena Krawzow, die nur noch drei Prozent Sehkraft hat, auf einmal gegen Schwimmerinnen antreten muss, die viel besser sehen können, ist genauso schwer nachzuvollziehen wie die Situation bei Josia Topf, der ohne Arme jetzt gegen Schwimmer mit Armen antritt.

Außerdem ist es sehr unglücklich, dass die neuen Regeln innerhalb des paralympischen Zyklus geändert worden sind. Es wird noch vor Ort klassifiziert. Überspitzt formuliert, weiß hier bis zum Rennen keiner, gegen wen er überhaupt antreten muss. Das darf nicht sein."

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... die Möglichkeit von Athleten, bei der Einteilung zu täuschen:

"Wenn die Sportlerinnen und Sportler einen bösen Kern haben, können sie bei der Klassifizierung schummeln. Das war aber vorher auch schon so. Allerdings sehen die neuen Klassifizierungsregeln mehr Prüfgremien vor. Dadurch sind auch Prüfer aus mehr Nationen beteiligt, was eine wohlwollendere Einteilung der 'eigenen Athleten' unwahrscheinlicher macht. Außerdem kommen dadurch vielleicht noch mal andere Bewegungstests hinzu, die die anderen Prüfer nicht auf dem Zettel hatten."

... die Chancen für die zehn Deutschen:

"Es ist durch die teilweise neuen Klassifizierungen äußerst schwierig, Prognosen abzugeben. Außerdem haben wir ein wirklich junges Team: Gleich acht Athletinnen und Athleten sind zum ersten Mal bei den Paralympics dabei. Sie sollen einfach Spaß haben - und wenn sie persönliche Bestzeit schwimmen, dann wäre das toll."

... paralympisches Schwimmen vor leeren Rängen:

"Auch wenn man viel unter Wasser ist, bekommt man im Schwimmbecken viel von der Stimmung mit. Ich fand es allerdings immer eher besser, wenn es nicht so laut gewesen ist. Aber das ist natürlich sehr individuell. Unser junges Team kennt es teilweise, weil die ersten großen Auftritte bei EM und WM auch vor leeren Rängen waren, noch gar nicht anders.

Deshalb könnte es vielleicht sogar ein Vorteil sein, dass in Tokio keine Zuschauer in der Halle sein dürfen. Und mit Blick auf Paris in drei Jahren sind alle dann zumindest schon um ihre Paralympics-Erfahrungen reicher."

... die Hygienevorschriften während der Corona-Pandemie:

"Man konnte bei den Olympischen Spielen sehen, dass das nicht zu unterschätzen ist. Wenn man sonst nur an seine Schwimmsachen denken musste, gilt es nun, auf dem Weg zum Becken seine Hände zu desinfizieren und vor allem seine Maske immer richtig zu tragen. Während Olympia habe ich da schon den einen oder anderen Ordner gesehen, der Sportler zurückgehalten hat. Dadurch kann man schon aus seinem Trott rausgerissen werden. Ich hoffe deshalb, dass auch diese Abläufe im Training geübt worden sind, damit nicht schon vor dem Rennen irgendwas nicht klappt."

Aufgezeichnet von Florian Neuhauss