
Der Japan-Reiseblog von Julia Linn
Der Schneemann und die Marathon-Kirschblüte
Wer im Juli oder August Japan besucht, hat null Chancen, die berühmte Kirschblüte zu sehen - eigentlich. Denn für Olympia wird hier die Natur auf den Kopf gestellt.
Es ist 29 Grad heiß und ich schwitze ganz schön. Dabei stehe ich mitten auf einem Schneeberg. Und das alles wegen der Kirschblüte, obwohl die eigentlich schon seit drei Monaten vorbei ist. Und nein, das habe ich mir nicht ausgedacht.
Ich bin im Norden Japans, in der Nähe von Sapporo. Dort wird Anfang August der olympische Marathon stattfinden. Um die Stadt und die Läufer richtig in Szene zu setzen, hat sich Sapporo etwas einfallen lassen: Sakura für den Marathon - ein Meer aus Kirschblüten wird die Strecke säumen. Ich bin heute dort, wo die Zweige seit Monaten auf ihren großen Auftritt warten, in der Kleinstadt Numata.
Ein Schneeberg voller Sakura
Und da wären wir - am Schneeberg. Ich bin hier mit Isao Ito verabredet, dem Schneemann von Numata. Er kümmert sich mit Hingabe um seine Schützlinge, den sieben Meter hohen Schneeberg und die darin lagernden 2.300 Kirschzweige. Der Naturwissenschaftler arbeitet für die Stadt. Ich habe hier ehrlicherweise keine riesigen Emotionen erwartet. Falsch gedacht.

Von Weitem sieht der Schneeberg gar nicht so richtig nach Schneeberg aus.
Isao Ito ist der wohl wärmste und herzlichste Schneemann, den ich je gesehen habe. Euphorisch erklärt er mir alles über seinen Schneeberg. Auf der einen Seite lagern in Körben die Kirschzweige, damit sie nicht von den 5.000 Tonnen Schnee zerdrückt werden. Auf der anderen Seite wird Schnee abgebaggert, mit dem jetzt im Sommer Gebäude gekühlt werden. In dieser Gegend fällt im Winter so viel Schnee, dass es fürs ganze Jahr reicht. Eine Schicht aus Holzspänen und Erde halten die Sonne fern und isolieren den Schnee, meine weißen Turnschuhe sehen entsprechend aus.
"Zweige sind auch Lebewesen"
So viele Kirschblüten hat er noch nie eingefroren, erzählt Isao Ito. Zwei Mal hat er es bisher mit ein paar Zweigen getestet, aus Interesse. Ihm wird ganz warm ums Herz, wenn es um die Kirschblüte geht, sagt der Schneemann. Die Sakura ist etwas, worauf alle Japaner ganz besonders stolz sind. Einige Zweige hat Isao Ito schon testweise aus dem Berg geholt und in ein Kühlhaus verfrachtet. Die will er meinen Kollegen und mir zeigen.

Funfact: Der Schneemann ist auch auf der Visitenkarte des Bürgermeisters abgedruckt.
Manchmal könne er kaum schlafen, weil er so viel an seine Kirschblüten denkt: "Die Zweige sind ja auch Lebewesen und deshalb mache ich mir auch Sorgen, ob sie wirklich zu blühen beginnen werden." Er überlege ständig, ob den Kirschzweigen im Kühlhaus zu warm oder zu kalt sein könnte. Die ersten Probeknospen sollen in neun Tagen blühen. Isao Ito will den perfekten Zeitpunkt abpassen, schließlich soll für den Marathon Anfang August alles perfekt sein.
Übrigens: Den Schnee vom Schneeberg in Numata kann jeder kaufen. Eine Tonne kostet 1.000 Yen, umgerechnet etwa acht Euro. Das Supersonderangebot preist ein Papp-Schneemann vor dem örtlichen Rathaus an. Wenn es hier noch heißer wird, komme ich vielleicht bald darauf zurück.

Julia Linn
Zur Person: Julia Linn arbeitet für den WDR und im ARD-Studio Tokio und berichtet hier täglich von ihren Erfahrungen bei den Olympischen Spielen in Tokio.
Der Japan-Reiseblog von Julia Linn
Stand: 14.07.21 12:48 Uhr
Weitere Informationen
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Medaillenspiegel
Platz | Land | G | S | B |
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1. |
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39 | 41 | 33 |
2. |
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38 | 32 | 18 |
3. |
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27 | 14 | 17 |
4. |
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22 | 21 | 22 |
5. |
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20 | 28 | 23 |
6. |
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17 | 7 | 22 |
7. |
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10 | 12 | 14 |
8. |
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10 | 12 | 11 |
9. |
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10 | 11 | 16 |
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