Parareiter Steffen Zeibig © imago images / Stefan Lafrentz

Sportler

Paralympics: Mein Weg - Steffen Zeibig

Ich bin Steffen Zeibig, 44 Jahre alt, lebe in Arnsdorf in der Nähe von Dresden und bin Dressurreiter. Ich habe in Schulzeiten auch gern Leichtathletik gemacht. Dieses Kämpferherz, das Bedürfnis, sich messen zu wollen, ist das eine. Aber der Umgang mit so einem großen Tier ist das andere. Pferde geben so viel zurück.  Allein morgens schon das Füttern, wenn die Pferde dann ihr Heu schnurpsen - das mitzubekommen, ist ein schönes Gefühl, ein Lebensgefühl.

Mir fehlen der rechte Unterarm, der linke Fuß und der rechte Unterschenkel. Die Ursache für meine Behinderung ist unbekannt, es war wohl eine Laune der Natur oder einfach Schicksal. Im Alltag denke ich nicht an meine Behinderung. Da gibt es ganz, ganz wenige Dinge, bei denen ich denke: Jetzt wäre eine zweite Hand schön.

Ich bin über meine ein Jahr jüngere Schwester zum Reiten gekommen. Ich wollte ohnehin immer alles ausprobieren, was Gleichaltrige machen. Es hat gut funktioniert, ich habe da auch meinen Weg gefunden mit meiner Behinderung. Aber ich würde sagen: Es ist grundsätzlich schwer, mit dem Reiten anzufangen.

Der Anfang war hart und kompliziert

Das Pony ist oft dahingelaufen, wo es selbst hinwollte und nicht, wo ich hinwollte. Es war sehr hart und kompliziert. Wir hatten keine Reitlehrer, ich musste mir ganz viel selbst beibringen. Ich bin so oft heruntergefallen. Warum ich trotzdem dabeigeblieben bin? Irgendein Virus hat mich da wohl angesteckt…

Bis zur Einschulung hatte ich eine steife Oberschenkelprothese, also eine ohne Kniegelenk. Mit der Einschulung, das hat die Orthopädietechnik damals so beschlossen, wurde erstmalig ein Kniegelenk eingebaut. Und damit wurde ich unendlich mobiler. Das hat auch das Reiten erst richtig ermöglicht.

Zunächst im Springreiten aktiv

Ich bin dann später in der Springreiterei in Sachsen im Regelsport dabei gewesen, also bei den Nichtbehinderten. Von A-Springen bis M-Springen habe ich alles absolviert und war sehr erfolgreich. Im Jahr 2000 gab es einen Aufruf, dass in Deutschland paralympische Reiter gesucht werden.

Da gab es dann einen Sichtungslehrgang, ich war dort - und sofort entsetzt, weil keine Hindernisse da waren. Es hatte mir keiner gesagt, dass es beim Para-Sport nur Dressur gibt. Da war die Enttäuschung erstmal sehr groß. Letztlich fand ich das aber sehr interessant. Und seitdem bin ich ein leidenschaftlicher Dressurreiter.

Paralympics in Rio das schönste Erlebnis

2008 fanden die Reitwettbewerbe der Paralympics in Hongkong statt und wir haben Silber mit der Mannschaft geholt. Ebenso in London 2012, die Atmosphäre dort war gigantisch! Aber die schönsten, die emotionalsten Spiele waren für mich in Rio 2016. Die Brasilianer haben uns so herzlich empfangen und wenn ich an die Eröffnungsfeier im Maracana-Stadion denke, bekomme ich Gänsehaut.

Beim Wettkampf habe ich schon Druck empfunden, gedacht: Jetzt und hier, in dieser Sekunde musst du das abrufen, was du vier Jahre geübt hast. Du fliegst mit dem Pferd um die halbe Welt, um vier Minuten eine Prüfung zu reiten, dann will man es auch nicht verbocken. Dann habe ich Bronze im Einzel gewonnen. Eine Bestätigung für viele Jahre Arbeit.

Ziel für Tokio ist eine Medaille

Für Tokio habe ich mir vorgenommen, es erneut aufs Podest zu schaffen. Die Konkurrenz ist riesig gewachsen und auch stark. Aber wenn alles passt, können wir da was reißen. Ich trete mit meiner Stute Feel Good an, sie ist jetzt seit acht Jahren bei mir im Stall. Die ersten Monate waren ganz, ganz schwierig. Da mussten wir uns wirklich zusammenraufen und da bin ich auch das ein oder andere Mal echt abgestiegen. Und dann ist doch ein Knoten geplatzt und ich habe einen guten Zugang zu ihr bekommen. Jetzt möchte ich sie nicht mehr missen.

Abgesehen von den Paralympics: Ein großer Erfolg für mich ist, dass ich im Regelsport über die Jahre gelernt habe, in der schwersten Klasse, der Klasse S, starten zu können. Vor zehn Jahren wäre es unvorstellbar für mich gewesen, mich so mit gesunden Menschen zu messen. Dass ich da mitmischen kann und mich nicht verstecken muss, ist für mich in all den Jahren der Dressur ein großer Stein, eine große Sache.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Paralympics 2020 | 24.08.2021 | 09:05 Uhr

Stand: 16.08.21 09:56 Uhr