Olympiafinale im Rugby Rio 2016 - Fidschi - England © Thomas Luerweg Foto: Thomas Luerweg

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Olympiasieger! Fidschi flippt aus

von Bettina Lenner (Text) und Thomas Luerweg (Fotos), sportschau.de

Weltmeister sind sie schon, und jetzt auch Olympiasieger. Das 7er-Rugby-Team aus Fidschi hat in Rio historisches Gold geholt - und versetzt eine ganze Inselgruppe in Ausnahmezustand.

"Toso Viti toso", "Go Fidschi go" hallt es in ohrenbetäubender Lautstärke durch das Deodoro-Stadion. Landesfahne, Blumenkranz, Federschmuck, freier Oberkörper und eindrucksvolle Gesichtsbemalung: Die Fidschianer sind da - und bereit für das erste Edelmetall nach 60 Jahren Olympia-Teilnahme. Im Endspiel beim ersten olympischen Turnier überhaupt im 7er-Rugby ist der Gegner die frühere Kolonialmacht Großbritannien.

"Rugby ist unsere Religion"

Mitten unter den Fans: die Fußball-Nationalmannschaft des kleinen Inselstaats im Südpazifik. Die Kicker, Nummer 188 der FIFA-Weltrangliste, haben am Vortag eine herbe 0:10-Schlappe gegen Deutschland hinnehmen müssen. Rund 14.000 Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Erdballs interessiert das allerdings kaum jemand. Fußball ist eine exotische Sportart für die Republik nördlich von Neuseeland, die aus etwa 330 Inseln besteht, 100 davon bewohnt. Aber Rugby ist Volkssport. "Das ist unsere Religion. Wir leben dafür", sagt ein Fan mit Knochenkette um den Hals: "Zuhause herrscht jetzt der Ausnahmezustand. Alles ist geschlossen, die ganze Nation steht still. Auch im absoluten Nirgendwo werden Fernseher auf Hügel verfrachtet, damit es Empfang gibt. Und alle gucken dann zusammen.“

Fidschis Fußballer im Rugby-Fieber

Auch in Rio ist die Stimmung gigantisch. Als Kapitän Osea Kolinisau, einer der ebenso bulligen wie austrainierten Fidschi-Spieler, schon nach 54 Sekunden zum ersten Mal das Ei hinter die Grundlinie verfrachtet, flippen seine Landsleute und die "Bula Boys" genannten Fußballer auf den Rängen aus. "Ich habe schon nach der ersten Minute gewusst, diese Naturgewalt kann heute keiner aufhalten", berichtet Coach Ben Ryan nach dem Spiel sichtlich bewegt.

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Goldpremiere mit viel Herz

Trainer Ryan ein "harter Hund"

Der 2013 verpflichtete Trainer aus England hat großen Anteil am Aufschwung des Teams, das in der abgespeckten Version des Ballsports, die mit 7 statt 15 Akteuren pro Mannschaft gespielt wird und in Rio ihre Olympia-Premiere feierte, das Nonplusultra ist. Fidschi ist Weltmeister, gewann in den beiden vergangenen Jahren jeweils die Weltserie. Der 44 Jahre alte studierte Sportwissenschaftler gilt als "harter Hund" und zog im Vorfeld der Sommerspiele die Zügel kräftig an. Acht Wochen keine Kohlehydrate, Alkohol-Kontrollen und Handy-Verbot - alles für den großen, historischen Moment. "Das ist ein bisschen alte Schule", sagt Ryan: "Aber die Jungs wollen das so, weil sie wissen, dass es uns besser macht."

"Sie waren außerirdisch"

29:0 lautet der Zwischenstand zur Halbzeit und schon längst ist klar, dass gegen die favorisierten "glorreichen Sieben" aus dem Pazifik-Staat kein Kraut gewachsen ist. "Toso Viti toso", das klingt nicht mehr nur nach Anfeuerung, sondern bereits nach einer Siegeshymne. 43:7, das Endergebnis um 19.32 Uhr Rio- und 10.32 Uhr Fidschi-Zeit ist eine Demonstration der Stärke. "Sie waren außerirdisch", befindet Coach Ryan, der sich nun wie angekündigt eine Auszeit nehmen wird: "Ich finde keine Worte dafür. Wir sind in Fidschi unglaublich stolz auf diese Mannschaft. Das ist kaum zu beschreiben. Es wird nicht nur ein paar Partys geben, die gesamte Bevölkerung ist außer Rand und Band."

Siegesfeier dauert eine Woche

"Dieser Sieg ist für ganz Fidschi und die Pazifischen Inseln. Spielt verrückt!", ruft Kapitän Kolinisau in Richtung Heimat. Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft dauerte die Fahrt zum Empfang des Präsidenten seinerzeit mehr als zehn Stunden, so ziemlich jeder der rund 900.000 Einwohner wollte persönlich gratulieren. Szenen, die sich nach dem eindrucksvollen Triumph in Rio garantiert wiederholen werden. "Das ist ein wunderbarer Moment in der Geschichte unserer Nation", meint Premierminister Frank Bainimarama, den es in Deodoro nicht mehr auf seinem Sitz hält.

Der historische Erfolg ist auch Balsam auf die Wunden der Insulaner: Fidschi wurde im Frühjahr vom verheerenden Zyklon Winston heimgesucht, Tausende verloren ihr Heim. "Sie sind Helden, zuhause wird die ganze Woche gefeiert", sagt einer der Insel-Kicker, während Princess Anne seinen Landsleuten die olympische Goldmedaille überreicht. Und mit einem breiten Grinsen: "Im Rugby würden wir gegen Deutschland 50:0 gewinnen."

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 12.08.16 05:30 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 46 37 38
2. Flagge Großbritannien GBR 27 23 17
3. Flagge Volksrepublik China CHN 26 18 26
4. Flagge Russland RUS 19 17 20
5. Flagge Deutschland GER 17 10 15
6. Flagge Japan JPN 12 8 21
7. Flagge Frankreich FRA 10 18 14
8. Flagge Südkorea KOR 9 3 9
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