Busemanns Kolumne
Dabei sein ist fast alles
Der Kampf um Gold, Silber und Bronze bei Olympischen Spielen fasziniert die Massen. Für den ARD-Kolumnisten Frank Busemann offenbart sich der wahre Geist Olympias allerdings ganz woanders.
Alle vier Jahre treffen sich die besten Sportler der Welt, um sich in friedlichem Kräftemessen zu duellieren. Spätestens seit dem denkwürdigen Diskuswurf-Finale am Samstag wissen wir um die Dramaturgie und die nichtsportliche Komponente einer solchen Entscheidung. Vor 120 Jahren, bei den ersten Spielen der Neuzeit, traten 241 Teilnehmer aus etwa 14 Nationen an. Das, was eine neue Ära begründen sollte, war damals schon eine riesige Veranstaltung. Heute nehmen in Rio de Janeiro mehr als 11.000 Sportler aus sagenhaften 206 Nationen teil. Die besten der Besten treten in einem glorreichen Wettstreit gegeneinander an, um nach Gold, Silber und Bronze zu schmachten.
Dabei kommt es zu so interessanten Duellen wie Karitaake Tewaaki gegen Kariman Abuljadayel oder Etimoni Timuani gegen Richson Simeon. Wie? Unbekannt? Ich helfe mal ein bisschen mit Zahlen, auch darum geht bei Olympia: 14,70 und 14,61 oder 11,81. Na? Nichts. Abuljadayel hat sogar einen neuen Landesrekord aufgestellt und Timuani war Fahnenträger seines Landes namens Tuvalu.
"Eddy the Eagle" ist unvergessen
Richtig, jetzt dämmert’s. Es geht um die 100 Meter der Frauen und Männer. In der Vorrunde müssen die ganzen Exoten acht freie Plätze für die Vorläufe auslaufen. Das, was ein bisschen nach Bundesjugendspielen aussieht, zeigt den Luxus der Leichtathleten. Bei den Schwimmern kommt es vereinzelt vor, wie zum Beispiel mit dem äthiopischen Schwimmer Robel Kiros Habte, der in knapp 1:05 Minuten die 100 Meter Freistil kraulte.
Unvergessen sind die Publikumslieblinge "Eddy the Eagle" beim Skispringen und "Eric the Eel", der in Sydney das erste Mal in seinem Leben ein 50-Meter-Becken sah. Aber beim Turnen sehe ich niemanden, der nur einen Purzelbaum kann, beim Judo haben alle den schwarzen Gürtel und beim Rudern hat keiner einen Appelkahn für die 2.000 Meter dabei.
Das Herz schlägt für den Wettkampf
Etimoni Timuani (l.) ist stolzer (und einziger) Olympionik von Tuvalu.
Je mehr Teilnehmer und Platz bei den verschiedenen Sportarten, desto mehr Exoten haben die Möglichkeit teilzunehmen. Und genau das macht auch Olympia aus. In allen Sportarten gibt es Ausscheidungsturniere und -wettkämpfe, um die Flut der Athleten zu kanalisieren. Bei acht Bahnen und zehn Läufen können auch vermeintlich langsame Sprinter starten. Laufen ist einfach und Olympia ist global. Aus dem Grund muss es eine Bühne für Länder der dritten und vierten Reihe geben. Wo sonst soll das Motto "Dabei sein ist alles" mit Leben gefüttert werden, wenn nicht hier?
Tuvalus Timuani wurde sogar von sechs Delegationsmitgliedern begleitet. Das zeigt den Stellenwert des Sprinters in seiner Heimat. Ich liebe diese Exoten, die voller Stolz und Ehre ihr Land nach besten Kräften vertreten und dem Start genau so entgegenfiebern, wie alle anderen Teilnehmer. All diese Sportler vereint nicht nur die Leistung, sondern die Aufregung, die Konzentration und das Herz, welches für diesen Wettkampf schlägt. Und wenn der wahre Geist Olympias in die fernen Länder dieser Welt getragen wird, dann ist noch nichts verloren.
Stand: 14.08.16 08:58 Uhr