Busemanns Kolumne
Vorbereitung ist alles - für Athleten (und für Experten)
ARD-Kolumnist Frank Busemann bereitet sich seelisch und körperlich auf seinen Olympia-Einsatz vor - und erklärt, worin dabei die Unterschiede zwischen Athleten und Experten liegen.
Also, ich bin schon mal fertig. Die zweite Nacht ist vollbracht und ich laufe gefühlt im Reservemodus. Als Schlauberger habe ich ja immer gedacht, dass eine Zeitverschiebung in Richtung Westen für den Athleten und somit auch für den Zuschauer besser ist, als nach Osten. Um vier Uhr aufzustehen ist nur was für die ganz Hartgesottenen. Aber bis 4 Uhr aufzubleiben ist noch viel schlimmer. Ich bin 41 Jahre. Und habe drei Kinder. Die Kleine guckt nicht mit. Deshalb steht sie auch um 6 Uhr auf. Ich auch.
Vor zwanzig Jahren war ich schon einmal so clever. Ich bin immer erst im 1 Uhr nachts ins Bett gegangen, habe dann aber bis 9 in der Falle liegen können. Somit habe ich schon mal drei Stunden Zeitverschiebung wettgemacht. Was sich bewährt, sollte man beibehalten. In Sydney bin ich um 19 Uhr ins Bett gegangen und eben um 4 Uhr aufgestanden. Das war eher suboptimal – diplomatisch ausgedrückt. Dusselig, besser ausgedrückt. Am hellichten Tag kann doch keiner schlafen.
Schlafmangel und Urlaubsbrötchen
Jetzt muss ich allerdings keine körperliche Leistung mehr bringen, nur geistige. Und da bin ich eigentlich bestens vorbereitet. Kurz vorher noch den Familienurlaub durchgezogen, kann ich mich nun voll und ganz auf die nächsten zwei Wochen konzentrieren. Bei den Athleten ist es genau so, nur ein bisschen anders. Die fahren zwar nicht mehr in den Urlaub, aber die letzten Tage sind ähnlich organisiert. Pünktlich zur Wettkampfzeit steht der Athlet drei bis vier Stunden vorher auf (bei mir: Die kleine Tochter wird wach). Der Athlet frühstückt wettkampfgebräuchliche Nahrung (ich hole Urlaubsbrötchen). Je nach geplantem Einsatz eine kleine lockere Einheit (ab zum Strand, Loch buddeln). Nichts Belastendes (nur für das Foto. Buddeln ist Mutterns Steckenpferd).
Der Körper muss untertourig laufen (Vatter liegt in der Strandmuschel) und nach mehr Output gieren (ich würde gern baden, aber die Nordsee ist so kalt). Dann ein leichtes Mittagessen für den Athleten (eine Pommes von der Bude für mich). Rumlungern (Strandmuschel), Spazierengehen (Fußballspielen mit den Kids). Kaffee trinken (Kaffee trinken). Nach Output gieren (jetzt würde ich gern joggen), aber nicht dürfen (also einfach liegenbleiben). Ein lockeres Krafttraining (Sandburg bauen). Tonus aufbauen (oh ja, Sandburg macht mächtig Tonus). Bisschen Fernsehen (doch nicht im Urlaub). Wettkampfstimmung aufbauen (Bestenliste und Internet studieren). Gieren (ich freu mich auf Rio). Schaum vom Mund putzen (Zähneputzen). Ins Bett gehen (ich auch). So geht das fast eine Woche. Spaß ist anders – für die Athleten (ich fand’s ganz gut).
Morgen geht's los!
Athleten dürfen nichts machen, was Körner kostet. Die dürfen aber auch nicht nichts machen, da mit Rost im Getriebe der Motor stottert. So viel Anspannung wie nötig, so viel Entspannung wie möglich, ist die Maxime. Und dann geht es irgendwann los. Mit den Athleten. In Topform, die können es nicht mehr erwarten. Ich auch nicht. Ich gehe jetzt auch ein bisschen früher ins Bett. Morgen fliege ich los. Dann bin ich im Rhythmus. Rio, ich komme!
Stand: 08.08.16 05:58 Uhr