Die Silhouette von IOC-Präsident Thomas Bach vor den olympischen Ringen © picture alliance / dpa

Ein Twitter-Chat mit Thomas Bach

Einmal den IOC-Präsidenten Dr. Thomas Bach einfach via Twitter anschreiben, wenn einem eine Frage unter den Nägeln brennt. Das ist wohl der Traum jedes Journalisten. Doch der Herr der Ringe ist bei dem Kurznachrichtendienst natürlich nicht unterwegs. Oder doch? Wenn einem @ThomasBach_ in die Timline flattert, der launig auf Beschimpfungen "uffgereschter" Twitterer reagiert, kann man schon mal stutzig werden. Dabei handelt es sich bei diesem Thomas Bach um einen Finanzfachmann aus Rheinhessen und nicht um den IOC-Präsidenten. Höchste Zeit also, mit dem "Twitter-Thomas-Bach" zu chatten.

 

Herr Bach, mit Ihrem Namen bei Twitter unterwegs zu sein, ist sicher nicht leicht. War Ihnen das klar, als Sie ins Gezwitscher eingestiegen sind?

Thomas Bach: Keineswegs. Die prominente Namensvetterschaft war mir natürlich bewusst. Ich war auch schon das eine oder andere Mal darauf angesprochen worden. Aber dass Herr Bach einmal so im Fokus der Berichterstattung und damit auch der sozialen Medien stehen würde, konnte ich damals nicht erahnen.

Haben Sie denn jeden Tag "uffgereschte" User, die Sie beschimpfen?

Bach: Nicht mehr. Inzwischen ebbt diese Art von Direktnachrichten etwas ab. Die letzte eindeutig zuzuordnende "Uffgereschtheit" geschah unmittelbar vor meinem Gewinnspiel-Aufruf. Den ich übrigens hiermit außer Kraft setze, um uffgereschten Direktnachrichten der Bundesärztekammer vorzubeugen.

Sie haben gut 250 Follower. Hand aufs Herz, wie viele davon wollen wohl eher dem IOC-Präsidenten folgen? Oder sortieren Sie bewusst aus?

Bach: Ich sortiere bislang niemanden aus. Jeder kann mir folgen. Kostet auch nix. Aber da ich meine Follower relativ intensiv mit Hardcore-Wirtschaftsnachrichten, Meldungen und Meinungen zum Kapitalmarkt und manchmal auch zu Fleischwurstwettbewerben in meiner rheinhessischen Heimat traktiere, bin ich mir sicher: Wer das ein paar Tage in seiner Timeline sieht, der weiß, dass da nicht der Präsident des Olympischen Komitees twittert.

Aus welcher Richtung kommt denn der größte Shitstorm? Aus Frankreich scheint ja einiges einzulaufen. Auch aus anderen Teilen der Welt?

Bach: Ja, französischsprachige "Twitterazzi" zeigen da ein überdurchschnittliches Engagement. Ich kann mir auch nicht schlüssig erklären warum. Vielleicht ein stärker ausgeprägter Gerechtigkeitssinn? Mit näher rückendem Starttermin der Spiele wurden die Tweets aber internationaler. Bei Schriftzeichen aus dem asiatischen Bereich oder auch schon Portugiesisch muss ich gänzlich passen. Um herauszufinden, ob man nur freundlich angesprochen oder verbal angerempelt wird, hat sich der Ausrufezeichen-Index bewährt. Bis zu drei Ausrufezeichen verbuche ich unter "engagierte Unmutsäußerung". Erst oberhalb dessen wäre es für mich eine handfeste Beschimpfung. Und zumindest nach dieser Skala ist offen gesagt noch nicht viel passiert.

Gibt es denn auch mal einen netten Tweet oder Gruß?

Bach: Das vermute ich. Allerdings kann ich Tweets, die beispielsweise mit einem Smiley enden, aber ansonsten nach Mandarin aussehen, häufig ebenso wenig lesen. Und die Übersetzungsfunktion von Twitter ist zwar oft besser als die von Google, aber auch die lässt einen manchmal ratlos zurück.

Antworten Sie auch auf Verwechslungs-Tweets, oder erlauben sich mal einen Spaß im Namen des IOC-Präsidenten?

Bach: Bei Verwechslungs-Tweets habe ich bisher noch immer geantwortet und die Sache aufgeklärt. Es sei denn, der Tweet beginnt mit "Sind Sie der Richtige?" So etwas muss ich natürlich bejahen. Aus meiner Sicht bin ich ja der Richtige. Der andere ist eben "Der Andere". Ich bin aber am allermeisten darüber erstaunt, dass offenbar so wenige Leute einen Blick auf das Profilbild werfen. Meiner Einschätzung nach würde das bei der Orientierung sehr weiterhelfen.

Sind Sie überhaupt sportinteressiert und verfolgen die Olympischen Spiele?

Bach: Ja, sportinteressiert bin ich, wenn auch kein Experte. Für mich spielt da insbesondere der Vereinssport an der Basis eine wichtige Rolle. Zu den laufenden Spielen komme ich derzeit leider nur in kurzen Zusammenfassungen. Meistens morgens im Radio.

Wie ist denn Ihre Meinung zu Dr. Thomas Bach und der Kritik an den Entscheidungen des IOC?

Bach: Vor der Person des IOC-Präsidenten und seinem Einsatz für den deutschen und internationalen Sport habe ich großen Respekt. Der tatsächliche Leidensdruck, einen solchen Namensvetter zu haben, hält sich demnach in sehr engen Grenzen. Die aktuelle Entscheidung in der Causa Russland ist natürlich, wie ich aus erster Hand weiß, umstritten. Manch sehr energischer Kommentar wirkt auf mich aber so, als sei man regelrecht froh, jetzt endlich mal eine konkrete Person zu haben, auf die man den über Jahre angestauten Frust beim Thema Doping entladen kann. Dabei ist die Entscheidung, die Sportler einer ganzen Nation vom höchsten Sportfest der Welt auszuschließen, wohl die schwierigste, die das Komitee treffen kann. Ich kann den Ansatz der Befürworter eines Ausschlusses schon verstehen. Aber hier galt es ja auch, einen globalen Sportverband unter einen Hut zu bekommen. Dass man da nicht die drakonische Maximalstrafe bevorzugt, die sich mancher Beobachter gewünscht hätte, kann ich jedenfalls nachvollziehen.

Was tun Sie denn, wenn Sie nicht gerade als "Thomas Bach" auf Twitter unterwegs sind?

Bach: Ich bin sehr gerne offline auf Tour, zum Beispiel beim Wandern. Da ich beruflich aber in der Unternehmenskommunikation einer Sparkasse tätig bin, spielen Social Media einfach eine große Rolle in meinem Tagesablauf. Zum Frühstück gehören nun mal gute Brötchen, Kaffee, die Zeitung und Twitter.

Die erste Amtszeit des IOC-Präsidenten läuft bis 2021. Eine Wiederwahl für weitere vier Jahre ist möglich. Sieht nach vielen weiteren "uffgereschten" Tweets aus?

Bach: Ich glaube, dass sich das Thema nach den Spielen versachlichen wird. Mit Sicherheit wird das IOC gemeinsam mit den Verbänden nach Lösungen suchen, die für alle tragbar sind und nicht unter solch ungünstigem Zeitdruck zustande kommen, wie dieses Mal. Und mit der Verwechslung wird es sich nach diesem Chat ohnehin erledigt haben. Übersetzen Sie sportschau.de eigentlich ins Französische?

Thomas Bach wurde angezwitschert von Matthias Heidrich, sportschau.de

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 11.08.16 10:48 Uhr