Busemanns Kolumne
Wenn man eine Reise nach Rio tut, dann ...
Raus aus dem deutschen Sommer, rein ins Vergnügen: ARD-Kolumnist Frank Busemann ist in Rio angekommen. Nun gilt es für ihn, in der Olympia-Stadt den Überblick nicht zu verlieren.
Jetzt bin ich also endlich im südamerikanischen Winter angekommen. Reisten die Athleten vor 100 Jahren noch mit dem Schiff und mussten auf der Überfahrt aufpassen, dass sie nicht vollends ihre Form einbüßten, meckere ich heute schon wegen zwei Stunden Bahnfahrt, drei Stunden Warterei und elf Stunden Flug. Und ich bin noch nicht mal ein Athlet. Trotzdem habe ich Rücken- und Nackenschmerzen. Okay, da haben wir den Grund für meine schlechte Verfassung. Ich bin eben ein Tourist. Kein Athlet. Aber Moment - das ist eine ganz schlechte Voraussetzung für den Trip an den Zuckerhut.
Keine Angst vor kleinen Mücken
Im Vorfeld wurden wir, gelinde gesagt, panisch darauf hingewiesen, auf was alles zu achten sei. Die Medien waren voll von Mücken mit Zika, Cariocas mit Messern, Taschendieben in Topform, Meerwasser mit mehr Müll als Wasser und viel Verkehr mit noch mehr Stau. Und seit die amerikanische Torhüterin Hope Solo in den sozialen Medien gepostet hat, wie sie der gemeinen brasilianischen Killermücke Herr werden will, wird sie von den Brasilianern ausgebuht. "Ziiikaaa!", brüllen die, wenn sie am Ball ist. Ich habe zwar auch Mückenspray dabei, aber liebe Cariocas, ich liebe diese possierlichen Tierchen - so lange diese verdammten Biester nicht stechen! Allerdings haben wir Winter, Tag eins ist geschafft und ich habe keine gesehen. Das werde ich also überstehen.
Überlebenstipps für den Ernstfall
Kurz nach meiner Ankunft gabelte mich Jonas Reckermann auf und ich klagte ihm mein Leid, dass ich nicht wisse, wie ich lebend aufs olympische Gelände käme. Man liest ja so allerhand und die Anarchie scheint nach diesen Berichten nicht mehr weit. Er ist schon seit einer Woche hier und irgendwie tiefenentspannt. Kann er auch sein, war er doch früher oft im Trainingslager im Mutterland des Beachvolleyballes: Er kennt Land und Leute. Aber ich spiele kein Beachvolleyball. Der Ironman Faris al-Sultan meinte im Vorfeld scherzhaft, ich solle meine Kohle einfach hochwerfen und wegrennen. Das wäre eine gute Idee, wenn ich so schnell wie früher wäre. Jetzt schaffe ich elf Stunden Flug nur mit Nacken und Rücken.
Aus dem Ruhrpott an die Copacabana
Hey, ich bin ein Tourist. Kein Sprinter. Ein Tourist. Stopp, das war verboten. Streng verboten! Ein ganz wichtiger Hinweis im Umgang mit dem Habhaftbleibens eigener Besitztümer: "Das brasilianische Volk ist multikulturell und grundverschieden. Es gibt nicht den Carioca, also passen Sie sich den Bedingungen an und werden Sie optisch einer!" Ich soll also so tun, als sei ich ein Einheimischer? Das ist mal ein Tipp. Vor allem für einen, der schon in Dortmund, zu Hause, aussieht wie ein Tourist.
Mutig im Halbdunkel durch Rios Straßen
Aber was soll ich sagen? Jonas hat recht. Es gibt keinen Anlass zur Sorge. Mutig wie ich im zehnstündigen Crashkurs für Rio-Reisende geworden bin, bin ich im Halbdunkeln sogar durch die Straßen geschlendert. Allein. Mutig, oder? Vielleicht aber auch nur ganz normal.
Stand: 10.08.16 02:07 Uhr