Markus Rehm mit seiner Geburtstagstorte © imago images/Beautiful Sports Foto: Oliver Kremer

Leichtathletik

Markus Rehm: Superstar und deutscher Paralympics-Goldgarant

von Florian Neuhauss

Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn Markus Rehm nicht eine weitere Paralympics-Goldmedaille für Deutschland holen würde. Doch auch beim Weitsprung-Weltrekordler läuft nicht alles rund.

"Scheiße, Mann!" Markus Rehm macht aus seinem Frust keinen Hehl. Der Weltrekordler im Weitsprung der Klasse T64 hadert an diesem Abend beim Training auf dem Aufwärmplatz neben dem Olympiastadion von Tokio mit der eigenen Leistung. Es ist unangenehm schwül, Rehm springt deshalb einfach mit bloßem Oberkörper. Erst stimmt die Absprunghöhe nicht, dann schraubt er an seiner Prothese herum und wischt sich immer wieder den Schweiß vom Beinstumpf. Es folgt ein Videostudium auf einer neben dem Anlauf stehenden Holzbank, schließlich harkt der Superstar des Para-Sports auch ein Stück weit frustriert selbst den Sand in der Sprunggrube.

"Das war nicht so gut heute. Alles andere wäre gelogen. Mir ist gerade auch noch ein Schuh kaputtgegangen, das hat vielleicht für zusätzliche Unruhe gesorgt", sagt der 31-Jährige im Anschluss an die Einheit. "Einige erwarten, dass ich im Training regelmäßig 8,50 Meter oder weiter springe. Aber das ist nicht der Fall. Ich bin ein Wettkampf-Typ."

Erst im Juni eigenen Weltrekord verbessert

Markus Rehm bejubelt seinen Weltrekord-Weitsprung über 8,62 Meter. © IMAGO / Beautiful Sports

Markus Rehm und sein Fabel-Weltrekord.

Das hat der Leverkusener oft eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Schon 2012 gewann Rehm Paralympics-Gold im Weitsprung. In Rio de Janeiro kamen 2016 Titel mit der 4x100-m-Staffel und wieder im Weitsprung hinzu. Mit 8,21 Metern gewann der gebürtige Schwabe mit der Unterschenkelprothese souverän den Wettbewerb.

Doch auch wenn Dominator Rehm kaum Konkurrenz zu fürchten hat, würde der Orthopädietechniker-Meister nicht im Traum darauf kommen, sich auf seinen Erfolgen auszuruhen. Erst im Juni hat er bei der Para-EM in Polen mit 8,62 Metern einen Fabel-Weltrekord aufgestellt. Im Interview sagt er schmunzelnd: "Da scheint noch was zu gehen." Mit dieser Weite hätte er übrigens auch einen weiteren Titel locker gewonnen - bei Olympia siegte der Grieche Miltiadis Tentoglou mit 8,41 Metern.

Amputation nach Wakeboard-Unfall mit 14

Rehm, der in Folge eines Wakeboard-Unfalls mit 14 Jahren seinen rechten Unterschenkel verlor, ist längst das Gesicht des Para-Sports - nicht nur in Deutschland. Durch seine positive und offene Art scheint er spielend leicht überall auf der Welt die Menschen für sich einnehmen zu können. Nicht zuletzt in Japan, und bei den Paralympics. Zu seinem Geburtstag am 22. August bat ihn das IPC nicht nur zur PK ins riesige Pressezentrum, sondern überreichte dem deutschen Strahlemann auch gleich noch eine kleine Geburtstagstorte - getreu dem Motto: Ehre, wem Ehre gebührt.

Weiter Warten auf Urteilsbegründung des CAS

In seinem Versuch, mit einer Klage vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS seinen Start bei Olympia zu erstreiten, sehen Kritiker eine Abkehr vom Para-Sport. Rehm wird allerdings nicht müde zu betonen, dass er ein stolzer Para-Athlet sei. Sein Thema ist und bleibt die Inklusion. Wenngleich er keinen Hehl aus seinem Ärger macht, dass er nach wie vor auf die Urteilsbegründung des CAS wartet. "Das ist ziemlich traurig. Aber ich muss das abhaken, die Paralympics sind mein Highlight."

Wie es nach den Paralympics weitergeht, ist nach seiner Aussage vollkommen offen. Er könnte sich eine baldige Zukunft als Orthopädietechniker-Meister genauso vorstellen wie einen neuen Anlauf auf die Spiele in Paris in drei Jahren. Und auch die Familienplanung sei irgendwann ein Thema.

Oberstes Ziel: Wieder die Paralympics gewinnen"

Die nötige Lockerheit für seine Topleistungen verschafft sich Rehm mit Sport. Im Winter auf dem Snowboard, im Sommer auf dem Wakeboard - und im Paralympischen Dorf dürfte ihn schon so mancher Widersacher auf dem Skateboard gesehen haben. "Das hat gerade noch ins Gepäck gepasst."

Auch wenn eine verkorkste Trainingseinheit bei seinem Werdegang nicht sonderlich wichtig erscheint, mag sie der Leverkusener nicht einfach abhaken. "Eigentlich war das nicht geplant, aber ich denke, dass ich noch eine Sprungeinheit vor dem Wettkampf (Anm. d. Red.: am 1. September, 13.30 Uhr) einschieben werde. Dass es nicht so läuft, passiert öfters mal. Aber ich will mit einem guten Gefühl in den Wettkampf gehen. Das oberste Ziel ist es, den Titel aus Rio zu verteidigen und wieder die Paralympics zu gewinnen."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Paralympics Tokio 2020 | 29.08.2021 | 09:00 Uhr

Stand: 29.08.21 13:09 Uhr

Medaillenspiegel

Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge Volksrepublik China CHN 96 60 51
2. Flagge Großbritannien GBR 41 38 45
3. Flagge USA USA 37 36 31
4. Flagge Russisches Paralympisches Komitee RPC 36 33 49
5. Flagge Niederlande NED 25 17 17
6. Flagge Ukraine UKR 24 47 27
7. Flagge Brasilien BRA 22 20 30
8. Flagge Australien AUS 21 29 30
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12. Flagge Deutschland GER 13 12 18
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