Busemanns Olympia-Orakel
Sprint: Bolt, Gatlin und dann lange nichts
100 Meter - Usain Bolt - fertig. Konnte man mit dieser Aussage die vorigen Jahre wenig falsch machen, wird es mit zunehmendem Alter des Jamaikaners riskanter. Für den deutschen Rekordmann Julian Reus wäre die Halbfinalteilnahme schon ein Erfolg.
Zwar hat Usain Bolt bisher alle großen Rennen als Sieger beendet, doch machen ihm nun immer öfter leichte Verletzungen das Leben schwer. Die jamaikanischen Trials auszulassen, gesteht man nur "100 Meter - Usain Bolt - fertig" zu. Justin Gatlin will einmal mehr versuchen, ihn zu schlagen, was dem Zuschauer die Fragezeichen auf die Stirn zeichnet, da er der lebende Beweis für die Annahme zu sein scheint, dass Doping nichts bringt. Voll wie ein Apotheker-Eimer rennt er langsamer als ohne?! Lassen wir das. Kümmern wir uns um die blanken Zahlen. Da hätte Gatlin eine 34 anzubieten. Mit fast dreieinhalb Jahrzehnten auf dem Buckel ist er ein Sprint-Opa. Aber es läuft. Schnell. Scheinbar. Diese beiden laufen in einer Foto-Finish-Entscheidung den schnellsten Mann der Welt aus. Der junge Trayvon Bromell wird in der Lage sein, die beiden unter Druck zu setzen, aber das treibt sie nur noch mehr an.
Das Halbfinale wäre schon ein Erfolg
Höchstens Justin Gatlin kann ihm gefährlich werden: Usain Bolt.
Aus deutscher Sicht wird das Abschneiden des deutschen Rekordlers Julian Reus spannend. Er muss liefern, er will liefern. Der Rekordlauf von Mannheim verbreitet große Hoffnung. Bei Olympia hat er nichts zu verlieren. Mit Platz 22 in der bereinigten Weltjahresbestenliste (also bereinigt um die Athleten, die die Plätze vier und aufwärts in ihren Ländern belegen, und vor Reus stehen - anders bereinigt, wäre er noch weiter vorn - egal, lassen wir das, kümmern wir uns um die Zahlen) ist er vollkommen chancenlos im Konzert der Großen. Allerdings ist ein lockerer Kampf gegen Kraftpakete auf der Nebenbahn nur halb so lustig wie ein Sprint auf einem deutschen Sportfest. Mit etwas Glück schafft er es ins Halbfinale.
200 m: Merrit macht Druck aufs Top-Duo
Bei den 200 Metern zählen obige Worte, doch muss Trayvon Bromell durch LaShawn Merrit ersetzt werden. Auch hier werden Bolt und Gatlin sich bis aufs Blut duellieren und mit dem Viertelmeiler Merritt einen ernsthaften Konkurrenten im Nacken haben. Aus deutscher Sicht verhält es sich ähnlich wie bei der EM in Amsterdam. Kleine Fehler potenzieren sich auf der doppelten Distanz, was dazu führen kann, dass Zeiten jenseits der 20,60 Sekunden auf der Uhr stehen.
Schafft Pinto das nächste Wunder?
Die Niederländerin Dafne Schippers kann über 100 und 200 Meter ganz vorne landen.
Bei den Frauen wird sich Europas Schnellste, die muskelgewordene Sprintmaschine Dafne Schippers, mit der Konkurrenz aus Übersee auseinandersetzen. Jamaikas Elaine Thompson hat sich mit 10,70 Sekunden auf Platz vier der ewigen Weltrangliste gesetzt. Wo diese atemraubende Entwicklung ihr Ende findet, ist nicht abzuschätzen, verbessert sie sich doch jedes Jahr um zwei bis drei Zehntel. Rebekka Haase und Tatjana Pinto dürfen sich im Sog der Kondensstreifen nicht Bange machen lassen und ihr eigenes Ding durchziehen. Nach Jahren der Stabilisierung hat sich Pinto mit 11,00 Sekunden im letzten Wettkampf vor Rio in Sphären katapultiert, die ganz viel Lust auf ganz kleine Zeiten machen. Eine Zehn vor dem Komma? Das wäre das nächste Wunder.
Lückenkemper muss auf Patzer hoffen
Bei den 200 Metern schauen wir gebannt auf Gina Lückenkemper, die mit einem perfekten Lauf und etwas Glück im Halbfinale sogar den Sprung ins Finale schaffen könnte. Dazu bedarf es eines Fehlstarts, einer Disqualifikation durch Linienübertretens oder sonstiger Fehltritte der Konkurrenz, und schwupps wird das Märchen wahr. Dafne Schippers wird über die doppelte Distanz Thompson wie in Peking in die Schranken weisen.
Weltmeister van Kiekerk wird auch Olympia-Sieger
Aries Merritt (r.) gehört zu den Goldkandidatern über die 400 Meter.
Bei den 400 Metern kommt es zum großen Aufeinandertreffen der U44er Merritt, Kirani James und Weltmeister Wayde van Kiekerk. Ersterer und Letzterer bestechen durch exorbitant gute Sprintleistungen - van Kiekerk läuft sogar die 100 und 200 unter 10 bzw. 20 Sekunden - deshalb wird er vor Merritt gewinnen. Der Weltrekord von Michael Johnson steht bei 43,18 Sekunden.
Staffeln nah dran an den Medaillenrängen
Die Sprintstaffeln sind wie in den letzten Jahren klar in ameri-jamaikanischer Hand. Nuancen werden über die Reihenfolge bei Männern wie Frauen entscheiden. Die deutschen Herren können mit perfekten Wechseln einen nationalen Rekord aufstellen und bis auf Platz vier aufrücken. Bei den Damen ist mit guten Wechseln sogar die schnellste Zeit seit der Wiedervereinigung möglich, was nah an die Medaillenränge heranreichen würde.
Deutsche Hürdensprinter selbstbewusst
Omar McLeod läuft scheinbar nach Belieben die 110 Hürden um die 13 Sekunden, was in jedem Fall für eine Medaille reichen wird. Generell liegt der Hürdensprint neuerdings neben den US-Amerikanern auch in jamaikanischer Hand. Spaniens Ortega ist auch gebürtiger Karibik-Insulaner und wird sich mit Devon Allen einen Fight liefern. Deutschlands Hürdenasse ließen in der Vergangenheit beim Kampf im Hürdenwald allzu oft Federn, was in Rio nicht passieren soll. Selbstbewusst genug sind Gregor Traber, Matthias Bühler und Alexander John. Gerade Bühler hat zeitlich und finanziell alles auf die Karte Rio gesetzt, und nun will er ernten. Da muss er aufpassen, dass er es nicht über die Hürdenkante brechen will. Traber hat im letzten Rennen vor Rio in 13,21 Sekunden ein Achtungszeichen mit !!! gesetzt. Doch was ist das für Rio wert? Dort werden die Karten neu gemischt. Drei Zwischenläufe geben Platz für 24 Athleten, doch ist somit ein Finaleinzug um einiges schwerer, als wenn man mit etwas Glück über vier erste Plätze weiterkommt. Zwei müssen ins Halbfinale.
Starke Platzierung für Roleder und Hildebrand drin
Für Cindy Roleder ist über die 100 m Hürden ein Topplatz drin.
Bei den Damen haben wir mit Kendra Harrison eine Athletin, die den 28 Jahre alten Weltrekord der Bulgarin Donkova verbessert hat. Sie kann sich nur selbst schlagen - hat sie auch. Bei den Trials ist sie nicht unter die ersten Drei gekommen und schaut nun zu. So einfach ist das bei den Amis. Wie leicht das bei den Hürden geht, haben wir im vergangenen Jahr bei der WM gesehen. Die US-Amerikanerinnen haben sich verlaufen, verstolpert, verzockt, zack hat sich Cindy Roleder Silber geschnappt. Das wird bei der Konkurrenz der amtierenden Europameisterin dieses Jahr nicht noch einmal passieren, aber sie beweist eindrucksvoll, was mit Nervenstärke, Stabilität und einem starken Finish möglich ist, zumal sie die beste Nicht-Amerikanerin ist. Kurz dahinter dann die stark verbesserte Nadine Hildebrand. Zwei Deutsche im Finale und eine Medaille? Das eher nicht, aber eine ganz starke Platzierung ist drin.
Stand: 11.08.16 14:44 Uhr
Sportarten
Ergebnisse
Medaillenspiegel
Platz | Land | G | S | B |
---|---|---|---|---|
1. | USA | 46 | 37 | 38 |
2. | GBR | 27 | 23 | 17 |
3. | CHN | 26 | 18 | 26 |
4. | RUS | 19 | 17 | 20 |
5. | GER | 17 | 10 | 15 |
6. | JPN | 12 | 8 | 21 |
7. | FRA | 10 | 18 | 14 |
8. | KOR | 9 | 3 | 9 |
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