Die deutsche Geherin Saskia Feige in Aktion © IMAGO / Beautiful Sports

Leichtathletik

Olympia: Mit Heizlüfter zur Höchstleistung im Geher-Wettkampf

von Dirk Hofmeister

Die deutschen Geher überlassen in der Vorbereitung auf ihre Wettkämpfe nichts dem Zufall. So wurde die Kernkörpertemperatur in einer speziellen Hitzekammer in den Fieberbereich gebracht, um auf das japanische Klima vorbereitet zu sein.

Wenn Saskia Feige aus dem Hotelzimmer schaut, ist Olympia weit weg. Richtig weit weg. Feige, die am Freitag (06.08.2021, 09:30 Uhr) als einzige deutsche Starterin über die 20 Kilometer Gehen der Frauen am Start stehen wird, sieht beim Blick aus dem Hotel einen Wald. Viel Grün, kaum Menschen und erst recht keine Olympischen Ringe.

200 Kilometer von Sapporo entfernt

Nicht nur, dass die Wettbewerbe im Gehen nicht in der Olympia-Stadt Tokio ausgetragen werden, sondern in Sapporo. Feige und die anderen deutschen Geher sind noch einmal 200 Kilometer von den olympischen Geher- und Marathon-Strecken entfernt in der Kleinstadt Shibetsu untergebracht. Nicht einmal beim Training kommt Olympia-Flair auf: "Wir haben eine 2,5-Kilometer-Strecke außerhalb der Stadt hinter einem Damm. Wir sehen niemanden und werden auch sonst strikt von der japanischen Bevölkerung getrennt", sagte Feige im Gespräch mit sportschau.de.

Hitzewelle über Hokkaido

Was sich wie ein Wellness-Aufenthalt in der Abgeschiedenheit des japanischen Nordens anhört, ist stattdessen trainingsmethodisch genau kalkuliert. Die Konzentration auf den Wettkampf steht im Vordergrund.

Und mindestens genauso wichtig: "Die klimatischen Bedingungen stimmen hier, sind vergleichbar mit Sapporo." Die olympischen Geher- und Marathon-Wettbewerbe waren extra vom heißen Tokio auf die kühlere Nordinsel Hokkaido verlegt worden, damit die Bedingungen den Sportlern nicht so sehr zusetzen. Ob das Kalkül des Olympia-Organisationskomitees aufgeht, ist allerdings fraglich. Aktuell wird die Gegend von einer Hitzewelle mit Temperaturen von über 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit erfasst.

Trainnig extrem - mit Heißlüfter und nassen Handtüchern

"Ich bin persönlich gar nicht so traurig, dass es heiß ist, das mischt das Feld noch einmal durcheinander", blickt Feige trotzdem positiv auf ihren Wettkampf am Freitag. Gut möglich, dass die in Leipzig lebende Feige so von einem außergewöhnlichen Training profitiert, mit dem sie sich unter anderem zusammen mit ihrem Potsdamer Teamkollegen Christopher Linke zu Hause auf Olympia vorbereitet hat.

In einer sogenannten Hitzekammer mit Heizlüftern und nassen Handtüchern wurden die Wettkampfbedingungen in Japan simuliert. In 90-minütigen Trainingseinheiten auf einem Ergometer oder dem Laufband wurde so die Körpertemperatur in Fieberregionen von um die 40 Grad Celsius getrieben. Ganz bewusst soll so die körperliche Leistungsfähigkeit bei hohen Temperaturen verbessert werden.

Feige: "Die Psyche spielt eine Rolle"

"Hitzeschockproteine werden dabei gebildet", erklärt die 23 Jahre alte Medizinstudentin Feige fachkundig: "Das sind Chaperone, die anderen Proteinen helfen, ihre funktionsfähige Form anzunehmen. Produziert werden sie unter Stress, dafür muss man aber die Kernkörpertemperatur in den Fieberbereich bringen." Neben der körperlichen Anpassung spielt auch die Psyche eine Rolle. "Für den Kopf ist das wichtig. Man weiß, dass man unter diesen Bedingungen bereits trainiert und das ausgehalten hat."

Bei WM 2019 von neuartiger Methode profitiert

Der deutsche Geher Christopher Linke (r.) in Aktion © IMAGO / Beautiful Sports

Linke kämpft Donnerstag um die Medaillen.

Entwickelt hat diese Methode der Berliner Ausdauersportler und Mediziner Paul Schmidt-Hellinger. Profitiert davon haben die deutschen Geher bereits bei der WM 2019 in Doha. Feige wurde unter den Extrembedingungen mit Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit auf der 20-Kilometer-Strecke als drittbeste Europäerin Elfte. Linke verpasste als Vierter die Bronzemedaille nur um 19 Sekunden. Nach Platz 24 bei Olympia in London will Linke nun im 20-Kilometer-Rennen am Donnerstag (05.08.2021, ab 9.30 Uhr) in Sapporo vorn mitmischen.

Feige: "Neue Bestzeit wäre Wahnsinn"

Feige, die erst 2015 vom Laufen zum Gehen wechselte, geht ohne Medaillenambitionen ins Rennen. Dafür ist die Konkurrenz aus China, Lateinamerika oder auch Japan zu groß. "Von den Platzierungen her ist es schwer einzuschätzen", sagt die Potsdamerin und verweist darauf, dass nach dem Wegfall des 50-Kilometer-Wettkampfes bei den Frauen einige der Langstreckenspezialistinnen auch bei der kürzeren Strecke am Start stehen werden. Aber vielleicht eine neue Bestzeit? "Eine neue Bestzeit wäre der Wahnsinn für mich", blickt Feige voraus. Bisher stehen für die 40. der Weltrangliste 1:30:40 Stunden von den deutschen Meisterschaften
2019 als Bestmarke - damals gelaufen bei Temperaturen unter 5 Grad und Schnee.

Olympia-Feeling am TV

Beim Wettkampf am Freitag in Sapporo wird dann endlich auch olympisches Flair zu spüren sein - sogar mit Kirschblüten an der Strecke, die extra für Olympia gekühlt und statt im Mai erst jetzt zum Blühen gebracht werden.

Bis dahin müssen sich die deutschen Geher und Marathonläufer eher behutsam dem Land der Gastgeber annähern: "Wir haben heute teamintern einen kleinen japanischen Abend gemacht, sind alle mit einheimischen Gewändern zum Essen gegangen. Außerdem haben wir eine Spielekonsole." Olympia-Feeling gibt es vorerst aber nur aus dem Fernseher: "Wir schauen nachher alle noch gemeinsam die Leichtathletik-Wettkämpfe".

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 06.08.2021 | 01:05 Uhr

Stand: 04.08.21 18:31 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge USA USA 39 41 33
2. Flagge Volksrepublik China CHN 38 32 18
3. Flagge Japan JPN 27 14 17
4. Flagge Großbritannien GBR 22 21 22
5. Flagge Russisches Olympisches Komitee ROC 20 28 23
6. Flagge Australien AUS 17 7 22
7. Flagge Niederlande NED 10 12 14
8. Flagge Frankreich FRA 10 12 11
9. Flagge Deutschland GER 10 11 16
Stand nach 339 von 339 Entscheidungen.

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