
München 1972: Terror zerstört die heiteren Spiele
Zum zweiten Mal nach 1936 ist Deutschland 1972 Olympia-Gastgeber. Heitere Spiele in einem toleranten Land sollen es werden - ganz anders als die Propagandaspiele der Nationalsozialisten. Schon die atemberaubende Konstruktion des Olympiastadions mit seinem Zeltdach symbolisiert Freiheit und Offenheit. Eine gute Woche lang sind die Olympischen Spiele tatsächlich ein fröhliches Fest, das Zuschauer und Athleten begeistert. Dann sorgt der Terroranschlag auf die israelische Mannschaft für ein jähes Ende der heiteren Spiele von München.
Spitz schwimmt von Rekord zu Rekord
Zunächst geht das Konzept der Olympia-Macher um Willi Daume auf. Schon die Eröffnungsfeier bei Bilderbuchwetter verzaubert Millionen. Hürdensprinterin Heidi Schüller spricht als erste Frau bei Sommerspielen den "Olympischen Eid". Heide Rosendahl erlöst eine fiebernde Fan-Gemeinde mit Gold im Weitsprung, holt dazu noch Gold in der 4x100-Meter-Staffel sowie Silber im Fünfkampf. Unvergessen: Die erst 16-jährige Ulrike Meyfarth schockt Hochsprung-Weltrekordlerin Ilona Gusenbauer und flopt am Ende zu Gold. 800-Meter-Läuferin Hildegard Falck, Speerwerfer Klaus Wolfermann und Geher Bernd Kannenberg bescheren Gastgeber Deutschland dreimal Gold innerhalb einer Stunde - am 3. September. Rückenschwimmer Roland Matthes (DDR) wiederholt seinen Doppelsieg von Mexiko über 100 und 200 Meter. Turn-Floh Olga Korbut (UdSSR), der "Spatz von Minsk", avanciert mit dreimal Gold und einmal Silber zum absoluten Publikumsliebling, Landsmann Walerie Borsow brüskiert die sieggewohnten US-Boys im Sprint. Frauenschwarm Mark Spitz macht sich in der Olympia-Schwimmhalle mit sieben Goldmedaillen unsterblich, jede einzelne verziert er mit Weltrekord!
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Geschichte
Das war Olympia 1972 in München
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Die Olympischen Spiele 1972 finden vom 26. August bis 11. September 1972 in München statt. Das offizielle Plakat zeigt den Olympiaturm und das Zeltdach des Stadions.
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Das von Architekt Günter Behnisch konzipierte Olympiastadion besticht durch seine Zeltdachkonstruktion. Weitere Austragungsstätten liegen bei den "Spielen der kurzen Wege" in unmittelbarer Nähe.
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UdSSR-Sprinter Waleri Borsow (l.) reißt im Ziel jubelnd die Arme hoch: Er gewinnt nach dem 100-m-Lauf auch das olympische 200-m-Finale der Männer.
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Der deutsche Ringer Wilfried Dietrich sorgt mit seinem Schultersieg gegen den mehr als 200 kg schweren US-Amerikaner Chris Taylor für einen der spektakulärsten Momente der Olympia-Geschichte. Eine Medaille holt Dietrich - Olympiasieger 1960 - jedoch nicht.
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Knapp gewonnen ist trotzdem Gold: Hildegard Falck (Wolfsburg) siegt über 800 m eine Zehntelsekunde vor der Russin Nijole Sabaite (l.).
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Zentimeter entscheiden auch im Speerwerfen. Klaus Wolfermann (Gendorf) holt mit 90,48 Metern Gold vor dem Russen Janis Lusis (90,46 m).
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Dramatisches Duell in der 4x100-Meter-Staffel: Heide Rosendahl (l.) hält DDR-Schlussläuferin Renate Stecher auf Distanz. Mit Weltrekord wird die Bundesrepublik Olympiasieger.
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Jubel mit Känguru: Shane Gould ist der Liebling der Münchner Zuschauer: Die erst 15-jährige Schwimmerin holt dreimal Gold in Weltrekordzeit sowie einmal Silber und einmal Bronze. Über 200 m Lagen hat auch DDR-Star Kornelia Ender das Nachsehen.
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Olga Korbut bei ihrer "Silber-Übung" am Stufenbarren. Am Schwebebalken und am Boden erkämpft sich die UdSSR-Turnerin jeweils die Goldmedaille.
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Das DDR-Team holt in München 20 Goldmedaillen, darunter zwei durch den Schwimmer Roland Matthes (100 m und 200 m Rücken).
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Sensationssiegerin: Die 16 Jahre alte Ulrike Meyfarth holt vor 80.000 Zuschauern im Olympiastadion Gold im Hochsprung und stellt den Weltrekord von 1,92 m ein.
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Der legendäre Goldsprung von München: Heide Rosendahl (Leverkusen) landet nach 6,78 m in der Sandgrube.
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Der US-amerikanische Schwimmer Mark Spitz wird zum Goldfisch...
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... In der Münchner Olympiahalle feiert er sieben Olympiasiege (alle mit Weltrekord).
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Die Segel-Wettbewerbe finden - wie 1936 im Rahmen der Spiele von Berlin - in Kiel statt.
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Auch Augsburg darf sich über olympische Wettkämpfe freuen. Hier werden die Entscheidungen im Kanuslalom ausgetragen.
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Am 5. September 1972, dem elften Olympia-Tag in München, wird aus den heiteren Spielen bitterer Ernst: Die palästinensische Terrorgruppe "Schwarzer September" überfällt das Olympische Dorf und nimmt elf Athleten der israelischen Mannschaft als Geiseln.
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Die Terroristen verlangen, nach Kairo auszufliegen. Zwei Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes transportieren die Terroristen und ihre Geiseln zum nahe gelegenen Flugplatz Fürstenfeldbruck. Die Befreiungsaktion der Polizei ist ein Desaster. Alle neun Geiseln, ein Polizist und fünf Terroristen kommen ums Leben.
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Die "heiteren Spiele" sind vorbei, dennoch gehen die Wettkämpfe weiter. IOC-Präsident Avery Brundage spricht bei der Trauerfeier den legendären Satz: "The Games must go on!"
Blutbad in Fürstenfeldbruck
Am Tag nach Spitz' letztem Triumph zerstört der Terror die heiteren Spiele. "Schwarzer September" nennt sich das palästinensische Terror-Kommando, das in den frühen Morgenstunden des 5. September in das Haus Connollystraße 21 im Olympischen Dorf eindringt - ins Quartier der israelischen Mannschaft. Ringer-Coach Moshe Weinberg wird durch die geschlossene Tür erschossen, weitere Israelis werden gefangen genommen. Die Terroristen fordern ultimativ die Freilassung von 200 in Israel inhaftierten Arabern und drohen, die Geiseln sofort zu erschießen. Nach Verhandlungen mit Bundesinnenminister Genscher und Polizeipräsident Schreiber lassen sich die Verbrecher am Abend mit den Geiseln zum Flugplatz Fürstenfeldbruck bringen. Dort will die Polizei der Geiselnahme ein Ende bereiten. Doch der Einsatz wird ein Desaster. Die Befreiungsaktion endet in einem unkontrollierten Feuergefecht. Fünf der acht Terroristen, ein Beamter und alle Israelis kommen ums Leben.
Die Spiele gehen weiter
Sollen die bislang so fröhlichen Spiele weitergehen? Das IOC entscheidet sich, die Wettkämpfe fortzusetzen. Präsident Avery Brundage spricht bei der Trauerfeier im Olympiastadion den berühmt gewordenen Satz: "The Games must go on!" Die Atmosphäre der Tage vor dem Attentat haben die Spiele jedoch nicht mehr.