
Der Japan-Reiseblog von Julia Linn
"No Gaijin": Keine Lust auf Fremde in Tokio
Über die Gastfreundschaft vieler Menschen in Tokio habe ich nun schon einige Male geschrieben. Mein Olympia-Erlebnis hat aber nicht nur diese Seite - ständige Ablehnung gehört auch dazu.
Wir sind unterwegs zu einem Olympischen Wettkampf, der Austragungsort ist nicht gut mit der Bahn erreichbar. Kein Problem, denken wir, nehmen wir eben ein Taxi. Und dann geht unser persönlicher Wettkampf los: Etliche Taxen fahre auf uns zu - und einfach vorbei. Wir winken wie die Blöden, die Taxen sind eigentlich alle frei, aber nicht für uns.
Vielleicht haben wir eine taktisch unkluge Stelle gewählt, denken wir, an der die Taxifahrer nicht so gut halten können. Aber auch in einer etwas ruhigeren Straße haben meine Kollegen und ich keine Chance und werden ignoriert. Es regnet, die Ausläufer des Taifuns ziehen über Tokio. Was ein Start in den Tag.
Ich kenne das schon: Vor einigen Jahren hatte ich hier ein ähnliches Erlebnis. Damals war ich gerade mehrere Wochen durch Japan gereist, Tokio war meine letzte Station. Ich stand mit Sack und Pack am Straßenrand und musste zum Flughafen. Eine junge Frau, die allein unterwegs ist, werden die doch wohl nicht stehen lassen - doch, tun sie. Ich weiß noch genau, wie ich um fünf Uhr morgens dort stand und langsam verzweifelte. Jeder, also wirklich jeder andere bekam ohne Probleme ein Taxi. Aber für mich hielt einfach keins an.
Anti-Ausländer-Schilder an Taxen
Das war nicht nur Pech, sondern auch eine grundlegende Einstellung einiger Japaner, die ich da zu spüren bekommen habe und die mir heute Morgen wieder vor Augen geführt wurde: "No Gaijin" - keine Fremden, keine Nicht-Japaner. Genau das stand auch noch, als ich das letzte Mal vor zwei Jahren hier war, auf unzähligen Taxen. Es gab sogar Bars und Restaurants, in denen "Gaijins" verboten waren.
Jetzt zu Olympia scheinen viele dieser Schilder abgenommen worden zu sein. Ich habe in den vergangenen vier Wochen hier noch keines gesehen. Aber die ablehnende Mentalität hat sich offenbar zumindest bei einigen Menschen gehalten.
Der Regenschirm als Gaijin-Schutzschild
Nicht nur, wenn wir ein Taxi nehmen wollen, merken wir das. Auch wenn wir einfach nur die Straße entlang gehen, weichen andere uns weiträumig aus, wechseln die Seite oder halten ihre Schirme quasi als Schutzschild vor sich. Es ist absurd.
Dabei zählen wir Gaijins wahrscheinlich gerade zu den sichersten Menschen in der Stadt. Wir werden mehrfach pro Woche getestet, meine Kollegen und ich sind doppelt geimpft. In Japan ist das aktuell nur etwa jeder Vierte. Coronatests sind hier nicht weit verbreitet. Orte, an denen sich einfach jeder testen lassen kann, wie wir es aus Deutschland kennen, gibt es hier nicht. Hilft nichts: In der Wahrnehmung einiger Menschen hier sind wir die Pandemietreiber.
Happy End mit Sumimasen
Unsere Taxisuche am Morgen hatte übrigens noch ein Happy End. Nach einer halben Stunde erbarmte sich ein Taxifahrer unserer. Er war definitiv nicht vom Schlag der "No Gaijins" und überschüttete uns mit jeder Menge "Sumimasens" - Verzeihung für gefühlt jede rote Ampel. Das gesunde Mittelmaß ist in Tokio irgendwie Mangelware.

Julia Linn
Zur Person: Julia Linn arbeitet für den WDR und im ARD-Studio Tokio und berichtet hier täglich von ihren Erfahrungen bei den Olympischen Spielen in Tokio.
Der Japan-Reiseblog von Julia Linn
Stand: 27.07.21 19:21 Uhr
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Medaillenspiegel
Platz | Land | G | S | B |
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1. |
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39 | 41 | 33 |
2. |
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38 | 32 | 18 |
3. |
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27 | 14 | 17 |
4. |
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22 | 21 | 22 |
5. |
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20 | 28 | 23 |
6. |
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17 | 7 | 22 |
7. |
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10 | 12 | 14 |
8. |
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10 | 12 | 11 |
9. |
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10 | 11 | 16 |
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