Die russische Weitspringerin Darja Klischina. © imago

Leichtathletik

"Verräterin" Klischina will es allen zeigen

"Verräterin" war eines der netteren Schimpfwörter für Darja Klischina. Die Weitspringerin musste sich noch deutlich schlimmere Beleidigungen anhören, weil sie als einzige Leichtathletin Russlands bei Olympia in Rio starten darf.

Klischina möge gefälligst ihren Pass abgeben, sich nie wieder in Russland blicken lassen und bitte kläglich scheitern. So und ähnlich wurde in den sozialen Netzwerken über Klischina geschrieben. "Ich wurde beschuldigt, eine Feindin des Vaterlandes zu sein", sagt Klischina, die in ihrer Heimat fast so unbeliebt ist wie die Doping-Whistleblowerin Julia Stepanowa. Für die Weitspringerin mit dem Aussehen eines Models eine unangenehme Situation: "Ich denke, es ist falsch, mich zu kritisieren und eine russische Verräterin zu nennen."

Mitte Juli erhielt Klischina vom Weltverband IAAF als einzige Russin die Starterlaubnis für Rio - weil sie seit 2013 in Bradenton/Florida lebt, trainiert und sich dem Anti-Doping-System der USA unterwirft. Der Rest der Russen ist wegen der auch von Stepanowa aufgedeckten staatlich unterstützten Doping-Betrugsmaschinerie gesperrt. Der letzte verzweifelte Versuch, den Bann anzufechten, wurde vom Sportgerichtshof CAS abgelehnt. Im Fall Klischina gab es kurz vor ihrem Wettkampf noch eine doppelte Kehrtwende: Der IAAF entzog ihr zunächst das sicher geglaubte Startrecht, bevor die Ad-hoc-Kommission des CAS diese Entscheidung wieder kassierte und der 25-Jährigen endgültig grünes Licht für ihren Olympia-Auftritt gab.

Klischininas Dank an die IAAF "beschämend"

Viele Russen hätten es gerne gesehen, wenn Klischina deswegen auf die Reise nach Brasilien verzichtet hätte. Doch stattdessen dankte die Weitspringerin der IAAF - als die ihr zunächst das Startrecht erteilt hatte - auf Facebook für die Freigabe. Das kam in der Heimat überhaupt nicht gut an, und über der Medaillenkandidatin brach ein Shitstorm herein. In russischen Medien wurde die EM-Dritte von 2014 sogar mit Nazi-Kollaborateuren gleichgesetzt. Jefgeni Trofimow, Trainer von Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa, nannte Klischinas Dank an die IAAF "beschämend".

Hochkonzentriert und gut in Form

Klischina versucht, den Sturm der Entrüstung vor ihrem mit Spannung erwarteten Auftritt nicht an sich heranzulassen. Sie habe sich nur einen Tag niedergeschlagen gefühlt, danach sei die Sache für sie erledigt gewesen. "Es war ein Sonntag, ich hatte frei. Am Montag hatte ich wieder einen klaren Kopf", sagt Klischina: "Ich habe keinen einzigen Trainingstag verloren."

Auch ihr Trainer Loren Seagrave, der schon den kanadischen Sprint-Olympiasieger Donovan Bailey betreute, glaubt nicht, dass sich Klischina von all dem Wirbel um ihre Person ablenken lässt. Sie habe sich "Scheuklappen" aufgesetzt, sei "hochkonzentriert" und in "sehr guter Form", sagt Seagrave. Die angebliche Verräterin will es in Rio allen zeigen.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 15.08.16 14:27 Uhr