Zuschauer im Velodrom © NDR Foto: Bettina Lenner

Tokio

So jagen die Fans den olympischen Geist bei den Geisterspielen

von Bettina Lenner

Und es gibt sie doch, die Zuschauer bei den Geisterspielen von Tokio. Viele Japaner nutzen die seltenen Gelegenheiten, einen Wettkampf offiziell zu besuchen. Andere finden kreative Lösungen auf der Jagd nach dem olympischen Geist.

Als der schwedische Stabhoch-Wunderspringer Armand Duplantis zu später Stunde seine Goldmedaille vor rund 70.000 leeren Rängen im schmucken Olympiastadion feiert, stehen die Gastgeber der Sommerspiele vor der Arena noch immer Schlange. Sie können nur ahnen, was sich hinter der begrünten Zedernfassade abspielt, die für sie wegen der Corona-Pandemie zur unüberwindbaren Hürde geworden ist.

Dennoch wollen sie den olympischen Geist spüren, auf den sie sich jahrelang gefreut haben. Und so warten sie geduldig, wie es die höflichen Japaner eben so machen, bis sie an der Reihe sind und sich mit den riesigen olympischen Ringen neben dem Eingang ablichten können.

Menschen machen Selfies vor den Olympischen Ringen in Tokio. © NDR Foto: Bettina Lenner

Selfies mit den olympischen Ringen für ein bisschen Olympia-Feeling.

Ein Selfie mit den Ringen - für die meisten Fans ist es das Höchste der Gefühle während dieser so speziellen Sommerspiele. Denn in Corona-Zeiten gibt es kaum Gelegenheiten für die Gastgeber, die weltbesten Athleten im eigenen Land zu sehen. Nur drei Präfekturen erlauben eine begrenzte Anzahl an Zuschauern. Wie Shizuoka zum Beispiel. Andere Präfektur, andere Corona-Regeln. Im Izu Velodrome, 120 Kilometer von Tokio entfernt, darf die Hälfte der 3.600 Plätze genutzt werden.

Dabei sein ist auch für die Zuschauer alles

Ganz so voll wird es nicht, auch wenn der Bahnrad-Tempel an allen Wettkampftagen längst ausverkauft ist. Die Angst vor der Delta-Variante geht um, und ohnehin ist die Rundenhatz im Land der aufgehenden Sonne nicht gerade Volkssport. Einem japanischen Paar, eigens aus dem 130 Kilometer entfernten Yokohama angereist und mit den Mützen im Maskottchen-Design auch optisch im Olympia-Modus, ist das herzlich egal. Ahnung vom Radsport? Sie winken lachend ab. Aber sie wollen dabei sein. Soweit das eben möglich ist.

Olympia-Zuschauer mit Mützen in Form der Maskottchen Miraitowa und Someity © NDR Foto: Bettina Lenner

Gut behütet ins Velodrom: Olympia-Touristen aus Yokohama.

Emma Hinze, die gemeinsam mit Lea Sophie Friedrich Silber im Teamsprint holte, findet das gut: "Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass wir keine Zuschauer haben werden. Es gefällt mir, dass es dann doch ein paar Leute sind und es auch ein bisschen Stimmung gibt. So ganz ohne Zuschauer fühlt es sich an wie Training", sagte die Dreifach-Weltmeisterin.

Stau auf der Fußgängerbrücke beim BMX

Wo keine Zuschauer erlaubt sind, werden die Fans kreativ. Vergebens hielten die fleißigen Helfer beim Straßenradrennen mahnende Schilder in die Höhe. Zehntausende kamen trotz aller Appelle, sich den Outdoor-Events fernzuhalten. Auf einer Fußgängerbrücke in der Nähe des Ariake Urban Sports Park, wo keine Fans zugelassen sind, stauten sich während der BMX-Rennen die Passanten auf einer Fußgängerbrücke, weil sie von dort einen Blick auf ihre Helden erhaschen konnten. Im Odaiba Marine Park an der Tokioter Waterfront trotzten die Menschen dem Regen, um den Triathlon zumindest aus der Ferne zu sehen.

Selbst die Journalisten, die vor den Hotels auf die Busse warten, werden von den Tokiotern fotografiert. Hauptsache ein Hauch Olympia.

Kristina Vogel ist froh über die Fans

Trotz steigender Zahl der Corona-Neuinfektionen sind die streng vom Volk abgeschirmten Olympischen Spiele bei vielen Japanern angekommen. Was an den Leistungen der japanischen Athleten liegt, die fleißig Medaillen einsammeln und dabei respektvoll und bescheiden bleiben. Aber auch an der allgegenwärtigen Gastfreundschaft und dem Stolz darüber, das größte Sportereignis der Welt auszutragen.

Ausreichend Abstand und Maske auf - in der Schlange vor den olympischen Ringen am Olympiastadion halten sich auch zu vorgerückter Stunde alle an die Regeln. Wie auch im Izu Velodrome, wo die Zuschauer nicht lauthals jubeln dürfen und stattdessen mit den Füßen trampeln. Was dem zurückhaltenden japanischen Naturell wahrscheinlich ohnehin eher entspricht. "Die Japaner sind nicht so laute, aber faire Fans", meint die zweimalige Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel, die als TV-Expertin die Rennen im Velodrom verfolgt: "Man spürt durchaus Stimmung hier. Wenn man in Tokio sieht, wie wenige Menschen dabei sind, bin ich dafür sehr dankbar."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 04.08.2021 | 08:00 Uhr

Stand: 04.08.21 10:36 Uhr