Doping
Staatsdoping: WADA fordert Ausschluss Russlands
Die Welt-Anti-Doping-Agentur attestiert Russland systematisches Doping. Über Jahre hinweg seien mit Hilfe von Sportministerium und Geheimdienst positive Proben vertuscht worden. Die Kommission unter Leitung von Richard McLaren empfahl den Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen in Rio.
Die Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) unter Leitung von Rechtsprofessor Richard McLaren haben am Montag (18.07.16) in Toronto Belege für staatlich gesteuertes Doping in Russland vorgelegt. Mindestens 643 positive Dopingproben von russischen Athleten seien zwischen 2012 und 2015 in den Analyselabors in Moskau und Sotschi "verschwunden" - und dann negativ gewesen. Das russische Sportministerium habe die Manipulationen überwacht, sagte McLaren. Auch der Geheimdienst sei involviert gewesen. "Russische Athleten aus den meisten Sommer- und Wintersportarten" hätten von der Manipulationsmethode profitiert, betonte McLaren. Die 643 Fälle seien "nur ein Minimum", heißt es in dem 97-seitigen Report, weil den Ermittlern der Zugang zu allen einschlägigen Berichten unmöglich war. "Das ist ein erschreckender und beispielloser Angriff auf die Integrität des Sports", sagte Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC): "Das IOC wird nicht zögern, die härtest möglichen Sanktionen gegen jede beteiligte Person oder Organisation zu ergreifen." Erste Konsequenzen sollen bereits am Dienstag (19.07.16) gezogen werden, so Bach.
Welche Sanktionen verhängt das IOC?
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Bislang hat sich das IOC jedoch eher moderat gegenüber Russland gezeigt. Bach hatte vor der Veröffentlichung des Berichts gesagt, das IOC müsse die richtige Balance zwischen kollektiver Verantwortung und individueller Gerechtigkeit finden. Formell müssten die internationalen Sportverbände in jeder Sportart eine Entscheidung treffen. In der Leichtathletik hat der Weltverband IAAF bereits die russischen Athleten von Olympia ausgeschlossen. Nun droht der Komplett-Ausschluss des russischen Teams: "Die WADA ruft die Sportbewegung auf, den russischen Sportlern die Teilnahme an internationalen Sportereignissen inklusive Rio zu verwehren, bis sich ein Kulturwandel vollzogen hat", teilte WADA-Sprecher Ben Nichols via Twitter mit. Bach äußerte sich bislang sehr defensiv zu dieser Option. ARD Doping-Experte Hajo Seppelt sprach vom "Lacmus-Test" für den deutschen IOC-Präsidenten: "Entweder Null-Toleranz gegen Doping zeigen oder am Ende doch wieder Real-Politik machen."
Auch NADA fordert Komplett-Ausschluss
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Der IOC-Präsident hatte zuletzt sogar die Rolle des russischen Nationalen Olympischen Komitees bei der vermeintlichen Aufklärung des Dopingskandals gelobt. Doch die Stimmen, die weitreichende Konsequenzen für Russland fordern, werden lauter. Die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA in Bonn bekräftigte nach der Veröffentlichung des Berichts ihre Forderung nach einem Komplett-Ausschluss Russlands von den Spielen in Rio. "Der McLaren-Report lässt nur einen Schluss zu: Die NADA fordert das Internationale Olympische Komitee auf, dafür zu sorgen, dass russische Sportlerinnen und Sportler nicht zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro zugelassen werden", erklärte die NADA-Vorsitzende Andrea Gotzmann.
Gleichlautende Forderungen hatte es schon vor der Veröffentlichung unter anderem aus den USA, Kanada, Spanien und der Schweiz gegeben. Mehrere Sportlergruppierungen hatten zuletzt ebenfalls ein härteres Durchgreifen von Seiten des IOC gefordert.
Massiver Betrug bei den Spielen 2014 in Sotschi
Anlass für den McLaren-Bericht waren die Vorwürfe, dass bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 Dopingproben russischer Sportler manipuliert und positive Tests vertuscht worden seien. Der ehemalige Chef des russischen Doping-Kontrolllabors, Grigori Rodschenkow, hatte die Affäre ins Rollen gebracht und von massivem Betrug im Zuge der Sotschi-Spiele berichtet. Er ist aus Russland geflohen und lebt mittlerweile in den USA. Die WADA fand umfangreiche Beweise, die Rodschenkows Aussagen bestätigten. Mehrere Dutzend russische Sportler, darunter mindestens 15 Medaillengewinner, sollen in Sotschi gedopt an den Start gegangen sein. "Rodschenkow ist aus unserer Sicht ein glaubwürdiger Zeuge", betonte McLaren: "Was er sagte, passte zu den Ergebnissen unserer Untersuchungen."
Putin: "Rückfall in 1980er-Jahre"
Das sieht Wladimir Putin anders: Der WADA-Bericht basiere auf den Aussagen eines einzelnen Menschen mit einem "skandalösen Ruf", so der russische Präsident, der mehr objektive und auf Fakten basierende Informationen forderte. Putin kritisierte den Report als Rückfall in der 1980er-Jahre, in denen sowohl die Spiele in Moskau als auch in Los Angeles aufgrund politischer Spannungen vom Westen beziehungsweise von der UdSSR und der DDR boykottiert wurden. Damals sei der Sport als Geisel genommen worden. "Wir beobachten einen gefährlichen Rückfall einer Einmischung der Politik in den Sport." Gleichwohl kündigte Putin erste Maßnahmen an: "Funktionäre, die in dem Bericht als direkt Beteiligte genannt werden, sollen bis zum Ende der Untersuchungen suspendiert werden." Im Amt bleibt allerdings Sportminister Witali Mutko, obwohl auch er in dem McLaren-Report als Beteiligter genannt wird.
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Stand: 18.07.16 18:20 Uhr