Frank Busemann in Rio © ARD

Busemanns Kolumne

New York, Rio, Tokio

Als Sportler und späterer Fernsehfritze kommt man ganz schön rum in der Welt. Nun bin ich schon seit knapp einer Woche in Rio de Janeiro und kann mit allerlei Eindrücken meinen geistigen Horizont wieder ein kleines Stückchen erweitern. Doch irgendwie scheine ich dieses Privileg nicht nutzen zu können. Steckt es in meinen Genen oder in meiner Historie als Sportler?

Atlanta 1996, ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Der Sport war gut, die Stadt... keine Ahnung, interessierte mich nicht. Athen ein Jahr später, es war warm, die Akropolis war kaputt und sonst? Sport war gut. Dann Sydney 2000. Meine Frau sagte, dass wir noch einen Urlaub hintendran hängen können. Warum? Weil wir nicht um die halbe Welt fliegen und diese Gelegenheit nicht nutzen! Okay. Frau hatte Recht. Tokio 2002, Fußball-WM, Endspiel. Hinflug, gucken, eine Nacht, Rückflug. War aber toll. Athen 2004, nun mit dem ARD-Morgenmagazin. Akropolis immer noch kaputt, Sendewoche war gut. Sonst? Keine Ahnung.

Peking 2008. Die Kollegen fahren nach der letzten Sendung zur chinesischen Mauer. Busemann fährt ins Stadion. Was für ein Dösbaddel! Sie kommen wieder, ich ärgere mich. Ein bisschen. So bin ich. Ich bin doch nicht zum Sightseeing hier. Aber ich muss was ändern. 2012 London. Gute Sendewoche, frühes Aufstehen, volle Stadt. Doch nichts geändert, alles wie gehabt. Dann, meine Chance, 2015 wieder Peking. Chinesische Mauer! Chinesische Mauer? Ich muss arbeiten beziehungsweise, ich möchte mich auf den nächsten Tag vorbereiten. Mir ist doch nicht zu helfen.

Jetzt an der Copacabana

Frank Busemann hält eine ARD-Tasse in der Hand. © Frank Busemann

Der Beweis: Frank Busemann kommt in Rio hoch hinaus!

Und jetzt Copacabana: Rio de Janeiro. Jetzt habe ich aus meinen Fehlern gelernt. Ich muss mir die Stadt anschauen. Freie Stunden muss ich nutzen. Gleich am zweiten Tag habe ich die erste Chance. Ich bin im ARD-Mittagsmagazin. Da, die Christusstatue. Da ist sie! Ich schicke Freunden mein erstes Zeugnis touristischen Daseins. Sie wundern sich. Ein Kaffeepott der ARD ist doch eher heimische Porzellankunst, lieber Freund. Nein, da am Finger! Zack, Punkt eins locker abgearbeitet. Ich bin wie im Rausch, einen Tag später gehe ich joggen. Brasilien und der Körperkult. Sonne, Strand und Copacabana. Ich reiße mir am Strand gleich das Hemd vom Leib und jogge wie alle anderen auch. Halbnackt. Olà! Ich bin einer von Euch. Die Weißheit meines Körpers und meine Spatzenarme lassen andere Schlüsse zu. Egal. Mein Handy lasse ich aus Angst vor Diebstahl aber im Hotel. Nun kann ich keine Beweise meiner Anwesenheit machen.

Am darauffolgenden Tag schieße ich endlich ein paar Fotos. Laufenderweise spule ich meine Kilometer runter und knipse wie ein Weltmeister. DA! Schon wieder. Rio live! Der Zuckerhut! Hach, ich bin so ein Profitourist. Was fehlt mir eigentlich noch? Ich glaube eine ganze Menge. Aber ich merke, dass ich im Tunnel bin. Zu früher hat sich nicht viel geändert. Ich habe eine Aufgabe und der gehe ich nach. Sehr gern sogar. War es früher der Sport, ist es heute meine Tätigkeit für das Fernsehen. Ich muss mich zwingen, den Kulturbanausen abzulegen. So wie damals, in New York. Meine Frau und ich und ein freier Kopf. Einfach nur so. Wenn ich will, dann kann ich das. Aber es ist okay.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 14.08.16 22:51 Uhr

Das ist Frank Busemann

Geboren:
26. Februar 1975 (Recklinghausen)
Disziplinen:
Zehnkampf, Hürdensprint
Sportliche Erfolge:
Olympia-Silber 1996 (8.706 Punkte)
WM-Bronze 1997 (8.652 Punkte)
U23-Europameister 110 m Hürden 1997 (13,54 Sek.)
Juniorenweltmeister 110 m Hürden 1994 (13,47 Sek.)
Auszeichnungen:
Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis 2004
Sportler des Jahres 1996
Karriereende:
23. Juni 2003
Karriere nach der Karriere:
Vorträge/Seminare zum Thema Motivation
Buch-Autor
ARD-Leichtathletik-Experte
(Morgenmagazin, Das Erste, sportschau.de)