Olympia-Stadt
"Tudo bem" in Rio? Eine Frage der Perspektive
von Bettina Lenner, sportschau.de
Rio de Janeiro ist faszinierend, aber nicht einfach und alles andere als perfekt. Auch für die Spiele hat sich die Olympia-Stadt nicht neu erfunden. "Tudo bem", "alles gut" am Zuckerhut? Eine Frage der Perspektive.
Von wegen Samba, Strand und Caipirinha. Rio kostet Nerven. Und das nicht zu knapp. Busse, die erst stundenlang nicht auftauchen und dann beharrlich in die falsche Richtung rollen, verstopfte Toiletten, irritierende Beschilderungen und ratlose Volunteers - Olympia am Zuckerhut ist kompliziert, komplex und alles andere als perfekt. Das brasilianische Motto "Tudo bem", "alles gut", greift oftmals nicht. Und so wird bei vielen Olympia-Gästen bis zuletzt der Eindruck bleiben, dass leider wenig gut läuft.
Mängel gehören zum Alltag
Dabei ist in Rio eigentlich alles wie immer. Nur eben nicht wie bei Olympia. Mängel gehören zum Alltag - auch während der Spiele. Die Cariocas, die Einwohner von Rio, sind daran gewöhnt, sehr lange in Schlangen zu stehen und jeden Tag mehrere Stunden in Bussen zu verbringen. Die aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Probleme machen es nicht gerade leichter. Na klar: Die Sportler müssen bei Olympia unter bestmöglichen Voraussetzungen bestmögliche Ergebnisse erzielen. Das ist ihr Job. Und doch erscheinen die Sorgen der Besucher aus aller Welt im Vergleich zu denen der Gastgeber zuweilen verschwindend klein.
Die Cariocas selbst, die durchaus zu Selbstkritik neigen, haben ohnehin eine ganz andere Sicht auf die Dinge. Viele empfinden die Sommerspiele als willkommene Ablenkung von den drückenden Sorgen - und sind stolz. Kein Stadion eingestürzt, keine Terrorattacke, noch nicht einmal Mücken - es läuft. Was sind dagegen schon ein paar verstopfte Klos? Alles eine Frage der Perspektive.
Copacabana erfüllt alle Klischees
Party pur in der Beachvolleyball-Arena an der Copacabana.
Wer die Musik, die Leichtigkeit, die Lebensfreude sucht, wird übrigens besonders an der Copacabana fündig. Am berühmtesten Strand der Welt erfüllen sich alle Klischees, sonnt sich die Favela-Schönheit neben dem Millionär. Und hier schlägt in einer gigantischen Stahlrohrkonstruktion beim Beachvolleyball das Party-Herz der Spiele.
Apropos Herz: Die ansteckende Herzlichkeit gastfreundlicher Menschen, die gibt es in Rio überall. Daumen hoch ist der Schlüssel zum Erfolg, Sprachbarriere hin oder her. "Tudo bem" eben. Warum die Cariocas allerdings bei jedem Einkauf gleich haufenweise dünne Plastiktütchen aus dem Supermarkt tragen, obwohl das Thema Umweltschutz bei der Eröffnungsfeier eine zentrale Rolle spielte, wird eins der vielen ungelösten Rätsel bleiben. Ebenso wie die Klimaanlagen, die auch am kühlsten brasilianischen Wintertag mit voller Power vor sich hinschnaufen - willkommen im Kühlschrank.
"Brasilien ist nichts für Anfänger"
"Brasilien ist nichts für Anfänger", hat schon Tom Jobim, Schöpfer des Bossa-Nova-Klassikers "The Girl from Ipanema", gesagt. Logik hilft nicht weiter in der dennoch so schönen und sehenswerten Olympia-Stadt, die ihren Besuchern Nerven, Geduld und Verständnis abverlangt. Und doch: Sie werden die widersprüchliche Metropole am Zuckerhut wieder verlassen und in ihre oftmals geordnete Welt zurückkehren. Für die leidgeprüften Gastgeber dagegen, so fürchten viele Cariocas, gehen die Probleme dann erst richtig los.
Stand: 18.08.16 09:48 Uhr