Japanische Cheerleaderinnen © ARD/Linn

Der Japan-Reiseblog von Julia Linn

Oma-Cheerleaderinnen jubeln für Olympia

Es beginnt mit einer Begrüßungsorgie: minutenlanges gegenseitiges Verbeugen, unzählige "Konbanwas“ - guten Abend, guten Abend, guten Abend. Elf aufgeregte Cheerleaderinnen und ihre Trainerin nehmen meine Kollegen und mich in Empfang.

Die Mädels wollen gemeinsam ein Spiel der japanischen Fußballer bei den Olympischen Spielen anschauen. Sie sind nicht irgendein Cheerleading-Team - außer ihrer Trainerin haben sie alle längst die 60 und teils auch schon die 70 geknackt, eigentlich sind sie eher Damen als Mädels. Aber man sieht und merkt es ihnen nicht an: Es wird gekichert, gegackert, getuschelt wie auf dem Schulhof. Ihre gute Laune ist ansteckend.

Eine kurze Ansage von Trainerin Eiko Watanabe und zack sind alle fürs Stretching auf dem Boden - mal eben ein Spagat zum Warmwerden, die sind fitter als ich. Als ich sie staunend beobachte, fällt mir etwas auf: Alle haben die gleiche Frisur, aber nur die Trainerin hat echte Haare. Mit Perücken haben sie sich zu Mini-Mes von Eiko Watanabe verwandelt. Dieses Team ist eine richtige Einheit und das wollen sie auch zeigen.

Mit Pompom-Rascheln zum Tor

Das Spiel geht los - und damit auch das große Rascheln. Mit den Pompoms in der Hand werden die Spieler auf der Leinwand angefeuert. Warum sie sich jetzt dafür gestretcht haben, verstehe ich auch nicht. Das Spiel läuft gut für die Japaner und damit auch für die Cheerleaderinnen. Selten habe ich Menschen so euphorisch bei irgendetwas mitfiebern sehen: Jede Chance wird mit Quietschen und Kreischen kommentiert, die Pompoms rascheln dann besonders schnell. Fällt ein Tor, sind sie kaum noch zu halten - minutenlanger Applaus und La Olas.

Die Trainerin Eiko Watanabe und ihr Team haben das mit Jubeln echt richtig gut drauf. © ARD Foto: Julia Linn

Die Trainerin Eiko Watanabe und ihr Team haben das mit dem Jubeln echt richtig gut drauf.

Eigentlich hatten sie geplant, auch direkt bei den Spielen ihre Stars anzufeuern - wegen Corona geht das jetzt aber nur aus der Ferne. Bei so viel Energie halte ich es aber auch nicht für ausgeschlossen, dass die Sportler das doch trotzdem irgendwie spüren. Sie lieben die Olympischen Spiele, erzählen sie mir, aber Fußball ganz besonders. Es sei eigentlich gar nicht so viel anders als Cheerleading - man muss im Team funktionieren.

Olympischer Spirit aus erster Hand

Trainerin Eiko Watanabe hat eine ganz besondere Verbindung zu Olympia: Ihr Vater ist 1964 bei den letzten Spielen in Tokio im Stabhochsprung angetreten. Eine Medaille konnte er zwar nicht erreichen, aber den olympischen Spirit habe er sich bis heute bewahrt - und an seine Tochter weitergegeben. "Wenn man morgens aufsteht, geht's los. Egal was ist, es ist wichtig konsequent an seinen Leistungen zu arbeiten und das Tag für Tag“, sagt Eiko Watanabe.

Und das möchte sie ihrem Team mitgeben, auch in ihrem Alter sollen sie immer alles geben, was sie können. "Natürlich ist das kein Vergleich zu den olympischen Athleten, aber von großer Bedeutung ist es nichtsdestotrotz."

Die erste Halbzeit ist vorbei - die Show der Oma-Cheerleaderinnen beginnt. Ihr Tanz erinnert mich an Funkenmariechen. Ihre Beine fliegen mit einer Leichtigkeit durch die Luft, als wären sie Teenies. Ich bin mir sicher: Diese Mädels haben den Olympia-Spirit der Familie Watanabe verinnerlicht.

Nach der Show verabschieden wir uns. Die zweite Halbzeit sollen sie als Team genießen können, ohne Kamera und Reporterin, die Fragen stellt. "Das glaubt uns doch niemand“, sagt mein Kollege Björn, als wir wieder zum Auto gehen. So was erlebt man nur in Japan.

ARD-Reporterin Julia Linn

Zur Person: Julia Linn arbeitet für den WDR und im ARD-Studio Tokio und berichtet hier täglich von ihren Erfahrungen bei den Olympischen Spielen in Tokio.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Sportschau | Olympia Tokio 2020 | 30.07.2021 | 23:50 Uhr

Stand: 30.07.21 19:37 Uhr