Die deutsche Radsportlerin Denise Schindler jubelt über Bronze. © Oliver Kremer / DBS Foto: Oliver Kremer

Sportler

Paralympics: Mein Weg - Denise Schindler

Ich bin Denise Schindler, Radsportlerin, und im deutschen Team für die Paralympics in Tokio. Mein Spitzname ist "Killerbiene", weil ich im Rennen alles aus mir rausholen kann. Ich bin vor der Startlinie sehr nett. Ich bin nach der Ziellinie sehr nett, aber im Rennen wird Rennen gefahren und da wird dann alles gegeben.

Die Paralympics im Allgemeinen sind für mich emotional sehr, sehr aufgeladen. Ich durfte schon zweimal bei den Spielen sein, und das ist natürlich mein großer Lebenstraum, dem alles untergeordnet ist. Und dieses Jahr die dritten Spiele in Tokio - daran teilzunehmen ist mein großer Traum. Ich glaube, dreimal bei den Spielen gewesen zu sein, das wäre für mich persönlich wirklich ein Ritterschlag.

Unfall im Alter von zwei Jahren

Ich hatte als kleines Kind im Alter von zwei Jahren einen Unfall. Ich bin ausgerutscht, die Straßenbahn kam und infolgedessen musste mein rechtes Bein amputiert werden. Ich bin unterschenkelamputiert, das heißt mein Knie ist noch da, aber auch das linke Bein wurde beim Unfall stark verletzt. Ich habe dadurch mittlerweile ein versteiftes Fußgelenk und eine Art Klumpfuß, der mir tatsächlich manchmal mehr Probleme macht als meine Prothese. Ich habe schon Schmerzen, wenn ich gehe und muss dosieren, wieviel ich laufe oder wieviel ich stehe.

Die Zeit in der Schule, und vor allem Schulsport, waren für mich eher demütigend. Da wurden zwei Teams gebildet, eben in dieser pädagogisch eher wertfreien Variante, dass einer nach dem anderen ins Team gewählt worden ist. Ich war natürlich die letzte oder - wenn ich Glück hatte - die vorletzte.

Dann war im anderen Team eine Person mehr und es gab die Klage, dass dies unfair sei. Dann sagte der Lehrer: Ist kein Problem, die andere Gruppe ist ja behindert. Daraus habe lernen müssen, dass ich da drüberstehe. Ich bin froh, dass ich Sport doch noch für mich entdeckt habe.

Radsport bedeutet Freiheit

Ich finde, Radsport bedeutet Freiheit. Du bist auf dem Fahrrad, du bist mit dir beschäftigt. Du musst deine eigenen Grenzen überwinden. Du hast Wind und Wetter. Dir peitscht alles ins Gesicht. Ob das der Gegenwind ist, ob das der Regen ist, ob das der Berg ist oder dein Gegner.

Nichts ist ehrlicher als der Radsport. Den Wettkampf zu sehen und zu verstehen, wie man taktisch vorgehen muss, wie man dosieren muss, was man alles schaffen muss.

Wenn man sieht, wie die Athleten, auch wenn sie stürzen, wieder aufs Fahrrad steigen und trotzdem weiterkämpfen. Das ist für mich einfach pure Faszination.

Ständige Arbeit mit dem Orthopädie-Techniker

Das Besondere für mich als unterschenkelamputierte Frau ist, dass ich eine spezielle Prothese brauche. Wenn ich vier Stunden Rad fahre, geht jede Minute neunzig Mal eine Belastung auf den Stumpf. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn die Prothese nicht zu 100 Prozent passt - und es kommt ja immer wieder zu Änderungen durch das viele Training - habe ich sofort Druckstellen.

Ich muss also immer wieder mit meinem Orthopädie-Techniker die Prothesen anpassen. Das ist ein laufender Prozess. Und das ist auch sehr, sehr herausfordernd. Da muss ich beispielsweise im Vergleich zu normalen Radsportlern sehr viel Zeit aufwenden, damit es immer passt damit ich mein Trainingspensum absolvieren kann.

Das Ziel: Die 3 km auf der Bahn unter vier Minuten

Für meine dritten Spiele habe ich mir nochmal vorgenommen, dass ich auf der Bahn in der Verfolgung die 3 km unter vier Minuten schaffe. Und das ist auch, was mich so reizt und meine Motivation ist: Nochmal alles reinzugeben. Natürlich fehlt mir auch noch die Goldmedaille und es wäre das Sahnehäubchen, wenn das klappt. Aber die oberste Zielstellung ist, dass ich diese vier Minuten knacke.

Ja, das Leben ist manchmal unfair und du kannst sicherlich nicht immer was dafür. Aber trotzdem hast du noch die Möglichkeit zu entscheiden, was du daraus machst. Also: Egal was passiert, du kannst immer entscheiden: Was mache ich draus und wie ist meine Einstellung dazu.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Paralympics 2020 | 24.08.2021 | 09:05 Uhr

Stand: 16.08.21 09:56 Uhr