Busemanns Kolumne
Die Macht des Siege(r)s
ARD-Kolumnist Frank Busemann hat gelitten mit Robert Harting. So wie die Brasilianer mit ihren Sportlern. Dennoch hat er festgestellt, dass es da einen Unterschied zwischen "uns" und den Südamerikanern gibt. Der auch ein Grund dafür ist, dass viele Stadion in Rio leer bleiben.
Was habe ich gestern gelitten, als Robert Harting mit den Alltagsmalaisen eines Endvierzigers zu kämpfen hatte. Hexenschuss beim Saisonhöhepunkt. Da trifft Big auf Bäng. Eine grundsolide Jedermannsbelanglosigkeit führt zum größten anzunehmenden Unfall im wichtigsten Wettkampf des Jahres. Das darf nicht wahr sein.
Ein Hexenschuss stoppte Robert Harting: Busemann litt wie ein Hund.
Ich war im Schockzustand. Und der Harting erst einmal. Eigentlich sind wir von ihm das Siegen gewohnt. Genau deswegen macht der Sportler Sport und schaut der Zuschauer zu. Er will mitfiebern, anfeuern, hoffen, bangen, kämpfen, siegen. Selbst als Antisportler pulsiert der Puls bis unter die Halskrause. Wenn dann der erste Platz dabei herausspringt, dann haben wir gewonnen! Wir haben Gold - obwohl ich so gut Diskus werfe wie ich Fußnägel lackieren kann. Egal, wir gewinnen. Das hat aber auch leider zur Folge, dass wir verlieren. Und da wären wir beim nächsten Problem.
Der Brasilianer an sich gewinnt auch lieber, als dass er verliert. Eigentlich vollkommen normal. Der Sieg oder das Triumphieren in jedweder Form setzt Glückshormone frei und bestätigt das eigene Handeln. Die Niederlage als solche bereitet vielen großen Schmerz. Gute Sportler und erfolgreiche Menschen haben zahllose Misserfolge dieser Art erfahren und ihre Lehren daraus gezogen. Trotzdem wird keiner direkt danach sagen "diese Niederlage wird mich in meinem Leben weiterbringen".
Verlieren ist scheiße - drum bleibt manche Tribüne leer
Nein, verlieren ist scheiße. Aber nicht verlieren können, ist noch scheißer. Wie gehe ich als Athlet oder aber auch als begeisterter Fan im Nachhinein damit um? Ist in unserem Verständnis das Gewinnen erst so schön, weil das Verlieren nicht so schön ist, habe ich mir gestern den Grund für teilweise leere Stadien erklären lassen. Es ist nur eine Annahme, eine Vermutung, aber ich fand sie einleuchtend. Ein Brasilianer meinte, seine Landsleute seien keine Sportenthusiasten im passiven Sinne. An der Copacabana frönen sie dem Körperkult, aber als Fan sieht das anders aus. Bei vielen ginge es nicht darum, die Schönheit des Sports zu erleben, die Aufs und Abs zu begleiten. Nein, sie wollen gewinnen. Das ist natürlich für das Wohlbehagen um einiges schöner, aber es lässt manchen Sitzplatz leer.
Bei den Beachvolleyballspielen können wir dieses Phänomen gut beobachten. Spielen Brasilianer, ist die Bude voll, spielen sie nicht, leert sich das Stadion - obwohl die Karte bezahlt ist. Zudem bekommt der nichtbrasilianische Gegner die ganze Härte der Fanmacht zu spüren. Im Fußball kennen wir das nicht anders, bei Olympia mag es manchmal überraschen. Auf der einen Seite ist das schade, zeigt aber auch die ganze Unterstützung für seinen Landsmann oder -frau. Vielleicht ist es bei Olympischen Spielen auch deshalb so wichtig, dass die heimischen Sportler überraschen, die Leute mitreißen, sie in ihrem Alltag abholen und beim Siegen mitnehmen. Wir leiden mit unseren Sporthelden ja auch mit.
Stand: 13.08.16 08:32 Uhr