Jim Thorpe: Der Blitz schlägt ein
Die Schweden bejubeln bei den Olympischen Spielen 2012 einen US-Athleten, obwohl er ihre Mehrkämpfer deutlich distanziert. In seiner Heimat hat Jim Thorpe jedoch einen schweren Stand. Den US-Funktionären ist er ein Dorn im Auge. Denn James Francis Thorpe ist Indianer - vom Stamme der Sac und Fox. 1904 wäre er wahrscheinlich noch im Rahmenprogramm der "anthropologischen Tage" gelandet. Bei den noch stark von Weißen geprägten Spielen erregt der 24-Jährige allein durch sein Aussehen Aufmerksamkeit, sehr zum Unwillen nationalistischer US-Kreise. Thorpe ist der unbestrittene Star der Leichtathletik-Wettkämpfe und schafft fast Unmögliches: Er gewinnt sowohl den Fünfkampf als auch den erstmals bei Olympia ausgetragenen Zehnkampf und belegt ganz "nebenbei" auch noch die Ränge vier im Hochsprung und sieben im Weitsprung.
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Geschichte
Das war Olympia 1912
Weltrekord um mehr als 1000 Punkte verbessert
In den Mehrkämpfen wird der Amerikaner seinem Ruf als "Naturgewalt" mehr als gerecht. Den schwedischen Weltrekordler und Olympia-Favoriten Hugo Wieslander deklassiert Thorpe nach allen Regeln der Kunst. Einzig den Speerwurf kann Wieslander für sich entscheiden. In den übrigen neun Disziplinen muss er sich dem Amerikaner geschlagen geben. Wieslanders Zehnkampf-Weltrekord von 7244 Punkten hat Thorpe am Ende mit 8412 Zählern pulverisiert. "Mein Herr, Sie sind der größte Athlet der Welt", gratuliert Schwedens König Gustav V. dem Indianer, dessen stammessprachlicher Name "Wa Tho Huk" übersetzt sehr treffend lautet: "Der Weg ist aufgeklart, nachdem der Blitz eingeschlagen hat".
Späte Rehabilitation
Seine Erfolge werden dem bei seiner Rückkehr als Nationalheld Gefeierten in der Heimat aber geneidet. Nach wie vor gibt es viele, die den Indianer nicht als US-Idol sehen wollen. Schließlich decken Intriganten auf, dass Thorpe bereits 1909 in einer unterklassigen Baseball-Mannschaft gespielt und dafür pro Woche 25 Dollar erhalten hat. Sportfunktionär James Sullivan von der Amerikanischen Leichtathletik-Union bewirkt, dass Thorpe sein Amateurstatus entzogen und ihm sämtliche olympischen Erfolge, Rekorde und Medaillen aberkannt werden. Thorpe sattelt um und unterschreibt einen Vertrag als Football-Profi bei den New York Giants. 1953 stirbt er an Krebs. Erst 30 Jahre nach seinem Tod wird der größte Athlet der damaligen Zeit rehabilitiert und nachträglich wieder zum Olympiasieger erklärt.