Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa bei den Olympischen Spielen in London © Witters Foto: Matthias Hangst

Doping

CAS: Russlands Leichtathleten für Rio gesperrt

Russische Leichtathleten dürfen bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro nicht starten. Der Internationale Sportgerichtshof CAS wies am Donnerstag (21.07.2016) in Lausanne den Einspruch von 68 russischen Athleten gegen ihren Olympia-Ausschluss zurück.

Die höchste sportrechtliche Instanz erklärte den Ausschluss von 68 russischen Leichtathleten durch den Weltverband IAAF für rechtmäßig. Eine Urteilsbegründung gab es wegen der "Dringlichkeit der Sache" zunächst nicht, sie soll "so schnell wie möglich" nachgereicht werden. Das CAS-Urteil ist auch deshalb wichtig, weil es das Internationale Olympische Komitee (IOC) in seine Entscheidung über einen möglichen Komplettausschluss der russischen Mannschaft maßgeblich mit einbeziehen will. "Wir müssen nun die vollständige Urteilsbegründung studieren und analysieren", hieß es in einem Statement. Die IOC-Entscheidung werde "innerhalb der kommenden Tage" gefällt.

Hörmann: Russland auf die Strafbank

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), begrüßte das Urteil. Es sei "ein klares Signal an alle Beteiligten, dass hier die eindeutig definierten Grenzen inakzeptabel überschritten sind." Für das IOC sei damit die Grundlage geschaffen, um die von Thomas Bach angekündigten "härtesten Sanktionen gegen dieses Betrugssystem auszusprechen. Denn wer gegen die gemeinsamen Spielregeln von Fairplay verstößt, gehört auf die Strafbank." Auch Dagmar Freitag, Vorsitzende im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, forderte das IOC auf, den Komplettausschluss Russlands durchzusetzen: "Das Urteil ist auch ein unmissverständlicher Fingerzeig für das IOC. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Das IOC kann nicht mehr länger auf andauernde Entscheidungsfindungen Dritter verweisen."

Meinungen aus Deutschland zum möglichen Komplettausschluss:

  • Springreiter Ludger Beerbaum

    "Es ist schwierig, aus der Entfernung eine Antwort zu finden. Da es Staatsdoping ist und selbst höchste Stellen in Putins Apparat eingeweiht waren, muss man mit der härtesten Strafe antworten. Dennoch tue ich mich schwer mit Pauschalurteilen."

  • Zehnkämpfer Rico Freimuth

    "Wenn man jetzt betrachtet, wie unfair die Russen in den letzten Jahren gehandelt haben, wie viele Medaillen die Russen anderen geklaut haben - dann ist das, denke ich, absolut fair. Was die Russen in den letzten Jahren abgezogen haben, allein schon bei den Winterspielen - da kriegt man doch mit, dass es eine staatliche Sache ist." Darum müsse man "alle, ausnahmslos alle, bestrafen".

  • Dagmar Freitag, Sportausschussvorsitzende des Deutschen Bundestages

    "Wir brauchen jetzt einen Präsidenten im Internationalen Olympischen Komitee, der seiner Führungsrolle nachkommt und Führungsstärke zeigt. Thomas Bach muss vorangehen und eine Haltung vorgeben, für die er in der IOC-Exekutive um eine Mehrheit ringt. Er kann nicht auf Dauer darauf warten, was die Fachverbände tun, was das CAS macht."

  • DOSB-Präsident Alfons Hörmann

    "Ich würde die 20 Sportarten, in denen man Russland systematisches Doping nachgewiesen hat, ausschließen. Bei den verbleibenden Disziplinen halte ich es für eine schwierige Entscheidung, die juristisch wohl nur schwer haltbar wäre. Deshalb würde ich an dieser Stelle eventuell Kompromisse als die bestmögliche Lösung sehen - wenn auch nur schweren Herzens."

  • Kugelstoßer David Storl

    Der zweimalige Weltmeister ist für den Ausschluss aller russischen Sportler: "Es ist hart gegenüber den Athleten. Aber es ist ja nun klar, dass es staatlich gelenkt ist und dass es ein System ist." Daher werde es "einfach mal Zeit, ein Zeichen zu setzen".

  • Kugelstoß-Weltmeisterin Christina Schwanitz

    "Ich finde es unfair, dass alle über einen Kamm geschert werden und dass allen unterstellt wird, dass sie dopen. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, so pauschal alle zu verurteilen."

  • DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska

    "Die Faktenlage und die Manipulationsvorwürfe sind begründet. Und damit ist die Entscheidung auch nachvollziehbar."

  • Christian Baumgartner, Präsident des deutschen Gewichtheber-Verbandes

    "Es würden Länder profitieren, die jahrelang von gedopten Sportlern betrogen worden sind. Selbst wenn das IOC keine Sperre aussprechen sollte, wird die IWF nicht an diesem Skandal vorbeigehen und eigene Konsequenzen ziehen." Im McLaren-Report der WADA nimmt das russische Gewichtheben mit 117 vertuschten Dopingfällen die zweite Position hinter den Leichtathleten (139) ein.

  • Schwimm-Bundestrainer Henning Lambertz

    "Es sollten alle Sportarten ausgeschlossen werden, wo klar nachgewiesen werden kann, dass sie zum staatlichen Doping dazugehört haben. Es sollte ein klares Zeichen gesetzt werden, dass so etwas nicht akzeptiert und toleriert wird."

  • Christian Schreiber, Vorsitzender der Athletenkommission im DOSB

    "Das kann eigentlich nur zu einem kompletten Ausschluss führen. Das ist auch das, was wir als Athletenkommission fordern. Wir schließen uns der Forderung der WADA und der IOC-Athletenkommission an."

  • Ringer Frank Stäbler

    Stäbler sprach sich in einer "Bild"-Umfrage für einen Komplettausschluss aus, "auch wenn es leider sicher auch unschuldige Athleten treffen wird. Anders scheint der russische Sport aber nicht zu kapieren."

  • Sportdirektor Richard Prause vom Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB)

    "Es gab einen Dopingfall im russischen Tischtennis. Derzeit prüft der Weltverband ITTF, ob flächendeckend gedopt wurde. Solange das nicht erwiesen ist, sollte man das Team nicht ausschließen."

  • Tischtennis-Europameister Dimitrij Ovtcharov

    "Die Dimension ist unvorstellbar. Wer aber sauber ist, sollte fahren."

  • Bahnradfahrer Roger Kluge

    "Wenn es von oben organisiert ist, muss man das Land bestrafen. Natürlich trifft es auch Unschuldige, für die es unfair wäre. Aber Russland ist nun leider riesig."

  • Beachvolleyballerin Laura Ludwig

    "Wenn sich der Weltverband FIVB und das IOC sicher sind, dasss die Beachvolleyballerinnen nicht gedopt haben, dann sollten sie nicht bestraft werden für die Dummheiten der anderen Sportler."

  • Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB)

    "Ich würde mich freuen, wenn die Russen im Handball teilnehmen." Zu anderen Sportarten wollte er sich nicht äußern.

  • Wasserspringer Patrick Hausding

    "Mir tun zwar auch die sauberen Athleten leid. Aber mitgefangen, mitgehangen!"

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Mutko: "Entscheidung auch politisch motiviert"

Der Leichtathletik-Weltverband konstatierte, der CAS habe "Chancengleichheit geschaffen". IAAF-Präsident Sebastian Coe betonte dennoch, dass "dies kein Tag für triumphale Statements" sei: "Der ureigenste Wunsch unseres Verbandes ist es einzubinden - nicht auszuschließen." Moskau reagierte mit einer Mischung aus Augenmaß, Polemik und Zorn. Der russische Sportminister Witali Mutko erklärte, man werde mögliche Schritte prüfen: "Ich kann nichts anderes ausdrücken als Bedauern. Wir werden nun unsere nächsten Schritte beraten. Ich denke, die Entscheidung ist auch politisch motiviert und hat keine rechtliche Grundlage." Es sei Zeit, "sogar ein Zivilgericht anzurufen".

Auch der Kreml äußerte sich entsprechend. "Die Idee einer kollektiven Schuld ist aus unserer Sicht nur schwer zu akzeptieren", sagte Dimitri Peskow, Sprecher von Präsident Wladimir Putin. Ein Boykott der Spiele werde aber nicht erwogen. Das russische Außenministerium kritisierte die Entscheidung als "Verbrechen gegen den Sport". Stabhochsprung-Olympiasiegerin und -Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa nannte den Richterspruch ein "Begräbnis" für die Leichtathletik. "Die 'sauberen' ausländischen Sportler werden erleichtert aufatmen und in unserer Abwesenheit ihre pseudogoldenen Medaillen gewinnen", giftete die 34-Jährige. Sie hoffe nun auf IOC-Chef Thomas Bach.

Seppelt: "Verschwörungstheorien helfen nicht weiter"

ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt © WDR/Herby Sachs

ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt: "Aussagen der Whistleblower bestätigt."

"Die russischen Athleten können sich bei ihren Funktionären im nationalen Verband, der russischen Anti-Doping-Agentur und den Politikern im Sportministerium bedanken, die sie in diese unheilvolle Lage gebracht haben", sagte ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt sportschau.de: "Die sattsam bekannte Theorie zu einer angeblich politisch motivierten Verschwörung des Westens hilft hier sicherlich nicht weiter." Die Beleglage zum staatlich unterstützten Doping zumindest in der Leichtathletik sei damit nicht mehr anfechtbar: "Sportrechtlich sind damit letztlich alle Aussagen der beiden Whistleblower Julia und Witali Stepanow aus den ARD-Dokumentationen bestätigt worden." Auch Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), begrüßte das Urteil und sprach von einem "historischen Tag. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Doping-Bekämpfung. Es ist ein Start in eine neue Ära des Anti-Doping-Kampfes."

Kaum Ausnahmegenehmigungen

Die IAAF hatte den russischen Leichtathletik-Verband RUSAF am 13. November 2015 wegen flächendeckenden Dopings suspendiert. Der Ausschluss war zuletzt am 17. Juni bestätigt worden. Demnach erhielten nur russische Leichtathleten für die Olympischen Spiele und andere internationale Wettkämpfe eine Startberechtigung, die nachweislich im Ausland lebten und nicht dem russischen Dopingsystem unterstanden. Ausnahmegenehmigungen wurden lediglich der in den USA lebenden Weitspringerin Darja Klischina und Kronzeugin Stepanowa erteilt. Alle anderen russischen Leichtathleten, darunter Issinbajewa, blieben gesperrt und klagten dagegen.

Möglicher Bann aller russischen Sportler

Grundlage für oder gegen einen Bann aller russischen Sportler ist der Bericht des WADA-Ermittlers Richard McLaren, in dem Staatsdoping in Russland angeprangert wird. Außerdem wurde nachgewiesen, dass bei den Winterspielen 2014 in Sotschi positive Dopingproben von russischen Athleten vertuscht oder verfälscht worden sind.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 21.07.16 16:32 Uhr