El Quafi: Ahnungslos zum Marathonsieg
Er läuft und läuft und läuft. Der Kolonialfranzose Mohamed El Quafi kommt erst in der zweiten Hälfte des Marathons richtig in Schwung. Er überholt einige. Bis am Ende niemand mehr vor ihm ist. Denn der kuriose Marathon von Amsterdam endet mit dem Außenseitersieg des gebürtigen Algeriers. El Ouafi ist ein umsichtiger Läufer, große Chancen rechnet er sich nicht aus: 1924 in Paris hatte er sich noch einen erbitterten Kampf um Platz sechs geliefert - und verloren. Nach einem Drittel der Strecke liegt der 29-Jährige mehr als zwei Minuten hinter einer Spitzengruppe aus elf Läufern zurück. Unter den Führenden auch der Japaner Kanematsu Yamada, der leichtfüßig seine Konkurrenten deklassieren will.
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Geschichte
Das war Olympia 1928
Verschleißerscheinungen bei den Favoriten
Indem Yamada bei Kilometer 30 die Spitzengruppe sprengt, mischt er das ganze Rennen auf: Alle direkten Konkurrenten verschleißen sich beim Versuch, den Japaner einzuholen - und werden von El Ouafi nach und nach "kassiert". Der Franzose, der erst nach der Wende langsam beschleunigt hat, läuft schließlich auch am führenden Yamada vorbei. Der ist völlig "platt". El Quafi weiß aber nichts - weder von Führungswechseln, noch von Ausreißversuchen. Und registriert auch nicht, dass er schon vorne liegt. Er läuft einfach weiter. Und wundert sich, dass er niemanden mehr überholt - bis er als Sieger ins Ziel kommt.
Ohne Fortune in Paris
Mit seinem Gold geht El Quafi nach Amerika, wo er mit einer Zirkustruppe im New Yorker Madison Square Garden auftritt. Er verdient Geld, verliert aber seinen Amateurstatus. Zurück in Paris, eröffnet er dort ein Café - mit nur mäßigem Erfolg. 28 Jahre später, nach dem Gold-Gewinn seines Landsmanns Alain Mimoun in Melbourne, findet man El Quafi verarmt und arbeitslos. Eine Sammlung, zu der die französische Sportzeitung "L'Équipe" aufruft, erbringt 50.000 Francs. Am 18. Oktober 1959 stirbt Frankreichs erster Marathon-Olympiasieger, erschossen in einem Familienstreit.